Unter Dir die Stadt
(Christoph Hochhäusler)
Deutschland 2010, Buch: Ulrich Peltzer, Christoph Hochhäusler, Kamera: Bernhard Keller, Schnitt: Stefan Stabenow, Musik: Benedikt Schiefer, Kostüme: Birgitt Kilian, mit Nicolette Krebitz (Svenja Steve), Robert Hunger-Bühler (Roland Cordes), Mark Waschke (Oliver Steve), Corinna Kirchhoff (Claudia Cordes), Van-Lam Vissay (Andre Lau), Wolfgang Böck (Werner Löbau), Paul Fassnacht (Hermann Josef Esch), Oliver Broumis (Uwe Maas), Robert Schupp (Frank Kressnick), André Dietz (Stefan Scharf), Michael Abendroth (Hartmut John), Johannes Kiebranz (Gordon Parker), Klaus Zmorek (Markus de Hadlen), Alexandra Finder (Britta Lau), Alexandra von Schwerin (Dr. Silbereisen), Heike Trinker (Marianne Suhren), Angelika Bartsch (Annika Lebert), Piet Fuchs (Jens Janssen), Antje Lewald (Ulrike Krantz), 110 Min., Kinostart: 31. März 2010
»Am Anfang war eigentlich die Erinnerung an die biblische Geschichte von David und Batseba. Mein Vater hat uns oft Geschichten erzählt, auch biblische Geschichten, und zu denen, die mir geblieben sind, gehört die von David und Batseba: David, der Liebling Gottes, der König, begehrt Batseba, die Frau seines Untergebenen Uria, den er an die Front schicken lässt, um freie Bahn zu haben.« Der Hauptplot von Christoph Hochhäuslers drittem Spielfilm Unter Dir die Stadt ist schnell erzählt. Der Bank-Manager Roland Cordes (Robert Hunger-Bühler) hat eine Affäre mit Svenja (Nicolette Krebitz), und lässt ihren Gatten auf einen hochdotierten, aber nicht ungefährlichen Posten nach Indonesien versetzen. Darüberhinaus bleibt die Geschichte enigmatisch. Mann kann darüber sinnieren, inwiefern der »Banker des Jahres« zu Beginn des Films »der Liebling Gottes« ist und ob es ihm gelingt, wie David »Gott zu erzürnen«. Oder inwiefern im Kontext des Films dieser Gott schlicht mit Mammon umbesetzt wurde, inwiefern es vor allem um Investmentbanking oder die Bankenstadt Frankfurt geht. Wie erfolgreiche Investmentbanker prägt auch die Figuren des Films (und die Inszenierung) ein gewisser »Tunnelblick«, auf den man sich als Zuschauer erst mal einlassen muss. Teilweise ist das kolossal, wie das erste Kennenlernen von Svenja und Cordes auf einer Ausstellung, wo über eine abgelegte (verbotene) Zigarette aus einem kleinen Detail eine intime Nähe aufgebaut wird. Doch wo Hochhäusler in seinen früheren Filmen auch immer psychologisch fundierte Porträts lieferte, arbeitet sich der ehemalige Architekturstudent hier an Oberflächen ab. Vielleicht ist es seinem Subtext, dem Bankencrash, verdankt, dass man somit mitunter Probleme in der Statik entdeckt.
Vieles wird angedeutet, weniges ausdefiniert, was abermals Hand in Hand mit den Themen des Films geht, wo sich jeder für Bewerbungen eine Biographie zusammenstiehlt, was symptomatisch für diese Welt des polierten Glas und Metalls ist, wo jede Art von Menschlichkeit nur eine Schwäche sein kann. Und auch der Regisseur erlaubt sich keine Schwachheiten, fungiert mit nie geahntem Zynismus, und klaut sich so wie seine Figuren seinen Film zusammen, lässt auf einen Antonioni-Ripoff eine Romero-Panik folgen.
»Hast du Aids?«
»Hast du Zigaretten?«
»Du bist so ein Schwein.«
»Was habt ihr eigentlich alle gegen Schweine?«
Nicht nur die Turnstiles mit Kartenscannern haben mich bei diesem Film an den Berlinale-Nachwuchs-Beitrag Die Ausbildung erinnert. Ein Film, der in seinen schwächeren Momenten vielleicht »zu« menschlich ist. Diese Menschlichkeit hat Hochhäusler noch nicht gänzlich verlernt, wie man an den Szenen mit dem kleinen Mädchen in Eine Minute Dunkelheit sehen kann (das hätte nicht nur James Whale gefallen). Aber im Dienste des Sujet kann er sie offensichtlich unterdrücken. Das mögen einige Zuschauer bewundern, mir persönlich stießen die Szenen wie der Ausverkauf des Elends anhand eines seltsamen Voyeurismus bezüglich Drogenabhängigen eher sauer auf. Wenn Du in den Abgrund filmst, filmt der Abgrund auch in dich, Christoph!