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Bildmaterial © 2010 Warner Bros. Ent.
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Kokowääh
(Til Schweiger)
Deutschland 2011, 1st Assistant Director [Co-Regie ?]: Torsten Künstler, Buch: Béla Jarzyk, Til Schweiger, Kamera: Christof Wahl, Schnitt: Constantin von Seld, Musik: Dirk Reichardt, Mirko Schaffer, Martin Todsharow, mit Til Schweiger (Henry), Emma Schweiger (Magdalena), Jasmin Gerat (Katharina), Samuel Finzi (Tristan), Meret Becker (Charlotte), Miranda Leonhardt (Maria), Misel Maticevic (Rob Kaufmann), Jahmar Walker (Fettbacke), Ulrich Wickert (Moderator), Anna Julia Kapfelsperger (Bine), Jessica Richter (Esther), Johann von Bülow (Feuerwehrmann), Sönke Möhring (Polizist), Luna Schweiger (Tochter Supermarkt), Katharina Thalbach (Patientin), Torsten Künstler (Kurier), 123 Min., Kinostart: 3. Februar 2011
Mit Erfolgen wie Keinohrhasen und Zweiohrküken im Rücken kann es sich Til Schweiger auch mal erlauben, seiner Tochter zuliebe einen Film zu drehen. Die Geschichte der unfreiwillig und überraschend mit Elternpflichten überforderten Person ist nichts neues mehr, diesmal geht es nicht um die Karrierefrau, sondern um den überzeugten Single (Til Schweiger), der buchstäblich vor seiner Wohnungstür die mittlerweile achtjährige Magdalena (Emma Schweiger) findet.
Wie es sich gehört, kann man anhand des Trailers schon entscheiden, ob einen dieser Film gefallen wird. Schlüsselszene: Til fragt Tochter: »Magst du Schoko-Pops?« Sie flötet: »Jaaa!« Til dazu: »Hab’ ich aber leider nicht da.«
Wem das »Jaaa!« der Tochter schon gehörig auf den Zeiger geht, der sollte auch den Film dringend meiden, ansonsten gilt: Wenn Regisseure in ihre Hauptdarstellerinnen verliebt sind (in diesem Fall Vaterliebe), verlieren sie mitunter ihre Klarsicht und Professionalität. Jetzt mal unabhängig davon, ob diese zuvor vorhanden waren.
Es gibt ja mitunter Leute, die bescheinigen dem Regisseur Schweiger ein überdurchschnittliches Comedy-Timing. Und andere, die sehen vor allem seinen Erfolg und unterstellen rumnörgelnden Kritikern, dass sie letztendlich nur neidisch sind.
Und deshalb will ich an dieser Stelle mal etwas zum Talent des Regisseurs Schweiger sagen. Dass es ihm nicht um große Filmkunst geht, ist offensichtlich, und das sollte auch nicht der Ausgangspunkt einer Kritik sein. Doch selbst reine Erfolgs- und Unterhaltungsregisseure, die in meinen Augen eher uninteressant sind (etwa Philippe de Broca, Claude Zidi, Harald Reinl, Alfred Vohrer, Ivan Reitman oder Brett Ratner) haben zumindest ein gewisses Interesse am Storytelling, das Schweiger (soweit ich das anhand von Kokowääh beurteilen kann) komplett abgeht. Im ganzen Film gibt es abgesehen von klassischen Establishing Shots (die häufig prunkvolle Bauten zeigen) und einigen Einstellungen aus dem Kühlschrank oder Backofen heraus (was Schweiger wahrscheinlich als total clever einschätzen würde) einen fast durchgehenden Brei von Talking Heads mit unscharfen Hintergünden. Es wird kurz die Raumsituation geklärt (A, B und C sitzen hier, dort und da), und danach folgt eine von Ausstattung und Kamera ästhetisch aufgewertete (hübsche unscharfe Lichter) Materialmenge, bei der man sich nicht um Anschlussfehler kümmern muss und im Schneideraum den einfachsten Job der Welt hat. Daran werden sich Millionen Kinozuschauer keinen Deut stören, aber für mich als Kritiker ist das fast so widerlich wie die dauernden Reißschwenks und Stakkatoschnitte bei Michael Bay und Konsorten. Hier wird stumpfe Beliebigkeit zu vermeintlichem Talent, und diese Art von antrainiertem Erfolgs-Talent findet man auch in der Musikbranche (die immer gleichen Disco-Rhythmen von Andrea Berg, Dieter Bohlen oder Michael Wendler) oder in den Roman-Bestsellerlisten (keine Beispiele, weil ich außer von Simon Beckett von den anderen Verdächtigen kein Buch gelesen habe). Soviel dazu.
Schweiger zeigt in seinem (von Warner vertriebenen) Film zwei (komplett unreflektierte) Ausschnitte aus Clint-Eastwood-Filmen (Unforgiven und ein Teil der Dirty-Harry-Serie), und man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der zum Größenwahnsinn neigende Schweiger in Eastwood eine Art Vorbild sieht. Ein ehemaliger Fernsehschauspieler, der aufgrund seines Aussehens sehr erfolgreich wurde, dessen Schauspieltalent aber von der Kritik eher belächelt wurde, und der jetzt als Regisseur weltweit anerkannt ist. Im Vergleich zu Eastwood sieht man aber sehr klar, wovon Schweiger als Regisseur noch meilenweit entfernt ist. Und Eastwood besetzt sich nicht immer als Hauptdarsteller, und wenn er seine Familie in seine Filme einbringt (Honkytonk Man ist hier nur das offensichtlichste Beispiel), dann hat man das Gefühl, dass er von seinen Familienmitgliedern die selbe Professionalität fordert, die er selbst liefert. Ich stelle gerade fest, dass ich mich hier in etwas verrenne, der Vergleich passt einfach weder hinten noch vorne.
