Anzeige:
Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




29. Juni 2011
Thomas Vorwerk
für satt.org


  The Way Back (Peter Weir)
The Way Back (Peter Weir)
The Way Back (Peter Weir)
The Way Back (Peter Weir)
The Way Back (Peter Weir)
The Way Back (Peter Weir)


The Way Back
Der lange Weg
(Peter Weir)

USA 2010, Buch: Peter Weir, Keith R. Clarke, Lit. Vorlage: Slavomir Rawicz, Kamera: Russell Boyd, Schnitt: Lee Smith, Musik: Burkhard von Dallwitz, mit Jim Sturgess (Janusz), Ed Harris (Mr. Smith), Colin Farrell (Valka), Mark Strong (Khabarov), Saoirse Ronan (Irena), Gustaf Skarsgård (Voss), Sebastian Urzendowsky (Kazik), Dragos Bucur (Zoran), Alexandru Potocean (Tomasz), Sally Edwards (Janusz's Wife), Zahary Baharov (Interrogator), 133 Min., Kinostart: 30. Juni 2011

Ein gutes halbes Jahrzehnt ist seit Master and Commander vergangen, und ich muss zugeben, dass ich die australische Regie-Legende Peter Weir nicht wirklich vermisst habe. Weir, der uns mit Witness den vielleicht besten Harrison-Ford-Film brachte, mit The Truman Show den besten Jim Carrey, oder weiterhin Picknick at Hanging Rock, The Year of Living Dangerously, Dead Poets’ Society, Green Card oder Fearless, um nur einige zu nennen, dieser Weir meldet sich zurück mit einem Film, der mal wieder den Kampf zwischen Mensch und Natur zum Hauptthema macht - mit jener Kombination aus Schönheit und Wahnsinn, die sie nur Terrence Malick noch besser beherrscht.

Doch wo Malick sich bewusst vom Hamsterrad Hollywood nicht beirren lässt, da zeigt Weirs neuer Film, dass von seiner ursprünglichen Sperrigkeit kaum mehr etwas geblieben ist - The Way Back ist Hollywood-Kino ganz auf einem konformen Reißbrett komponiert - und noch nicht einmal besonders gut dabei.

Bei der Besetzung wurden Weir mit Ausnahme von Saoirse »Hannah« Ronan allesamt nur solche Darsteller eingeräumt, die ihre Karriere (oder den bestmöglichen Moment dafür) bereits hinter sich haben: Jim Sturgess und Colin Farrell, die es beide noch nicht ganz aufgegeben haben, und Ed Harris, der zu Zeiten der Truman Show auf seinem Zenit war. Gustaf Skarsgård wird wahrscheinlich nie seinen Vater Stellan überflügeln, und Mark Strong wird nur ein kleines Wunder helfen können, damit sich durchschnittliche Kinogänger jemals an seinen Namen erinnern werden.

Doch alle Darsteller geben solide Leistungen, Colin Farrell überzeugt sogar mit ein paar Brocken Russisch, und wenn der Film vierzig Jahre früher gekommen wäre, hätte er womöglich neben seinerzeit erfolgreichen Filmen wie The Great Escape ein Schattendasein führen können. Damals konnte man in solchen Ausbrecherfilmen die Briten erkennen, natürlich die Deutschen, und wenn Charles Bronson oder dergleichen ein bisschen radebrach, nahm man ihm auch exotischere Herkünfte ab. In The Way Back geht es um die Flucht aus einem Gulag, und auch wenn Ed Harris der einzige Amerikaner der Fluchtgruppe ist und sich der Film in der ersten Viertelstunde viel Mühe gibt, die Unterschiede zwischen Polen, Russen und Splittergruppen auch verbal umzusetzen, so spricht man auf der Flucht fast ausschließlich Englisch. Was ja alles in Hollywood Standard ist - doch warum dann die Sprachgrätsche zu Beginn, wenn man kurz darauf die ausgetretenen Pfade des geringsten Widerstands nutzt? Man mag es mir verzeihen, aber für mich wirkt das wie ein Peter Weir, der zu Beginn noch trotzig sein Revier markiert, bis er dann einsehen muss, dass er längst stubenrein ist.

Und das beschränkt sich nicht nur auf die Sprache. Nachdem er mit einer ziemlich erschreckenden Folterszene beginnt, und man im Gulag auch schon mal für einen Pullover getötet wird, gestaltet sich der überlange Weg dann fast nach Prinzipien von Lord of the Rings: alle sind plötzlich gute Freunde, das zwischendurch aufgegabelte Polenmädchen wirkt als Kommunikationskatalysator (bringt aber ansonsten in der Gruppe von teilweise nicht sehr zimperlichen Ex-Knackis keine Probleme mit sich), und das einzige, was den fröhlichen Marsch in die Freiheit etwas bekümmert, sind die sporadisch hinter sich gelassenen Weggefährten - nach dem Prinzip »Zehn kleine Afroamerikaner« (oder wie das heutzutage heißt).

Was mich persönlich dann noch ein wenig erbost, ist zum einen die unendlich naive Ankunft im sich irgendwann offenbarenden Zielland: »Welcome to [wird nicht gespoilert] - Your passports please.« --- »We don’t have any.« --- »Never mind.«

Warum kompliziert, wenn es auch einfach geht. Eine Spur zu einfach fand ich dann auch die typisch US-amerikanische Geschichtszusammenfassung: »1989 - Der Kommunismus bricht zusammen.« Mit dem aufgeweckten und politisch interessierten Peter Weir, wie ich ihn über mehrer Jahrzehnte anhand seiner Filme kennengelernt habe, hat The Way Back nur noch sehr wenig zu tun.