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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




4. Juli 2013
Thomas Vorwerk
für satt.org


  His & Hers (Ken Wardrop)
His & Hers (Ken Wardrop)
Bildmaterial © déjà-vu film
His & Hers (Ken Wardrop)
His & Hers (Ken Wardrop)


His & Hers
(Ken Wardrop)

Irland 2009, Kamera: Kate McCullough, Schnitt: Ken Wardrop, Musik: Denis Clohessy, Recherche: Sheena O'Byrne, Hannah Smolenska, mit Leah Holohan, Grace McGee, Eimear Peters, Chloe O'Connor, Emily Rose McHugh, Emma Quinn, Katie Gilligan, Maria O'Donohue, Chantelle Monaghan, Jess Nolan, Siofra MacNamara, Laura Dixon, Eileen Brennan, Kim Jackman, Sonia Leavy, Shauna Doherty, Joanne Holohan, Eimer Kavanagh, Tracy Murray, Mary Jo McDonnell, Lorraine Boyhan, Miriam Gunn, Bernie Leijen, Tara Kelly, Nessa Robins, Marilyn Peters, Elaine Kelly, Sheena O'Loughlin, Theresa Russell, Nuala McGowan, Vera Heffernan, Joan Leavy, Philomena Duffy, Lella Brady, Geraldine Igoe, Angela Smith, Eileen Fisher, Eileen Dixon, Fionnuala Galvin, Monica Morris, Liz O'Rourke, Eilish Beglan, Christine Moran, Marion Davis, Mary Jo Needham, Julie Gargan, Patricia Brady, Mary Heneghan, Mary Butler, Maura Heaney, Mildred Ward, Frances Khouri, Mary Harton, Celie White, Mary Rock, Noeleen Pearle, Ethel Wardrop, Pauline Downey, Kathleen Egan, Ann Tobin, Kitty O'Connor, Mary Hanrahan, Cecilia McGarry, Catherine Rhatigan, Kathleen Holmes, Teresa Glynn, Agie Natton, Audrey O'Brien, 80 Min., Kinostart: 4. Juli 2013

»A man loves his girlfriend the most, his wife the best and his mother the longest.« Entsprechend zu diesem alten irischen Sprichwort (das im Presseheft eine seltsame deutsche Übersetzung erhält) geht es in His & Hers um die Liebe zwischen Männern und den Frauen in ihrem Leben. Oder auch mal umgekehrt. Denn Freundinnen und Mütter, Schwestern, Ehefrauen und Töchter aus den »Irish Midlands«, die der Film nach zunehmendem Alter sortiert, berichten in Interviewausschnitten von den Männern in ihrem Leben, so dass daraus eine Art allumfassende, generationenübergreifende Liebesgeschichte entsteht.

Das Konzept des Films ist packend, die Umsetzung fasziniert vor allem in den kleinen Details, mit denen Verbindungen hergestellt werden, neben den visuellen (Blicke durch Türen und Fenster) fallen vor allem die thematischen auf. So gibt es zu Beginn ein kleines Mädchen, das vorgibt, mit einem Spielzeugutensil ein Telefonat zu führen: »Hi Dad, I need some help to put on my shoes.« Und zwei entsprechende Szenen sich später im Film bei älteren Frauen finden, wo es um die Schwierigkeiten beim Schuhe anziehen geht - und um die männliche Hilfestellung beim Meistern eines Mobiltelefons. Bei Shakespeare (As you like it) wurde das Alter auch als »second childishness« umschrieben, und bei seinen Epigonen bei der Disney-Corporation euphemisiert im Elton-John-Song vom »Circle of Life«. Und Kartoffelschälen und Gartenarbeit scheinen das Leben einer irischen Frau über Jahrzehnte zu begleiten.

Inspiriert vom Leben seiner Mutter hat Ken Wardrop in seinem ersten Lang-Dokumentarfilm zwar ein zu Herzen gehendes Zeitpanorama geschaffen, das fasziniert und unterhält, man stellt aber auch einen unübersehbaren Konservatismus fest - als wolle er seiner Mutter und Gleichaltrigen mit diesem Film besonders gefallen. Die Rollenverteilung der Geschlechter ist im Film ebenso starr wie die gerade in den ersten dreißig Jahren präzise Idealkonstruktion eines Generationswechsels sich an althergebrachte Traditionen und Moralvorstellungen hält. Vorehelicher Sex, uneheliche Kinder, Scheidungen: solche Dinge passen nicht in das Konzept des Films, und auch, wenn es in einigen der Interviews womöglich Hinweise auf deren Existenz gibt, gibt sich die Montage (oder auch schon die Auswahl der Interviewpartnerinnen) auffallend Mühe, solche Ansätze eher beiseite zu schieben oder gar zu unterdrücken. Was nicht mehr zeitgemäß wirkt und dem Ganzen einen gewissen Nachgeschmack verleiht.

So schön die Vorgabe ist, Männer nur durch ihre Abwesenheit in den Mittelpunkt zu rücken, so hätte der Film gut daran getan, seine eigenen Regeln hin und wieder auch zu durchbrechen. Wäre es so schlimm gewesen, wenn die 43. Frau gesagt hätte: »Nein aus Männern mache ich mir nichts! Ich bin seit zwei Jahren in einer glücklichen Beziehung. Aber zu meinem Bruder habe ich ein inniges Verhältnis.«

Doch auch wer sich an dem Bild der »heilen Welt« wie in den 1950ern stören sollte, wird es schwer haben, diesen Film komplett aus dem Herzen zu verbannen, so universell bleiben seine Themen ungeachtet der gesellschaftlichen Umwälzungen. Auch, wenn das Weltbild des Films reichlich konstruiert ist, ist His & Hers auch keine Propaganda, sondern vor allem eine Demonstration der Möglichkeiten des Dokumentarfilms. Oder des Mediums Film allgemein (vortreffliche Kadrierung, makellose Montage, unaufdringliche Filmmusik, die mit angedeutetem Ticken das Vergehen der Zeit in Erinnerung ruft).

Und dabei bleibt der Film doch zutiefst menschlich und nah an seinen Hauptdarstellerinnen.