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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




7. Juli 2010
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Bergfest (R: Florian Eichinger)
Bergfest (R: Florian Eichinger)
Fotos © Bergfest Film
Bergfest (R: Florian Eichinger)
Bergfest (R: Florian Eichinger)
Bergfest (R: Florian Eichinger)


Bergfest
(R: Florian Eichinger)

Deutschland 2008, Buch: Florian Eichinger, Kamera: André Lex, Schnitt: Jan Gerold, Musik: Daniel Vernunft, Ivan Wyszogrod, Ausstattung: Daniel Vernunft, mit Anna Brüggemann (Ann), Martin Schleiß (Hannes), Peter Kurth (Hans-Gert), Rosalie Thomass (Lavinia), 89 Min., Kinostart: 8. Juli 2010

Hannes (Martin Schleiß) trägt seine Verlobte Ann (Anna Brüggemann) durch den Schnee, einer einsamen Berghütte entgegen. Als er feststellt, dass sein Vater dort momentan offenbar wohnt, will er am liebsten den gesamten Kurzurlaub abbrechen, doch Anna besteht darauf, Hans-Gert (Peter Korth) kennenzulernen.

Der Anfang des mit Minimalbudget in nur zehn Tagen gedrehten Langfilmdebüts des Werbeclip-Regisseurs Florian Eichinger ist vielversprechend. Hans-Gert, ein grobschlächtiger Typ, hat gerade einen Hasen erlegt, und schüttelt der Verlobten seines Sohns die wahrscheinlich blutbeschmierte Hand, während seine Geliebte, die 19jährige Lavinia (Rosalie Thomass) das Quartett vervollständigt.

Acht Jahre haben sich Vater und Sohn nicht gesehen, und langsam und schleppend erfährt man die Hintergründe der Beziehung, in der ein Stiefvater eine große Rolle spielte. Hans-Gert ist ein Theaterregisseur auf dem absteigenden Ast, der immer noch eine kurze handschriftliche Notiz Rainer-Werner Fassbinders aus seiner talentierten Jugend mit sich führt (“Lieber Hans-Gert! Habe heute ihren Don Carlos gesehen. War witzig!”). Nun will er den Sohn zu einer Rolle überreden, die Schwiegertochter-in-spe will hinter das Familiengeheimnis kommen und die junge Nachwuchsschauspielerin Lavinia will vor allem ihren Spaß haben - und wie in Theaterklassikern wie Who’s Afraid of Virginia Woolf? werden die Paare aufeinander losgejagt, zur gegenseitigen psychologischen Selbstzerfleischung.

Sowohl einige Einstellungen vom Bergwald als auch die Zwischentitel mit bedeutungsschwangeren Angaben wie “Freitag” oder “Samstag” erinnern an Kubricks The Shining, und Messer und Armbrüste sowie die aufgestaute Spannung zwischen Vater und Sohn lassen eine Eskalation immer wahrscheinlicher erscheinen.

Es geht um Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse, um unterdrückte Sexualität (“Warum duschst du denn im Bikini?” - “Ich will nicht, dass dein Vater mich nackt sieht.”). Doch bloß, weil Regisseur Eichinger in seinem vieldeutigen Titel Bergfest einen Anklang an Thomas Vinterbergs Dogma-Klassiker Festen sieht, ist das noch lange kein Grund, dass zwei von drei Journalisten diesen extrem hinkenden Vergleich gleich nachplappern.

Für ein deutsches Kammerspiel-Regiedebüt mit Winzdebüt ist Bergfest überdurchschnittlich gelungen, aber einige der Probleme solcher Produktionen sind auch hier offensichtlich. Das Drehbuch verliert mit der Zeit immer mehr an Schärfe und Prägnanz, die Darsteller werden teilweise bis über die Grenzen ihrer Glaubwürdigkeit gefordert, und wo Festen stabil begann und immer intensiver wurde, hat dieser Film sein inszenatorisches “Bergfest” leider schon nach etwa 20 Minuten erreicht ...