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7. Dezember 2011
Thomas Vorwerk
für satt.org


  The Help (Tate Taylor)
The Help (Tate Taylor)
Bildmaterial © 2011 DreamWorks
The Help (Tate Taylor)
The Help (Tate Taylor)
The Help (Tate Taylor)
The Help (Tate Taylor)


The Help
(Tate Taylor)

USA / Indien / Vereinigte Arabische Emirate 2011, Buch: Tate Talor, Lit. Vorlage: Kathryn Stockett, Kamera: Stephen Goldblatt, Schnitt: Hughes Winborne, Musik: Thomas Newman, Kostüme: Sharen Davis, Production Design: Mark Ricker, Art Direction: Curt Beech mit Emma Stone (Eugenia »Skeeter« Phelan), Viola Davis (Aibileen Clark), Bryce Dallas Howard (Hilly Holbrook), Octavia Spencer (Minny Jackson), Jessica Chastain (Celia Foote), Ahna O'Reilly (Elizabeth Leefolt), Allison Janney (Charlotte Phelan), Stuart Whitworth (Chris Lowell), Sissy Spacek (Missus Walters), Cicely Tyson (Constantine Jefferson), Anna Camp (Jolene French), Eleanor Henry, Emma Henry (Mae Mobley), Mike Vogel (Johnny Foote), Brian Kerwin (Robert Phelan), Roslyn Ruff (Pascagoula), Mary Steenburgen (Elain Stein), Kelsey Scot (Sugar Jackson), 146 Min., Kinostart: 8. Dezember

Als Kritiker einen Film mit seiner Buchvorlage zu vergleichen, ist mitunter ungerecht. Doch was Regisseure aus Büchern oft so zusammenschustern, ist auch nicht unbedingt zimperlich. The Help könnte man als Paradebeispiel dafür nennen, wie Hollywoodverfilmungen generell ihr Ausgangsmaterial bearbeiten (womit man ja als Zuschauer leben muss), doch darüber hinaus fielen mir einige Details auf, die ich dem Film (bzw. seinem Regisseur) übel nehme.

Kathryn Stocketts Bestseller The Help (dt.: Gute Geister) ist von vornherein ein etwas kontroverses Buch. Ein Buch über das Leben farbiger Haushälterinnen im Jackson, Mississippi der 1960er Jahre ist ein interessantes Sujet, aber warum ausgerechnet eine weiße Society-Journalistin, die zu der Zeit noch nicht geboren war, in ihrem Debütroman zu zwei Drittel nicht nur die Perspektive, sondern auch das schnell als »ungebildet« zu missverstehende vernacular der »Guten Geister« einzufangen versuchen soll (die deutsche Übersetzung des Buchs hat natürlich keine Chance, diesen wichtigen Punkt herüberzubringen), ist eine interessante Frage. Und deshalb verwundert es auch niemanden, dass ihr Manuskript zunächst von 60 Lektoren abgewiesen wurde. Stockett ist sich der lauernden Fettnäpfchen bewusst und schildert das Problem auch in einem Nachwort, doch sowohl die Unstimmigkeiten und Auslassungen als auch die Ausbeutung des Themas für einen Unterhaltungsstoff sind fragwürdig. Nachdem dies klargestellt wurde, kann ich übrigens erklären, dass mir persönlich das Buch recht gut gefallen hat.

Tate Taylor, der Regisseur (und Autor) der Verfilmung, hat bisher wenig an Referenzen vorzuweisen. Im Pressematerial wird aber erklärt, dass er ein guter Freund der Autorin sei und mit ihr zusammen zur Schule ging (vermutlich sogar in Jackson, Missisippi). Inwiefern dies abgesehen von der Möglichkeit eines Einflusses der Autorin auf die Verfilmung ein besonderer Vorteil ist, wollte sich mir nicht erschließen.

Das Buch hat drei Erzählerinnen und Hauptfiguren, die die Geschichte im Wechsel erzählen. Daraus macht der Film eine einzige Voice-Over-Stimme (Viola Davis als Aibileen), vereinfacht also stark und verliert dabei bereits einiges im Vergleich zur Vorlage. Außerdem (Standardmaßnahme) wird jede der langsamen graduellen Veränderungen, die sich im Buch auf etwa fünf Szenen verteilt entwickelt, im Film in zwei, höchstens drei, »konzentrierten« Szenen vollzogen. Ambivalenz und Wishy-Washy haben im Hollywood-Unterhaltungskino nichts zu suchen. So werden auch die (wenigen) positiven Aspekte der »Schurkin« der Geschichte (Bryce Dallas Howard ist übrigens großartig als Hilly Holbrook, die scheinheilige manipulative »Queen Bee« unter den gutsituierten Hausfrauen) im Film komplett ausgeblendet, Charaktereigenschaften der beiden farbigen Hauptfiguren ausgetauscht, und wer sich die Beschreibung der im Film etwas in den Vordergund geschobenen weißen Hauptfigur Skeeter (weil sie so hager und lang ist und eine etwas große Nase hat, blieb die Amerikanisierung des Moskitos an der armen jungen Frau hängen) durchgelesen hat, wird höchstwahrscheinlich nicht auf die doch eher kleine schnuckelige und stupsnasige Emma Stone als Darstellerin kommen. Aber dies ist das selbe Problem, das auch sämtliche Verfilmungen von Jane Austens Pride & Prejudice betrifft, denn Elizabeth ist bekanntlich nicht die bestaussehendste der Bennett-Schwestern. Aber in einem Film sind die Hauptdarsteller gefälligst auch hübscher als irgendwelche Nebenfiguren, weil die Sympathien des Publikums dann doch eher über die Oberfläche als über die inneren Werte verteilt werden.

