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10. Februar 2013
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Parker (Taylor Hackford)
Parker (Taylor Hackford)
Parker (Taylor Hackford)
Bildmaterial © Constantin Film Verleih GmbH
Parker (Taylor Hackford)
Parker (Taylor Hackford)
Parker (Taylor Hackford)


Parker
(Taylor Hackford)

USA 2012, Buch: John J. McLaughlin, Lit. Vorlage: Richard Stark (d. i. Donald E. Westlake), Kamera: James Michael Muro, Schnitt: Mark Warner, Musik: David Buckley, mit Jason Statham (Parker), Jennifer Lopez (Leslie), Michael Chiklis (Melander), Micah Hauptman (August Hardwicke), Emma Booth (Claire), Clifton Collins jr. (Ross), Patti Lupone (Ascension), Nick Nolte (Bob Hurley), Bobby Cannavale (Jake Fernandez), Carlos Carrasco (Norte), Kip Gilman (Danzinger), Daniel Bernhardt (Kroll), Wilson (Pipsy), 118 Min., Kinostart: 7. Februar 2013

In nicht ganz fünf Jahrzehnten (The Hunter erschien 1962, Westlake verstarb 2008) erschienen 24 Parker-Romane, zwischendurch machte Westlake aber von 1974-97 eine »Parker-Pause«, und danach wirkte die Figur etwas menschlicher. Flashfire, die Vorlage zum Film Parker, war der erste Roman nach der Pause.

Ich persönlich habe (noch) keinen der Parker-Romane gelesen, kenne aber die großartigen Comic-Adaptionen von Darwyn Cooke, und natürlich einige der Verfilmungen (am bekanntesten sind John Boormans Point Blank und das Remake mit Mel Gibson, Payback - beide auf The Hunter basierend). Interessanterweise hat Westlake zu Lebzeiten die Verwendung des Namen »Parker« in den filmischen Adaptionen jeweils verboten (in meinen beiden Beispielen heißt die Hauptfigur etwa Walker oder Porter), nach seinem Tod waren seine Erben mit diesem Eingeständnis aber wohl freimütiger - wobei ich sagen muss, dass Darwyn Cooke dieses Vertrauen ohne Zweifel verdient hat. Bei der Filmfassung (mit Statham könnte auch schnell eine Serie draus werden) wäre ich da vorsichtiger.

Regisseur Taylor Hackford ist vielseitig und preisgekrönt (An Officer and a Gentleman, Against all Odds, Dolores Clayborne, The Devil's Advocate, Ray), aber eher ein Routinier als ein Auteur, auf dessen nächstes Werk man gespannt lauert, und dessen Handschrift oder inszenatorisches Talent sich durch seine Arbeiten zieht. Sein Parker ist - im klaren Gegensatz zum Noir-Nostalgiker Cooke - ein farbenfrohes Reboot, das man eher in der Gegenwart verorten würde. Schon aufgrund der aufdringlichen Vorspanntitel, die sich dreidimensional ins Bild drängen. Während der Film einerseits gleich das Verkleidungstalent Parkers betont (Statham mit grauen Haaren als Priester), wird auch ein anderes Element, das in den Parker-Romanen gern verwendet wird, überdeutlich in Szene gesetzt: Die Unprofessionalität mancher Kollegen, die ihn oft - obwohl Parker die Zusammenarbeit mit anderen Kriminellen, die ihm nicht »vertrauenswürdig« erscheinen, meist ablehnt - in die Bredouille bringt. Bei diesem mit geschickter Ablenkung geplanten Raubüberfall auf ein Volksfest, zeichnet sich ein Mitglied der Gang, die man in den Filmen von Howard Hawks oder Jean-Pierre Melville gerne »professionals« genannt hat, erst mal durch das Gegenteil aus - für ihn scheint es momentan wichtiger, den Konkurrentinnen einer Misswahl beim Umziehen zuzuschauen - was natürlich nicht nur den Zeitplan bedroht, sondern im Falle einer Entdeckung seiner Aktivität auch schnell dazu führen könnte, dass er von Ordnungskräften ganz aus dem Plan (und dem Gelände) entfernt werden könnte. Um die Figur Parkers sympathischer zu gestalten, schiebt das Drehbuch auch ihm ansatzweise Unprofessionalität unter: Zum einen hat er Flashbacks, um die Handlung zu unterfüttern (lassen wir mal so durchgehen), zum anderen hilft er einem Kind beim Pfeilewerfen. Allerdings hat er dabei jederzeit den Überblick über sämtliche Vorkommnisse in seinem Umfeld, und die Art und Weise, wie er sich selbst beim Pfeilewerfen anstellt, unterstreicht nur seine Professionalität. Zurück zur Schwachstelle, die Hardwicke heißt: dieser soll zur Ablenkung ein kleines Feuer legen, fackelt dabei aber durch seine Unachtsamkeit gleich ein großes Festzelt ab. Und das, wo ein zuvor geäußerter Grundsatz Parkers lautet: »I don't steal from people who can't afford it, I don't hurt people who don't deserve it«. Außerdem ist das Großfeuer dem Plan nicht unbedingt dienlich, wenn man als Fluchtfahrzeug ein Feuerwehrauto benutzen will. Doch im weiteren Verlauf des Films ist Hardwickes Unprofessionalität Parker auch noch dienlich: als Parker sich nämlich weigert, die Einkünfte des Jobs gleich wieder bei einen weiteren, größeren Coup, einzusetzen, soll Hardwicke Parker erschießen, auf Anordnung des »Chefs« der Gang, Meladin (Michael Chiklis, mir persönlich als The Thing aus den Fantastic-Four-Filmen ein Begriff, andere mögen ihn aus der TV-Serie The Wire kennen). Zum Glück Parkers und des Films mit seinem Namen überlebt er aber die vermeintliche Exekution, und kann sich im weiteren Verlauf des Films darum kümmern, sich einerseits an den Verrätern zu rächen - und andererseits bei deren Coup (den er ja mitfinanziert hat) als »stiller Teilnehmer« einzusteigen.

