Unknown Identity
(Jaume Collet-Serra)
Originaltitel: Unknown, Deutschland / Großbritannien / Frankreich 2011, Buch: Oliver Butcher, Stephen Cornwell, Lit. Vorlage: Didier Van Cauwelaert, Kamera: Flavio Labiano, Kameraführung: Peter Robertson, Schnitt: Tim Alverson, Ton: Olivier Tarney, Mischung: Colin Nicholson, Musik: John Ottman, Alexander Rudd, Kostüme: Ruth Myers, mit Liam Neeson (Dr. Martin Harris), Diane Kruger (Gina), January Jones (Liz Harris), Aidan Quinn (Martin B.), Bruno Ganz (Ernst Jürgen), Frank Langella (Rodney Cole), Sebastian Koch (Prof. Bressler), Olivier Schneider (Smith), Stipe Erceg (Jones), Rainer Bock (Herr Strauss), Mido Hamada (Prinz Shada), Clint Dyer (Biko), Karl Markovics (Dr. Farge), Eva Löbau (Gretchen), Helen Wiebensohn (Laurel Bressler), Merle Wiebensohn (Lily Bressler), 111 Min. Kinostart: 3. März 2011
Dieser konventionelle, spannende Thriller um doppelte und multiple Identitäten, echte und falsche Erinnerungen schöpft mit großer Kelle aus dem reichhaltigen Fundus des Genres. Rätsel, Spione, Mörder, Flucht und Komplott, Bombenattentat und Verwicklung Unschuldiger. Berlin, Kalter-Krieg-Reminiszenzen und selbstverständlich spektakuläre Actionszenen werden erzählerisch mühelos und paßgenau ineinandergefügt.
Dr. Martin Harris (Liam Neeson) und Gattin Liz (January Jones) fliegen nach Berlin, wo der Biochemiker Harris auf einer Fachtagung einen Vortrag halten soll. Während die Gattin im Hotel Adlon eincheckt, fährt Harris zurück zum Flughafen, um einen vergessenen Koffer zu finden. Sein Taxi wird in einen Unfall verwickelt, den er nur knapp überlebt. Ins Hotel zurückgekehrt, stellt er fest, daß ein anderer Mann (Aidan Quinn) seinen Namen und seinen Platz eingenommen hat. Niemand glaubt ihm, daß er Martin Harris ist. Seine Frau verleugnet ihn. Gewährsleute, Kollegen, sind nicht zu erreichen.
Allein, ohne Papiere, sucht Harris, der zwischenzeitlich an seinem Verstand zweifelt, nach Beweisen seiner Identität. Nur die Taxifahrerin Gina (Diane Kruger), die ihm das Leben gerettet hat, und der ehemalige Stasi-Offizier Jürgen (Bruno Ganz) werden zu Mitstreitern. Unbekannte trachten ihm nach dem Leben, Unschuldige werden ermordet, um seiner habhaft zu werden.
Liam Neeson trägt die Hauptfigur mit allen Wandlungen sicher durch den Film. Diane Kruger verkörpert eine athletische Taxifahrerin, die sich ihrer Haut zu wehren weiß. Bruno Ganz, wie immer souverän, spielt den Stasimann als einen, der mit allen Wassern gewaschen ist – und weiß, wann er verloren hat.
Die Stadt Berlin erweist sich als äußerst kooperative Mitspielerin. U- und S-Bahnen, schicke Fassaden, Innen- und Außenansichten des Hotels Adlon, der Eingang der Neuen Nationalgalerie (mit augenscheinlich gegenüberliegender Currywurstbude ...), Graffiti und kleingeldfressende Telefonsäulen, der Taxistand am Flughafen Tegel, Ziegelbrücken, die Spree, Wahrzeichen des Stadtbildes wie Brandenburger Tor und Siegessäule vermitteln einen vielschichtigen Stadtraum, der die Komplexität der Handlung aufgreift und widerspiegelt.
In der insgesamt guten, dichten Story bestechen vor allem die ausgezeichnet inszenierten Actionszenen, die mit wahrer Erzähllust kleinste Begebenheiten zu einer atemberaubenden Kette fataler Ereignisse fassen. Dazu gute visuelle Einfälle, schnelle Schnitte, klare Bilder, jede Einstellung inhaltlich motiviert, hervorragende Stunts. (In der Pressevorführung gab es dafür mehrfach Szenenapplaus.)
Die eingesetzte Musik fällt dagegen deutlich ab, hier wird musikalisches Kantinenessen der einfachen Kategorie serviert.
Und daß der ganze Streß letztendlich der Akzeptanz gentechnisch veränderter Pflanzen dient – der Wissenschaftler (Sebastian Koch), dem Dr. Harris zuarbeitet, hat ein Getreide entwickelt, das hitze-, kälte- und schädlingsresistent ist und dessen genetischer Code dank der Großmut eines saudischen Prinzen (Mido Hamada) als Open Source kostenlos der ganzen Welt zur Verfügung stehen soll; so eine Art Linuxkraut der Gentechnik – das ist mehr als enttäuschend. Unter Würdigung dieses Aspekts: ein brillanter Propagandafilm.