Agora
Die Säulen des Himmels
(R: Alejandro Amenábar)
Spanien 2009, Originaltitel: Agora, Buch: Alejandro Amenábar, Mateo Gil, Kamera: Xavi Giménez, Schnitt: Nacho Ruíz Capillas, Musik: Dario Marianelli, Ausstattung: Guy Hendrix Dyas, mit Rachel Weisz (Hypatia), Max Minghella (Davus), Oscar Isaac (Orestes), Michael Lonsdale (Theon), Sammy Samir (Kyrill), Ashraf Bahrom (Ammonius), Rupert Evans (Synesios), Homayoun Ershadi (Aspasius), 126 Min., Kinostart: 11. März 2010
Hypatia von Alexandria war die Tochter Theons, des letzten Leiters der legendären Bibliothek (Leser von Don Rosa wissen, dass ohne diese Bibliothek das "Schlaue Buch" des Fähnlein Fieselschweif nie möglich gewesen wäre). Über ihre Stellung in der Stadt und den Charakter dieser starken Frau ist vieles überliefert, ihre wissenschaftlichen Arbeiten hingegen gingen verloren.
Da ein Bio-Pic aber keine Dissertation ist, konnte sich Regisseur Alejandro Amenabár (zuletzt Mar Adentro und The Others) ganz auf das Leben dieser friedfertigen, klugen, um die Wahrheit bemühten Frau konzentrieren, und mehr aus Gründen der Ausschmückung reichert man die Geschichte um einige wissenschaftliche Errungenschaften an.
Hypatia (Rachel Weisz) landet in einem seltsamen Dreieck zwischen den Herren Davus (Max Minghella als junger Joaquin Phoenix) und Orestes (Oscar Isaac als leicht öliger Politiker), die sie auf unterschiedliche Art und Weise verehren und begehren. Und dadurch ihr Leben sehr verkomplizieren.
Doch das Leben ist für alle Einwohner Alexandrias kompliziert, weil Christen, Heiden, Philosophen und Juden (sowie Mischformen, Splittergruppen und Unentschiedene) sich gegenseitig bekämpfen. Sowohl politisch und rhetorisch als auch mal ganz handgreiflich mit dem Schwert oder einer zünftigen Steinigung.
Neben der Biographie der Hauptfigur Hypatia ist das Interessanteste am Film die Inszenierung. Damit meine ich sowohl die seltsamen kleinen Ideen wie das Werfen von Schriftrollen durch die alexandrische Bibliothek, als seine es Klopapierrollen bei einer US-amerikanischen High-School-Party zu Halloween (Bücherverbrennung mit Party-Mentalität), als auch die durchdachteren Ideen, die das Gerüst des Films stützen.
Das Inszenierungsprinzip des Films ist der Kreis, der immer und überall auftaucht, zum Beispiel auch bei den Planetenansichten, die wir sowohl in Modelform dargeboten bekommen als auch als "Gottesperspektive", wenn die (virtuelle) Kamera auf die Erde zufährt und sich dem Ort des Geschehens nähert. Dieses "God's Eye" kennt man aus vielen Filmen, doch hier geht es weniger um religiöse Werte als um Denkanreize für das Publikum.
Wenn man erst das Gewimmel von Ameisen sieht und später aus der Luft die Metzelei rund um die Bibliothek, wirft das ein völlig anderes Licht auf das Geschehen. Amenábar ergreift keine Partei, er hinterfragt die Klischees (Christen sind hier fast durchgehend dunkle Bartträger, keine blonden Recken) und versetzt den Zuschauer nach und nach in die Lage der meisten Gruppierungen. So verfolgt man die Argumentation aufmerksam, ist mal unfreiwilliger Täter in einer Machtposition, die man vielleicht auch ausgenutzt hätte, und erlebt an anderer Steinigung als "Opfer" aus der demütigen Froschperspektive. Agora ist somit ein durchweg philosophischer Film, der das Hinterfragen vermeintlich gegebener Umstände fördert. Und dadurch wird er trotz einiger sehr seltsamer Passagen zu einem Film mit Vorbildcharakter, denn zumeist wird einem ja nur vorgekaute Propaganda serviert, die einem das Denken bereits abnimmt.