Ein Element der späteren Romane der Parker-Reihe, das im Film eher ungeschickt eingebaut ist (aber ich kenne genügend Krimi-Verfilmungen, wo man einfach alles umschreibt, was mitunter noch schlimmer ist), ist seine Loyalität - nicht nur als Gangster mit hohem Ehrenkodex, sondern hier auch seiner Freundin Claire (Emma Booth) gegenüber. Der Film betont zwar, wie Parker hohen Wert darauf legt, seine - mit den Unabwägbarkeiten seiner Profession vertrauten - Freundin aus möglichen Gefahrensituationen herauszuhalten (»time for a vacation«), und zeigt auch, dass Claires Vater (Nick Nolte) seinen vermeintlichen Schwiegersohn wie ein Familienmitglied behandelt, doch durch das Top-Billing von Jennifer Lopez werden viele Kinobesucher verwirrt sein, denn man nimmt ihre Einmischung als erfolglose Immobilienmakler in die »Geschäfte« Parkers nicht nur als Handlungskomplikation und Nebenplot wahr, sondern eben - jahrzehntelanges Betrachten von Hollywood-Filmen ist schuld - auch als romantische Anbahnung. Und wenn Parker sich dann für seinen vermeintlichen love interest eher rudimentär und im Rahmen der »Rolle«, die er spielt, interessiert, und der Film (und Parker) später zu jener Frau zurückkehren, die im Film nur wenige Szenen hat, während die Lopez in der zweiten Hälfte des Films dauerpräsent ist, so könnte man als Schwäche des Films missverstehen, was eigentlich eine Stärke der Romanvorlage ist.

Abgesehen von meinen Einwänden und der Besetzung der Hauptrollen, mit der ich nicht komplett glücklich bin, muss man dem Film attestieren, dass er seine Geschichte größtenteils schnörkellos erzählt (na gut, J.Lo will natürlich auch ein paar Dialogzeilen), und Statham als Parker die kernigen Sprüche des Drehbuchs gut rüberbringt. Wenn auch manche Sprüche, wie »it's not the size, it's how you use it« (bezogen auf eine Schusswaffe) ein oder zwei Spuren zu platt wirken. Wenn Statham fortan öfter als Parker auftreten wird, und dadurch auch ein paar zusätzliche Leser für die Bücher gefunden werden, so soll mir das recht sein. Und wenn sich in drei Jahren kaum ein Mensch mehr an diesen Film interessiert, dann kann ich damit auch leben.