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Bildmaterial © 2012 Sony Pictures Releasing GmbH
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Premium Rush
(David Koepp)
USA 2012, Buch: David Koepp, John Kamps, Kamera: Mitchell Amundsen, Schnitt: Derek Ambrosi, Jill Savitt, Musik: David Sardy, Kostüme: Luca Mosca, mit Joseph Gordon-Levitt (Wilee), Dania Ramirez (Vanessa), Michael Shannon (Bobby Monday), Wolé Parks (Manny), Jamie Chung (Nima), Christopher Place (Bike Cop Roselli), Aasif Mandvi (Raj), Anthony Chisholm (Tito), Henry O (Mr. Leung), Boyce Wong (Mr. Lin), Wai Ching Ho (Sister Chen), Sean Kennedy (Marco), Kymberly Perfetto (Polo), Aaron Tveit (Kyle), 91 Min., Kinostart: 18. Oktober 2012
David Koepp ist als Drehbuchautor in Hollywood ein eher unauffälliger, aber immer verlässlicher guter Handwerker, spätestens seit Jurassic Park dürfte er jobmäßig auf Jahre versorgt sein. Seit Mitte der 1990er darf er ziemlich genau alle vier Jahre auch immer mal wieder Regie führen (oder vielleicht will er sich diesen Stress, der auch nicht unbedingt besser bezahlt wird, auch gar nicht öfter antun). Die letzten Resultate seiner Regie-Karriere waren die Stephen-King-Verfilmung Secret Window und Ghost Town, eine Komödie um Ricky Gervais, nun liefert er seine bisher wohl beste Regiearbeit.
Shooting-Star Joseph Gordon-Levitt (diesen Monat auch etwas entstellt in Looper) spielt hier den New Yorker Fahrradkurier Wilee (genau, wie der Koyote), der sich dadurch auszeichnet, dass er der Meinung ist, dass die meisten Fahrradunfälle mit Bremsen zusammenhängen, weshalb er darauf verzichtet. Dummerweise beginnt der Film aber ähnlich wie Sunset Boulevard (wenn auch nicht mit einem offensichtlich toten Erzähler): Wilee hatte gerade einen bösen Unfall, er fliegt in hohem Bogen und in Zeitlupe durch die Luft, bis er ziemlich unsanft auf Straßenpflaster knallt. Diesen narrativen Taschenspieler-Trick kennt man aus unzähligen Superhelden-Comics, doch diesmal funktioniert er, er macht gleich erstmal neugierig. Denn stellt der Film sozusagen die Uhr zurück und beginnt erneut.
In Sachen »erneut beginnen« und »zwischen Möglichkeiten auswählen« erinnert Premium Rush oft an Tykwers Lola rennt, nur halt mit einem Typen auf einem Fahrrad, in New York statt in Berlin und um einiges näher an üblichen Hollywood-Thrillern. Rein ästhetisch ist der Film aber ähnlich auf der Höhe, aus Google-Earth-ähnlichen Spielereien und Verbindungen des Filmbilds mit kleinen Animationen, wie in Stranger than Fiction oder Zombieland, holt er einiges raus, was allesamt die rasante Dynamik des Films noch unterstreicht. Eine Konzession an das Hollywood-Kino, über die Tykwer (seinerzeit) noch müde gelächelt hätte, ist der offensichtliche Schurke, ein böser Cop mit Spielschulden, den die zunächst geheimnisvolle Lieferung per Fahrradkurier retten könnte, und der deshalb noch eine Spur böser wird. Diesen spielt ein anderer (ganz anderer) Shooting-Star unter den US-amerikanischen Schauspielern, Michael Shannon (Take Shelter), der aber aufpassen muss, nicht auf Schurkenrollen abonniert zu werden. Mit Leichtigkeit wäre er ein Ray Liotta für das 21. Jahrhundert, doch eigentlich hat er eine Karriere verdient, die um einiges länger andauert als die von Liotta.
Der Wettkampf zwischen diesen beiden ist schon das Kinoticket wert, doch der Film hat noch viel mehr zu erzählen. Zum einen Hollywood-Kram wie Wilees love interest und einen Nebenbuhler, sowie einen Polizisten, ebenfalls auf einem Drahtesel, der schnell zu einem amüsanten running, ach nein, »cycling« gag wird, aber immer auch eine Gefahrenquelle bleibt. Zum anderen, und aus meiner Sicht interessanter, den subtilen Aufbau einer nicht geringen Schar von Fahrradkurieren, die man noch und nach kennenlernt, und für die man sich den Film auch noch ein zweites Mal auf DVD anschauen kann (ähnlich, wie man damals viele kleine Details bei Lola rennt erst nach mehrfachem Schauen oder gar erst der Lektüre des Drehbuchs begriffen hat).
Vieles an Premium Rush bleibt den üblichen Hollywood-Schemata verhaftet, durchaus auch einige Details, die eher stören als verzaubern. Aber der Film behält bis zum Schluss seinen Drive, er bleibt sympathisch, visuelle Schmankerl und der Soundtrack halten einen bei Laune, und Koepp war clever genug, sich nicht im geringsten daran zu stören, dass der Film nach 91 Minuten vorbei ist. Wenn ich Schullehrer wäre, würde ich mindestens eine Zwei minus rausrücken, in vollem Wissen, dass neun von zehn Hollywood-Regisseure aus diesem Stoff etwas gebastelt hätten, was das Klassenziel nicht erreicht hätte. In diesem Sinne: unterstützt intelligente Regisseure, selbst wenn sie mal nach den Regeln der Industrie spielen müssen.