Originaltitel: Un bonheur n'arrive jamais seul, Frankreich 2012, Buch: James Huth, Sonja Shillito, Kamera: Stéphane Le Parc, Schnitt: Joëlle Hache, Musik: Bruno Coulais, Kostüme: Olivier Bériot, mit Gad Elmaleh (Sacha Keller), Sophie Marceau (Charlotte Posche), Maurice Barthélémy (Laurent »Lolo« Helewa), Michaël Abiteboul (Lionel Ronssin), François Berléand (Alain Poche), Macha Méril (Madame Keller), Litzi Veszi (Oma Matzu), Timéo Leloup (Léonard), Milena Chiron (Suzy), Timothé Gauron (Louis), Julie-Anne Roth (Chris), François Vincentelli (César), Cyril Guei (Xavier), 110 Min., Kinostart: 20. September 2012
James Huth ist nicht unbedingt ein französisch klingender Name wie – beispielsweise – Jean Renoir, Luc Besson, Sophie Marceau oder François Truffaut. Mit meinen eingeschränkten Fähigkeiten in dieser Sprache wäre ich schon überfordert, zu sagen, wie man »Huth« auf Französisch aussprechen sollte. Üth?
Das Presseheft verbürgt sich immerhin für seine Nationalität. Trotzdem wirkt der Film, in dem zu 99 % Französisch gesprochen wird, etwas stark amerikanisiert. Hauptfigur Sacha, ein Jinglekomponist, hat in seiner Wohnung viele Filmplakate hängen. Abgesehen von Casablanca (in dem Musik auch eine wichtige Rolle spielt) durchgehend zu Musicals einer weitgefassten Geschmacksspanne: The 5000 Fingers of Dr. T, West Side Story, Singin' in the Rain, Hair, Jesus Christ Superstar. Nach Alain Resnais' On connaît la chanson oder etwas von Jacques Demy sucht man da vergebens. Wenn Sacha musiziert, dann hält er sich nicht mit Chansons auf, dann gibt es Klassik, Jazz oder (amerikanischen) Pop. Seine Jingles und die dafür verwendeten Werbetexte intoniert er immerhin in seiner Heimatsprache, aber rein kulturell geht es in diesem Film um Bob the Builder, Frank Capra, Superheld Flash, Forrest Gump, Gloria Gaynor (inkl. pantomimischer Darstellung des englischsprachigen Textes), den Hasen Felix (übrigens aus Deutschland), Etta James oder Zorro – das Französischste an diesem Film sind die zwei amerikanischen Filme, deren Handlung man – durchaus einfallsreich – kombiniert. Sacha ist einerseits Thomas O'Malley aus den Aristocats, ein unternehmungslustiger Junggeselle, der auf eine Dame aus der besseren Gesellschaft trifft (Sophie Marceau als Charlotte), mit deren drei Kindern er sich anfreunden muss (Statement vom Beginn des Films: »Ich hasse Kinder – so wie andere Leute Schlangen oder Spinnen verabscheuen!«), während ein übermächtiger »Aufpasser« über die »Katzenfamilie« herrscht (diesmal nicht der garstige Butler Edgar, sondern gleich zwei Väter – einer reich, auch an Einfluss, der andere zu Aggressivität neigend).
Gleichzeitig ist Sacha aber auch die männliche Version von Ilsa Lund, die in Casablanca hin und her gerissen ist zwischen einer leidenschaftlichen Liebe (bei Sacha zu Charlotte) und dem Pflichtbewusstsein angesichts ihres in der Resistance tätigen Gatten. Das ist in diesem Fall der weiteste Interpretationssprung: Sachas bester Freund will seit Jahren mit ihm eine große Show aufziehen – und nun gibt es ein Angebot am Broadway. Auf die berühmte Flughafenszene hat man verzichtet, aber im Grunde genommen geht es doch auf die selbe Entscheidung hinaus: steigt Ilsa / Sacha ins Flugzeug für die Verbesserung der Menschheit oder bleibt er / sie für das persönliche Glück dort, wo die große Liebe lebt?
Nun hat das heutige Paris gegenüber dem Casablanca des zweiten Weltkriegs den Vorteil, dass man erst einmal »zur Probe« wegfliegen kann – an dieser Stelle gibt es auch mal eine filmische Reminiszenz an einen französischsprachigen Film: In einer subtilen Überblendung sieht man erst das Flugzeug, dann die zurückgebliebene Charlotte im Bett, der das Flugzeug quasi die Gurgel durchschneiden: Un chien andalou in der Light-Version.
Neben allem (gelungenen) Fleddern der Filmgeschichte kann sich Un bonheur aber auch auf seine Darsteller verlassen. Vom Komiker Gad Elmaleh hätte man eine Affinität zu Slapstick fast erwarten können, aber auch Sophie Marceau trägt stark bei zu dieser extrem körperbetonten Komödie – und das größtenteils ohne Stunt-Double (womöglich aber auch, weil James Huth den Film geschickt montiert hat). Selbst Szenen, die vielleicht in ihrer Romantik etwas dick aufgetragen wirken, funktionieren hier durch den Kontrast zwischen orchestrierten Liebesmomenten und zelebrierter Tollpatschigkeit. Hierbei sind auch die drei Kinder sehr hilfreich, die zum Improvisationskünstler Sacha einfach besser passen als zu den biologischen Vätern. Insbesondere der Kleinste, Leonard, hat einige der besten Szenen des Films – und in einer davon kommt er nicht einmal vor.
Normalerweise reagiere ich allergisch auf RomComs mit Patchwork-Familien, die immer eine Spur zu harmonisch zusammenwachsen – aber in diesem Fall gab es ausreichend betrachtenswertes am Rande, um verzaubert – oder zumindest abgelenkt – zu werden.
Im Presseheft wird James Huth im Interview übrigens nach seinen Top 5 RomComs befragt (Filmtitel wurden ins Englische zurückverwandelt):
»Up Close & Personal (Jon Avnet, 1996), Mr. Deeds goes to Town (Frank Capra, USA 1936), The Little Shop around the Corner (Ernst Lubitsch, USA 1939), Notting Hill (Roger Michell, UK 1999) und alle Filme mit Spencer Tracy und Katherine Hepburn!
Aber meine Lieblingsfilme haben alle idealistische Liebesgeschichten:
Limelight (Charles Chaplin, USA 1952), A Place in the Sun (George Stevens, USA 1951), Spartacus (Stanley Kubrick, USA 1959), The Red Shoes (Michael Powell & Emeric Pressburger, UK 1948), Wenn die Kraniche ziehen (Michail Kalatosow, UdSSR 1957), The Flame and the Arrow (Jacques Tourneur, USA 1950).«
Mit der winzigen Ausnahme von Jacques Tourneur (der zwar in Paris geboren ist, aber von 1936 bis 66 abgesehen von einer italienisch-französischen Co-Produktion ausschließlich in den USA arbeitete) ist übrigens auch hier Frankreich Fehlanzeige.