Originaltitel: Copie conforme, Frankreich / Italien / Belgien 2010, Buch: Abbas Kiarostami, Kamera: Luca Bigazzi, Schnitt: Bahman Kiarostami, mit Juliette Binoche (Sie), William Shimell (James Miller), Adrian Moore (Julian), 106 Min., Kinostart: 13. Oktober 2011
Ein britischer Autor (William Shimell) stellt in Italien sein neues Buch (Titel dort: copia conforme) vor. Das Fazit seines Buches: Forget the original, just get a good copy. Im Publikum sitzt eine Kunstexpertin (Juliette Binoche) mit ihrem Sohn, und da ich irgendwo gelesen habe, der erste komplett europäische Film des großen iranischen Regisseurs Kiarostami soll irgendeinen »Kniff« haben, fielen mir einige Ähnlichkeiten zwischen dem Sohn und dem Autor auf.
Vielleicht ist es besser für den Film, wenn man nicht auf einen »Kniff« lauert, sondern die Begegnung zwischen zwei Menschen, die einen Tag lang aus Gesprächen, Kaffees und Spaziergängen besteht, als eine Variation von Richard Linklaters Before Sunrise sieht. Das ändert aber nichts daran, dass dies Kiarostamis Variation davon ist, und er möchte gern über gewichtige Themen referieren.
Es geht durchweg um Kopien und Originale. Zunächst vor allem um Kunstwerke, doch später auch um Menschen, um Wiederholungen im Zyklus eines Menschenlebens. Oder zweier. Für meine Verhältnisse überdeutlich weitet sich dieses Thema auch in die Bildgestaltung aus. Jede Menge Spiegel, Fenster, Reflexionen, Doppelungen. Teilweise durchaus meisterhaft, doch wie die zentrale Frage nach einer fehlenden gemeinsamen Sprache (ich möchte gar nicht wissen, wie sehr die deutsche Synchronisation die Sprachenvielfalt des Films niederbügelt) der Zufallsbekanntschaften, die sich dann doch schon länger kennen (auch so ein mich nicht überzeugender »do you like pina colada«-Kniff) wirkt der ganze Film viel zu bemüht und kopflastig, um seinen doch eher lapidaren Inhalt (wenn man nicht vier Jahre Philosophie und Kunstgeschichte studiert hat und das Ganze aus eigener Kraft unterfüttert) in irgendeiner Form »abendfüllend« zu gestalten. Ja, der Film hat einen Kniff, und tatsächlich erkennt diesen nicht jeder Zuschauer. Doch für mich war das so ein Kniff, der ein wenig die eigene Phantasie und das Denkzentrum ankurbelt und einen bereits während des Film eher von diesem entfernt. Denn Kiarostami tanzt hier federleicht auf so vielen thematischen Hochzeiten, dass die wenigsten der Bräute sich später an seine Anwesenheit erinnern werden. Und wenn man den Kniff (oder was ich dafür halte (rückwärts geschrieben: esiertieztraenieeiwseraaptpuahseresnunebelsadnereitnemmoksretlanenedeihcsrevnehcreap) und das was Kiarostami damit anstellt, mit anderen Mindgame-Filmen vergleichen sollte, dann wäre das traurige aber faire Resultat etwas wie: »Am Ende von The Sixth Sense stellt sich heraus, dass Bruce Willis eigentlich ein Mann ist.« Was irgendwie auch ein interessanter Film gewesen wäre. Aber nicht interessant genug für mich, und ausnahmsweise gehe ich davon aus, dass es nicht an meiner fehlenden sittlichen Reife liegt. Aber Kiarostami-Verteidiger (die mit dem Philosophie-Kunstgeschichte-Studium) werden das ganz anders sehen.