UK / USA 2011, Buch: Adrian Hodges, Lit. Vorlage: Colin Clark, Kamera: Ben Smithard, Schnitt: Adam Recht, Musik: Conrad Pope, Kostüme: Jill Taylor, Make-Up- und Haardesign: Jenny Shircore, mit Eddie Redmayne (Colin Clark), Michelle Williams (Marilyn Monroe), Kenneth Branagh (Sir Laurence Olivier), Dominic Cooper (Milton Greene), Dougray Scott (Arthur Miller), Julia Ormond (Vivian Leigh), Judi Dench (Dame Sybil Thorndyke), Emma Watson (Lucy), Zoë Wanamaker (Paula Strasberg), Toby Jones (Arthur Jacobs), Philip Jackson (Roger Smith), Derek Jacobi (Sir Owen Moreshead), 99 Min., Kinostart: 19. April 2012
Biopics verkaufen sich ja schon längere Zeit ganz gut, unter anderem, weil die zumeist der Öffentlichkeit vertrauten portraitierten Personen nicht nur das Publikum locken, sondern auch von den Medien geliebt werden. Und weil die Darsteller nicht nur gute Oscar-Chancen haben (Michelle Williams hatte hier das seltene Unglück, gegen ein anderes Biopic mit Meryl Streep antreten zu müssen), sondern die Neuerschaffung einer bekannten Persönlichkeit eben genau von jenem Hollywood-Zauber zehrt, der noch nicht von CGI und Motion Capture bestimmt wird.
My Week with Marilyn gehört nun zu einem seltsamen Subgenre, das zwar im Titel Platz für die Berühmtheit einräumt, sich aber anstelle einer karriereumfassenden Biographie für einen wichtigen, kurzen Zeitraum entscheidet, der dann aus der Sicht einer eher unbekannten Person den Blick auf den eigentlichen »Star« wirft. Zuletzt hatten wir das bei Richard Linklaters Me and Orson Welles, wo aus der Sicht eines Jungspunds das frühe Genie des Theaterregisseurs begutachtet wurde. Einige Vorteile dieser Art von Biopic: Ein Jungdarsteller lädt zur Identifikation ein und bietet gleichzeitig einem jungen Publikum den Zugang zum vielleicht in dieser Generation nicht ganz so bekannten »Star« (für Teenies war Zac Efron klar bekannter als Welles), der Lebenslauf seiner Figur ist quasi unbekannt, es gibt Raum sowohl für ein Techtelmechtel mit »normalen« unbekannten Figuren als auch für irgendwelche Affären oder Eifersüchteleien mit dem »Star«.
Der entscheidende Unterschied zwischen Me and Orson Welles und My Week with Marilyn besteht natürlich darin, das in ersterem der historische Hintergrund zwar gut recherchiert wurde, die Geschichte aber rundum erfunden wurde. Diesmal gibt es tatsächlich einen Jungspund, der als dritter Regieassistent die berüchtigten Dreharbeiten zu The Prince and the Showgirl erlebt hat und später ein Buch darüber schrieb. Erstaunlicherweise werden die Jungspunde in den beiden Filmen ähnlich naiv und positiv beschrieben: Etwas Kreativität und Durchsetzungsvermögen gepaart mit einer Menge Glück und schon dürfen sie bei den ganz großen mal »Mäuschen« spielen und sogar etwas mitmischen.
Diese Herangehensweise eignet sich meines Erachtens vor allem bei Stars von fast übermenschlicher Starqualität, bei denen man gar nicht unbedingt die gesamte Karriere durchleben will - und in solch einem Fall auch Probleme zu erwarten wären. Marilyns Erlebnisse mit der Familie Kennedy und ihr mysteriöser Tod hätten vielleicht Oliver Stone gelockt, und bei Orson Welles langer Karriere und der späteren Leibesfülle wäre selbst Robert De Niro zu seinen besten Zeiten überfordert gewesen. Leonardo DiCaprio als J. Edgar habe ich nicht gesehen, aber wie man so hörte, sollen Unmengen von Make-Up ja auch nicht jedes Problem lösen ...
Zurück zur »Woche mit Marilyn«: Der etwas farblose Hauptdarsteller hat gegenüber Zac Efron den Vorteil, dass er von der Hauptsache nicht ablenkt. Auch die kleine Romanze mit Emma »Hermione« Watson wird sehr in den Hintergrund gestellt (viel stärker als Clare Danes' Auftritt bei Linklater). Stattdessen konzentriert sich der Film zum einen ganz auf Michelle Williams, die in dieser Rolle aufgeht (und nach Blue Valentine erneut von der Academy übergangen wurde). Mal ist sie kokett, mal schüchtern (im Schauspiel wie im Leben), und der Film verschweigt auch nicht, wie sie von ihrer Umgebung in gleichem Maße ausgenutzt wird, wie sie in ihren besseren Momenten (»Shall I be her?«) ganze Journalistenschwärme dirigiert oder ganz genau weiß, wen sie wie manipulieren kann. Einen auf Marilyn gemünzten Satz im Film könnte man fast auch auf Michelle Williams anwenden: »When Marilyn get it right, you don't wanna look at the other ones.« Der Unterschied besteht darin, dass Michelle Williams es nahezu durchgehend richtig hinbekommt, und man deshalb auch mal auf die Mitspieler achten kann.
Denn die zweite große Stütze des Films sind die Nebendarsteller. Dame Judi Dench ist wie so oft vor allem sie selbst, vermag es aber, mit einer Handvoll Dialogsätzen, den Film an den richtigen Stellen voranzutreiben. Zoë Wanamaker als Paula Strasberg liefert eine zauberhafte kleine Vignette, die Darsteller der respektiven Eheleute Arthur Miller und Vivien Leigh unterstützen, ohn das Scheinwerferlicht auf sich zu ziehen, und Kenneth Branagh spielt jene Rolle, die er Zeit seines Lebens auszufüllen suchte, nach Henry V und Hamlet übernimmt er diesmal nicht nur eine Rolle, die Sir Larry auch schon ausfüllte und als Filmregisseur mit Leben erfüllte (wobei Branagh beide Male weit hinter seinem Vorbild blieb), diesmal darf er sogar Laurence Olivier persönlich spielen, ganz wie Orson Welles pompös und selbstverliebt mit Shakespeare-Zitaten um sich werfen - und er bekommt trotz aller Farce noch Raum genug, den Menschen hinter der Legende zu offenbaren.
My Week with Marilyn könnte fast wie The Prince and the Showgirl sein: im Kern eine federleichte Komödie, doch durch Marilyns Darstellung (damals aufgrund des Method Actings, heute aufgrund der Hintergründe) bekommt das Ganze plötzlich sehr viel Gewicht.Was damals sehr störte, diesmal aber den Film veredelt.
»It's agony for him, because he's an actor who wants to be a filmstar.
And you're a filmstar who wants to be an actress.
And this picture won't help any of you.«