Bei den Veränderungen, die das Buch größtenteils abspeckten (zwei oder drei meiner liebsten Szenen gingen auch verloren), die erzählte Zeit zusammenrafften, und die komödiantischen Aspekte stärker betonen, gibt es immerhin eine, die positiv zu werten ist, denn aus ca. drei farbigen Nebenfiguren, die im nicht gerade dünnen Buch jeweils zwei bis vier Sätze zu sagen haben, bastelte Tate Taylor eine Figur, die dann im Film auch nur drei Sätze hat, aber für den Zuschauer zumindest wiedererkennbar ist.

Kommen wir nun zum großen Kritikpunkt. The Help dreht sich unter anderem um aus heutiger Sicht kaum nachzuvollziehende Praxis, den farbigen Haus- und Kindermädchen, die sich für einen Mindestlohn viele Stunden um Haushalt, Küche und Nachwuchs kümmern, die Benutzung der sanitären Anlagen zu versagen, weil »diese Leute andere Krankheiten haben«, und die zusätzlichen Toiletten (zumeist hinter dem Haus oder in irgendeinem Schuppen) somit »auch zu ihrem Schutz« seien (als Beispiel für die durchtriebenen Machenschaften Hillys, die aber historisch verbürgt sind, wie man den berüchtigten Jim-Crow-Gesetzen entnehmen kann: »separate, but equal«). Im Kontext von Buch und Film ist offensichtlich, dass die Macher davon ebensowenig halten wie die positiv gezeichneten Hauptfiguren. Nur einige rückständige Mitläufer, denen das »nicht auffallen« wichtiger ist als der gesunde Menschenverstand, treiben diesen Irrsinn voran, den die aufstrebende Autorin Skeeter und die von ihr interviewten und direkt betroffenen Hilfen aufhalten wollen.

So weit, so gut.

Im Buch (und Film) gibt es gegen Ende eine »böse Tat« der Haushälterin Minny (Octavia Spencer), die sich an der fiesen Hilly für ihre Entlassung und die Verbreitung diverser Lügen rächen will. Das Folgende plaudert etwas zu viel über die Handlung aus, aber wenn ich es umständlich umschreibe, wird es unverständlich. Minny ist bekannt für ihre selbstgebackenen Torten und Kuchen, und sie schenkt ihrer ehemaligen Chefin eine solche Torte, um sogar zu beobachten, wie großartig ihr die schwere Schokoladenspeise mundet. Sie hält Hillys Mutter (Sissy Spacek) davon ab, sie auch zu kosten, und erst als Hilly zwei Stücken verdrückt hat, offenbart sie das Geheimnis der Rezeptur, das durchaus im Zusammenhang mit der Toilettenproblematik hängt (Schokolade hat die selbe Farbe wie ...?). Diese Szene gibt es auch im Buch, und auch im Buch lässt sich Hilly später etwas gehen und hat u. a. ein unschönes schwarzes Mal, so eine entzündete Pustel - keine Ahnung, wie der Fachbegriff ist, mitten im Gesicht, nahe am Mund. Durch die visuelle Natur des Mediums Film wird dieses Detail weitaus stärker betont als im Buch, und außerdem gibt es dann die bösartige Feststellung von Skeeters Mutter (Allison Janney): »Maybe you've eaten too much PIE

Alle absurden Behauptungen über Keime etc. bekommen so indirekt natürlich eine Art Rechtfertigung, etwaigen Rassisten spielt man somit sozusagen in den Lauf: »Hast Du gesehen, was die gemacht hat? Wi-der-lich! Kein Wunder, dass sich das entzündet hat!« Eine weitere, eigentlich komplett unwichtige Szene des Films zeigt außerdem, wie Aibileen, die gerade von »ihrer« Toilette kommt, quasi sofort ein Kind in die Hand gedrückt bekommt. Da der Film ihr keine Chance gibt, sich die Hände zu waschen (oder die Szene zumindest so inszeniert wurde, dass man diese Standard-Aktion aufgrund einer Ellipse ergänzen könnte), kommt es somit ein zweites Mal zu einer unhygienischen Aktion, bei der der »Täter« farbig ist und das »Opfer« (dem Kind passiert nichts, es geht mir um das Prinzip) weiß. Wenn man um die Fallstricke des heiklen Themas weiß (ich meine hiermit einen Film von Weißen, der aus dem Gleichberechtigungskampf der Farbigen Unterhaltung macht), dann hätte man mit solchen Details einfach geschickter umgehen müssen.

Der Film The Help hat auch mich unterhalten, und ich hatte auch kaum etwas zu meckern. Aber das Buch hat mich viel besser unterhalten.

Ein letztes moralisches Dilemma: Ich weiß, dass nichts positiv daran ist, ein Kind zum Weinen zu bringen. Aber CGI-Tränen finde ich irgendwie eine Spur obszön.