Meat
(Maartje Seyferth &
Victor Nieuwenhuijs)
Niederlande 2010, Buch: Maartje Seyferth, Kamera: Victor Nieuwenhuijs, Schnitt: Tarek, Vima Kara, Musik: Willem Cramer, mit Titus Muizelaar (Fleischer / Inspector), Nellie Benner (Roxy), Kitty Courbois (Mutter), Hugo Metsers (Jan, der Chef), Wilma Bakker (Tinie, die Frau des Fleischers), Gurkan Gucukenturk (Mo, Roxys Liebhaber), Elvira Out (Sonia, Geliebte des Inspectors), Frans Bakker (junger Inspector), 86 Min., Kinostart: 27. Januar 2011
Die erste Einstellung dieses Films ist wahrscheinlich auch seine beste, und man bewies genug Gespür, sie auch zum Plakatmotiv (in dieser Form sogar preisgekrönt) zu erklären: drei identische menschliche Torsos nebeneinander (bei den bewegten Filmbildern wird klar, dass man mit dem Computer getrickst hat), und im Zusammenhang mit dem Filmtitel denkt man nicht nur an Erotik, sondern auch an Schweine- oder Rinderhälften, die nebeneinander am Schweinehaken baumeln.
Für ca. fünf Minuten fordert einen dieser »erotische Thriller«. Ein Schmetterling an einer Blume, eine Frau unter Wasser in einer Badewanne, dazu zählt jemand »50, 51, ...«, dann quält sich ein älterer, gerade geweckter Herr aus dem Bett, man versucht bereits irgendwelche Zusammenhänge zu erkennen. Den älteren Herren gibt es zweimal: einmal als kurzgeschorenen Fleischer, einmal als langhaarigen Akademiker, der sich später als »Inspector« offenbart. Dem Fleischer wird ungleich mehr Zeit gewidmet, und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass dies daran lag, weil die Location zur Verfügung stand. Nur schade, dass aber die Glasfront wackelt wie in einer Realschultheateraufführung, man die Türen zum Kühlraum fast durchgehend einen Spalt offenstehen lässt (Sicherheitsbestimmungen? Mit Fleischerhandwerk hat dies jedenfalls nichts zu tun), und als Höhepunkt eine Tierhälfte direkt unter einer offenen Treppe hängt. Wenn man das Gefühl gehabt hätte, diese Verletzungen von Hygienebestimmungen hätten etwas mit der erzählten Geschichte zu tun, wäre es ja okay gewesen, aber der gesamte Film wirkt immer belangloser und beliebiger.
Die beiden Filmemacher, die zuvor Filme mit den Titeln Venus im Pelz und Lulu fabrizierten, haben sich offenbar auf eine Art »erotischen Surrealismus« eingeschossen, was ja erst mal nichts schlechtes ist.
Doch die Story und Inszenierung, die beide zunächst noch vielsprechend wirken, werden dann für (beschönigend auch surrealistisch zu bezeichnende) Einzelideen geopfert. Der Streifen entwickelt sich zu einem Martyrium für den Zuschauer: Jede Menge Sex (darunter die schlechteste Sexszene, die ich je gesehen habe) mit unterschiedlichen Partnern, jede Menge Ekel, Dummheit, Klischees, dazu Kirchenklänge, die an Philip Glass erinnern sollen und altertümliche Instrumente.
Hin und wieder gibt es Momente, die durchaus interessant wirken würden, wenn man nicht längst abgestumpft und gelangweilt wäre. Immer wieder neue, nur angerissene Ideen: Tieraktivisten und Sexualtäter mit Tiermasken, Schäferstündchen im Kühlraum und Schafe (und andere Tiere) als Wandschmuck im Verkaufsraum, die dann irgendwann lebendig werden. Depression und Suizid, Mord und Langeweile, Verhör und Verführung. Wenn sich irgendwann herausgestellt hätte, dass die Fleischereifachverkäuferin Roxy, die so ziemlich alles mit sich machen lässt, aber sich auch inszeniert und mit einer Kamera Bilder einfängt, eine etwas neben der Spur befindliche Performance-Künstlerin sein soll, wäre vielleicht noch etwas zu retten gewesen, aber selbst die vermeintliche Aufklärung (so wie ich sie verstanden - inzwischen aber wieder verdrängt und vergessen - habe), erweist sich als uninteressant und womöglich auf das Schlussbild des Films hinkonstruiert.
Wer unbedingt mal einen Zungenkuss mit einer Rinderzunge sehen will, soll es sich antun. Oder wer sich schon seit Jahren fragt, wie wohl das Ergebnis aussieht, wenn der diabolische Geist David Lynchs (ähnlich wie bei Twin Peaks) in den Körper des Showgirls-Regisseurs Paul Verhoeven hineinfährt, dieser daraufhin zurück nach Holland fliegt, sein gesamtes Regietalent nebenbei vergisst und er im Fleischerladen seines Onkels mit diesem und ein paar Discobekanntschaften mal etwas herumexperimentiert. Das Jahr ist noch jung, aber bei der Suche nach dem schlechtesten Film 2011 wird Meat sicher eine tragende Rolle spielen.