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Bilder © The Cinema Guild, Inc.
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Beeswax
(R: Andrew Bujalski)
USA 2009, Buch, Schnitt: Andrew Bujalski, Kamera: Matthias Grunsky, mit Tilly Hatcher (Jeannie), Maggie Hatcher (Lauren), Alex Karpovsky (Merrill), Katy O'Connor (Corinne), David Zellner (Scott), Kyle Henry (Michael), Anne Dodge (Amanda), 100 Min., Kinostart: 25. März 2010
Andrew Bujaski wird gerne mit dem Begriff "Mumblecore" in eine Schublade geworfen, doch dieser missverständliche Begriff hängt nicht mit schwer verständlichen Schauspielern zusammen (wie der "Murmler" bei Dick Tracy), sondern mit "Ultra"-Low-Budget-Independent-Filmen um "Twentysomethings", weshalb mir der von Filmkritikern geprägte Begriff "Slackavetes" (Slacker + Cassavetes) weitaus aussagekräftiger erscheint.
Im Fall von Bujaski kritisieren unaufmerksame Betrachter mitunter, dass es nur um "talking heads" ginge und eine Handlung Mangelware wäre, doch gerade bei Beeswax, laut Bujaski ein "Justiz-Thriller für all diejenigen, die in diesem Wort einen Widerspruch sehen", ist die Handlung zu jedem Zeitpunkt des Films offensichtlich. Nur geht es nicht um die Rettung diverser Menschenleben, sondern um so profane Dinge wie ein Bewerbungsgespräch, eine freundschaftliche Beziehung mit Bonus-Sex oder dem Zeitmanagement bei einer schlecht organisierten Autofahrt. Dinge, die unser tägliches Leben ausmachen wie die Diskussionen um eine bevorstehende Klage bei einem gemeinschaftlich geführtem Laden (ja, das ist der Teil des Films, der die Bezeichnung "Justizthriller" mit sich zieht, auch wenn es hier nicht um Gerichtsgebäude und Gerechtigkeit geht, sondern eher um die Willkür bürokratischer Vorgänge).
Neben der unaufgeregten, sehr zurückhaltenden Kameraführung und einigen sehr gelungenen dramaturgischen Einfällen (ich liebe die Schlussszene! Aber auch die erste Szene mit dem Tellercountdown als konzeptionelle Fortführung des Prinzips) zeichnet sich Beeswax, der im letzten Jahr auf dem Forum uraufgeführt wurde, durch seine zwei Hauptdarstellerinnen aus. Maggie und Tilly Hatcher "spielen" die Zwillinge Lauren und Jeannie, wobei Jeannie querschnittsgelähmt im Rollstuhl sitzt und den erwähnten Second-Hand-Laden mit ihrer (bald vielleicht nicht mehr) Freundin Amanda führt, während Lauren mit dem Gedanken spielt, ins Ausland zu gehen. Und weitere Entwicklungen will ich an dieser Stelle auch nicht vorwegnehmen. (Der Film hat Handlung, aber er lebt eher davon, dass man diese als Zuschauer selbst erlebt und zusammenbaut, und deshalb wäre eine detaillierte Inhaltsangabe so blödsinnig, wie man es etwa im Presseheft zu Angela Schanelecs Orly erleben konnte.)
Die Menschen in Beeswax sind halb real, halb erfunden, und wer sich nur für erfundene Konflikte und nach genauem Masterplan erstellte Drehbücher erwärmen kann, sollte dem Film fernbleiben. Wer sich jedoch auch bei Filmen der Berliner Schule oder Eric Rohmer ausgezeichnet unterhalten kann (die Beispiele sind mit Bedacht gewählt, ich weiß um die vielen miesepetrigen Ignoranten und siedle bei manchem Film auch mal in ihr Lager um), der wird an Beeswax seine helle Freude haben.
Ich persönlich sah den Film übrigens nach einer kleinen filmischen Durststrecke. Wenn es der dritte von vier Filmen mitten in der Berlinale gewesen wäre und ich - wie in solchen Situationen üblich - gerade zwischen Müdigkeit und Koffeinüberdosis vegetiert hätte, wäre mein Urteil womöglich anders ausgefallen. Ebenso, wenn der Film in einer Sprache wie Französisch oder Koreanisch gewesen wäre und ich manche Subtilitäten und Zusammenhänge nicht erkannt hätte. Nach diesem langen Geschwafel sollte der Leser oder die Leserin ziemlich genau entscheiden können, ob Beeswax der "richtige" Film für ihn oder sie ist. Und das ist ja auch irgendwie der Sinn so einer Rezension. Die detaillierte Analyse der Geschichte und der filmischen Umsetzung überlasse ich dem Kinofreund selbst.