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Bildmaterial: Arsenal Film
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Eine Dame in Paris
(Ilmar Raag)
Originaltitel: Une estonienne à Paris, Eestlanna Pariisis, Frankreich / Belgien / Estland 2012, Buch: Agnès Feuvre, Lise Macheboeuf, Ilmar Raag, Kamera: Laurent Brunet, Schnitt: Anne-Laure Guégan, Musik: Dez Mona, mit Laine Mägi (Anne), Jeanne Moreau (Frida), Patrick Pineau (Stéphane), Corentin Lobet (Olivier), François Beukelaers, Frédéric Epaud, Claudia Tagbo, Ita Ever, Helle Kuningas, Tönu Mikiver, Helene Vannari, 94 Min., Kinostart: 18. April 2013
Die Basis dieses Films ist die Geschichte der Mutter des Regisseurs, die im Alter von 50 Jahren, geschieden, nach Paris zog, um für eine ältere Dame zu sorgen. Ganz ähnlich geschieht es hier Anne (Laine Mägi), die ein unerwartetes Jobangebot bekommt und von Estland nach Paris zieht, um dort auf eine bereits vor Jahrzehnten aus Estland weggezogene Dame zu sorgen: Frida, gespielt von der großartigen Jeanne Moreau, die man hierzulande schon länger nicht mehr auf der Leinwand sah, obwohl sie nach wie vor kontinuierlich als Schauspielerin arbeitet.
Die Beziehung zwischen den beiden Frauen ist zunächst sehr kompliziert: Frida will nicht bemuttert werden, und an ihre alte Heimat erinnert werden will sie ebenfalls nicht. Das liegt lag hinter ihr, dieses Kapitel ist abgeschlossen. Doch Anne leidet zwar unter der Feindseligkeit (Paris nimmt sie auch nicht eben mit offenen Armen auf), aber sie gibt nicht so einfach auf und findet beispielsweise eine brach liegende Gruppe estländischer Emigranten, denen einst auch Frida angehörte. Von den ehemaligen Freunden erfährt sie auch, wie Frida einst auch mit diesen gebrochen hat. Die alte Dame, die sich nicht eingestehen will, dass sie allein schnell »unter die Räder« geraten würde, weil ihre physischen und psychischen Kräfte halt doch nachlassen, kennt nur einen Halt: Stéphane, einen um einiges jüngeren ehemaligen Liebhaber, dessen Café Frida immer wieder anzieht. Doch Stéphane ist ja derjenige, der Anne (und ihre Vorgängerinnen) angestellt hat ...
Der Film dreht sich vor allem um gut beobachtete Details, die die beiden Frauen unterscheiden, und aufgrund derer sie voneinander lernen können. So kauft Anne zunächst ihre Croissants im Supermarkt (»Plastik!«) und muss erst von Frida unterrichtet werden, dass ein gutes Croissant und ein guter Tee das einzige sind, was ihr noch bleibt. Und übrigens: »Echte Pariser gehen nicht in den Louvre!«
Zunächst gibt es die vielleicht typischen Machtspiele zwischen Pflegerin und Patientin. Diskussionen über Besucherlatschen, »unabsichtliche« Kleckereien usw.
Doch nach und nach kommt auch ein Gespräch auf, das mitunter erstaunt. Als Anne sich mal soweit öffnet, zu sagen, dass sie mit keinem Mann schlafen würde, den sie nicht liebt, meint Frida nur lapidar »Das muss sich ändern!«
Doch der Film ist (glücklicherweise) kein so glattgebürsteter Tantenstreifen, wie diese ansatzweise Inhaltsangabe den Anschein erwecken könnte. Ob es um Stéphane geht, die anderen Esten oder auch die behutsame »Freundschaft« zwischen den zwei Frauen: der Film hält einige Überraschungen bereit, und es ist auf jeden Fall ein Vergnügen, Jeanne Moreau und ihre Mitstreiterin Laine Mägi (die vom Typ her an die Finnin Kati Outinen erinnert) bei ihrem seltsam verirrten Zickenstreit zu beobachten.