Bleiben wir also beim Film. Drehbuchautor Henry (Til Schweiger) erfährt, dass seine Serie »Der Förster vom Spreewald« abgesetzt wurde. Im gleichen Atemzug bekommt er aber das Angebot, gemeinsam mit seiner ehemaligen Freundin Katharina (Jasmin Gerat), die inzwischen Bestsellerautorin ist, an der Drehbuchadaption ihres Erfolgsromans zu schreiben. Zu diesem Zeitpunkt hat man bereits miterleben können, dass Henry einen ähnlichen Frauenverschleiss (»Ich sag nur: Kamasutra«) hat wie Charlie Sheen in den frühen Staffeln von Two and a Half Men, und auch mit der ach so professionellen Exfreundin landet er in Rekordzeit im Bett. Jede Menge behauptete Fröhlichkeit und gut trainiertes Lächeln. Börk!
Manchmal erinnert mich Til Schweiger an Tom Cruise. Gutaussehend, familienorientiert, erfolgreich und immer ein Lächeln für die Kamera parat.
Aber Schweiger ist ja auch noch Regisseur, mit großartigem Comedy-Timing. Das geht dann so: Henry, angenervt wegen der bei ihm abgestellten Achtjährigen, macht sich auf zu der Person, die Magdalena bisher für ihren Vater hielt, jenen Mann, der »ihre Hand gehalten hat, als sie am Blinddarm operiert worden ist.« (!) Ein Kieferorthopäde namens Tristan Walser (Samuel Finzi), in dessen Praxis Henry einfach so hineinplatzt. Eine Patientin (Katharina Thalbach) wird gerade behandelt, kann aber aus bestimmten Gründen nicht sprechen und verdreht vor allem ihre Augen. Großes Gelächter im Kino. Henry und Tristan unterhalten sich über das Problem, doch irgendwann bricht Tristan das Gespräch ab mit den Worten »So, ich muss mich jetzt um meine Patientin kümmern. Die arme Frau hat seit einer Dreiviertelstunde eine Kiefersperre im Mund.« Das nenne ich Comedy-Timing! Til Schweiger weiß, worüber Deutschland lacht. So wie Bully Herbig (dem Schweiger im Film mal anerkennend zunickt). Zwei Männer, die sich angetrunken ein Sofa teilen müssen. Und einer von ihnen rülpst mehrfach. Je nach Situation würde ich da auch lachen, aber in Kokowääh war ich schon zufrieden, dass die Sparwitze überschaubar blieben.
Insbesondere seiner Tochter hat Schweiger viele witzige Dialoge zugeschanzt. Etwa beim Blick in den Kühlschrank: »Hier kriegen ja die Mäuse Schatten unter die Augen.« (keine Ahnung, was das bedeuten soll) oder später das mit der »Prinzessin von Sachsen-Humboldt«. »Was haben wir gelacht.« Es liegt gar nicht mal an Emma Schweiger, dass einige Pointen nicht zünden, ihre Dialoge sind einfach zu sehr auf Scherz gebürstet, geben ihr aber keinen Raum, eine Filmfigur zu entwickeln. Schweiger erklärte irgendwo in einem Interview, dass sich seine Tochter zunächst weigerte, ein Handtuch so hinzuhängen, dass es später Feuer fängt. »Das würde ich nie machen.« Papa Regisseur nahm sie dann bei der Hand und erklärte ihr, dass ja auch nur die von ihr dargestellte Figur sowas macht. Aber weder seiner Tochter noch dem Kinozuschauer erklärt Schweiger, warum Magdalena das Handtuch so hinhängen würde. Die Lösung ist einfach: weil es so im Drehbuch steht. Und deshalb bekommen Mäuse in einem fast leeren Kühlschrank »Schatten unter die Augen«, Magdalena schaut Clint Eastwood-Filme im amerikanischen Original und aus der Prinzessin von Sachsen-Anhalt wird die von Sachsen-Humboldt. Weil es witzig sein soll. Doch es ist nur doof und oft auch peinlich. Wenn ein vermeintlich unsympathischer Regisseur aussieht wie Helmut Dietl und öfters englischsprachige Floskeln wie »whatever« ins Gespräch einfließen lässt, dann hat man das Gefühl, dass das auch was über die Figur sagen soll (egal, wie eindimensional sie dennoch bleibt), aber wenn die ach so sympatische Bestsellerautorin Katharina sagt »Schön. I like«, dann fragt man sich wieder mal, ob Schweiger und sein Co-Autor gleichwenig Sprachgefühl haben, oder Schweiger sich einfach durchgesetzt hat.
Irgendwann schlägt Henry mal recht unmotiviert mit der bloßen Hand eine Glasscheibe ein, und Katharina tadelt, dass er zuviel Hollywood-Filme gesehen hat. Dies ist einer der raren Momente, wo der Film fast selbstreflektiv wird (Drehbuchautor Henry schreibt übrigens während des Films ein Drehbuch namens »Kokowääh«), ja sogar fast selbstkritisch. Aber mehr als die Oberfläche dieser Traumwelt wird nie angekratzt. Hier haben die Scrabble-Spiele mehr Umlaute, hier werden Bullies im Handumdrehen zu besten Freunden, und Existenzängste spielen nur solange eine Rolle, wie sie für die (magere) Figurenmotivation benötigt werden (Henry kann nicht einmal sein klappriges Auto auslösen, aber dann fährt man halt Taxi). Und am Ende sind alle gute Freunde. Kokowääh ist so belanglos, dass man sich nicht einmal richtig drüber ärgern kann ...