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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




27. März 2011
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Gnomeo & Julia (Kelly Asbury)
Gnomeo & Julia (Kelly Asbury)
Gnomeo & Julia (Kelly Asbury)
Bildmaterial © Miramax Film
Gnomeo & Julia (Kelly Asbury)
Gnomeo & Julia (Kelly Asbury)
Gnomeo & Julia (Kelly Asbury)
Gnomeo & Julia (Kelly Asbury)


Gnomeo & Julia
(Kelly Asbury)

Originaltitel: Gnomeo & Juliet, UK / USA 2011, Buch: Kelly Asbury, Mark Burton, Kevin Cecil, Emily Cook, Kathy Greenberg, Andy Riley, Steve Hamilton Shaw, Original-Drehbuch: John R. Smith, Rob Sprackling, Lit. Vorlage: William Shakespeare, Schnitt: Catherine Apple, Musik: Chris Bacon, James Newton Howard, Elton John, Production Design: Karen deJong, mit den Originalstimmen von James McAvoy (Gnomeo), Emily Blunt (Juliet), Ashley Jensen (Nanette), Michael Caine (Lord Redbrick), Matt Lucas (Benny), Jim Cummings (Featherstone), Maggie Smith (Lady Bluebury), Jason Statham (Tybalt), Ozzy Osbourne (Fawn), Stephen Merchant (Paris), Patrick Stewart (Bill Shakespeare), Julie Walters (Miss Montague), Hulk Hogan (Terrafirminator V.O.), Kelly Asbury (Red Good Gnomes), Richard Wilson (Mr. Capulet), Dolly Parton (Dolly Gnome), Julia Brams (Stone Fish), James Daniel Wilson (Fishing Gnome), 84 Min., Kinostart: 24. März 2011

Shakespeares bekanntestes Stück Romeo & Juliet beginnt mit einem Prolog, der in Form eines klassischen englischen Sonetts (Reimschema abab cdcd efef gg) gehalten ist.

Two households, both alike in dignity,
In fair Verona, where we lay our scene,
From ancient grudge break to new mutiny,
Where civil blood makes civil hands unclean.
From forth the fatal loins of these two foes
A pair of star-cross'd lovers take their life;
Whole misadventured piteous overthrows
Do with their death bury their parents' strife.
The fearful passage of their death-mark'd love,
And the continuance of their parents' rage,
Which, but their children's end, nought could remove,
Is now the two hours' traffic of our stage;
The which if you with patient ears attend,
What here shall miss, our toil shall strive to mend.

Gnomeo & Juliet beginnt mit einem Theatervorhang, hinter dem ein sprechender Gartenzwerg hervortritt und den Prolog zu rezitieren beginnt. Als Hilfsmittel trägt er dabei eine Schriftrolle, die er ausrollt, und bei der ein Vergleich mit Toilettenpapier nicht übertrieben wäre. Zirka acht der vierzehn Zeilen werden dann auch vorgetragen, bis der »ewig lange« Prolog dann abgebrochen wird, um mit der Handlung zu beginnen. Ein Gag auf Kosten des Originalmaterials (Shakespeare wird übrigens nicht als Autor im Vorspann erwähnt), der nur in Unkenntnis funktioniert, denn die Übertreibung wirkt schon etwas lachhaft, wenn das Vortragen des Prologs eindeutig schneller über die Bühne gebracht werden konnte (in angemessenem würdigen Tempo) als das Späßchen, das man drumherum gebastelt hat.

Diese Szene ist bereits symptomatisch für den Film. Die Filmemacher hatten offensichtlich eine recht erkleckliche Kenntnis des Shakespeare-Stücks und seiner Theatergeschichte. Man übernimmt die traditionellen Farben der Familien Capulet und Montague (hier rote bzw. blaue Gartenzwerge), weiß etwa die Rolle der »Nurse« in kongenialer Weise umzuinterpretieren, ohne ihre derbe, etwas lüsterne Natur zu verlieren, transformiert ikonische Szenen des Luhrmann-Films (der die Balkonszene um einen Swimming-Pool bereicherte) und behält lange Zeit den Plot und die Struktur des Stücks bei. Doch sobald sich die Chance gibt, einen Sparwitz auf Kosten des Barden zu machen (etwa ein Hausnummernschild »2B / not 2B«), den auch noch der hinterletzte Ignorant versteht (womöglich sogar manche Zweitklässler), so wird das auch gemacht. Patrick Stewart darf dann auch ein Denkmal des im Nachspann »Bill Shakespeare« genannten Herren zum Sprechen bringen, das offenbar nur in den Film gebracht wurde, um die Abkehr vom bekannten Ende des Stückes sozusagen unfreiwillig abzusegnen und der Kritik vermeintlich bereits den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Der Ansatz, Hochkultur durch Kitsch zu zersetzen, ist ja interessant, und auch als reine Shakespeare-Adaption hätte der Film durchaus das Zeug zu überzeugen (meiner Meinung nach hätte man auch einem jungen Publikum zumuten können, dass zwei Gartenzwerge am Schluss zerdeppert nebeneinander liegen), aber man konzentriert sich auf zu viele Überflüssigkeiten. So ist man etwa bemüht, einen Großteil der musikalischen Song-Historie Elton Johns in den Film einzubringen - es könnte ja ein paar zusätzliche Zuschauer bringen. Die Hauptprämisse des Films hingegen wird überhaupt nicht erklärt - man geht einfach davon aus, dass jedermann mindestens einen Teil von Toy Story gesehen hat und übernahm die Regeln. Der Spielort (inklusive der sich entwickelnden Apokalypse) hingegen stammt von Over the Hedge, man bastelt noch ein wenig Rebel without a Cause mit ein (James Dean ist ja auch eine Art Romeo, und aus dem Autorennen wird hier ein Wettkampf von Rasenmähern), und fertig ist das 3D-Spektakel, das stellvertretend wirkt für die aktuelle Schwemme von Animationsfilmen, die alle ganz unterhaltsam sind, an die sich aber drei Monate später kaum jemand mehr erinnern kann. Gnomeo & Juliet hat hier den Vorteil, sich in die große Shakespeare-Historie einzuschreiben und dadurch etwas Unsterblichkeit abzubekommen. Doch wie man den Barden dafür hintergeht und letztlich links liegenlässt wie ein halbverrostetes Flamingoornament aus dem Vorgarten, das ist schon etwas schäbig.