Anzeige:
Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




7. November 2013
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Wrong (Quentin Dupieux)
Wrong (Quentin Dupieux)
Bildmaterial: Tiberius Film
Wrong (Quentin Dupieux)
Wrong (Quentin Dupieux)
Wrong (Quentin Dupieux)


Wrong
(Quentin Dupieux)

Frankreich / USA 2012, Buch, Kamera, Schnitt: Quentin Dupieux, Kamera-Assistent: Kevos van der Meiren, mit Jack Plotnick (Dolph Springer), Eric Judor (Victor), Alexis Dziena (Emma), Steve Little (Detective Ronnie), William Fichtner (Master Chang), Regan Burns (Mike), Mark Burnham (Cop), Arden Myrin (Boss Gabrielle), Gary Valentine (EMT Nurse), Zia Harris (Painting Guy), Price Carson (Limo Driver), Cole Jensen (Emma's & Victor's Son Willy), Max Nicolas (Joshua), Kuma (Paul), 94 Min., DVD-Start: 7. November 2013, DVD-Extras: Making of, Trailer; FSK: ab 12

Die Welt von Quentin Dupieux' Wrong ist irgendwie anders als die unsere. Hier haben die Stunden mindestens 61 Minuten, man bekommt nicht ungefragt die Windschutzscheibe gewaschen, wenn man an einer Ampel steht, sondern gleich eine Lackierung, wenn man sein Auto frei rumstehen lässt. Die Hauptfigur mit dem hübschen Namen Dolph Springer (Jack Plotnick, der an Owen Wilson und Jason Lee erinnert) fährt trotz Entlassung vor drei Monaten täglich zu seinem Bürojob, bei dem das Betriebsklima reichlich verregnet ist, und wachgerüttelt wird der Bursche erst, als sein Hund Paul (den man ohne Probleme als eine Beziehungsmetapher auslegen kann) plötzlich verschwindet, und Dolph wie einst Kyle MacLachlan in Blue Velvet oder Twin Peaks hinter die Fassade dieser seltsamen Welt blickt, auch der Suche nach seinem vierbeinigen Freund. Wie in Lumberton oder eben Twin Peaks sind auch hier reichlich seltsame Personen unterwegs, etwa die bindungsaktive bis nymphomanisch-schizophrene Emma (Alexis Dziena, einst die Lolita in Jarmuschs Broken Flower), der etwas apathische Gärtner Victor (Eric Judor) oder der mysteriöse Master Chang (William Fichtner), der der Menschheit zu mehr Liebe verhelfen will, dabei aber nur Chaos und Verwirrung stiftet.

Ob es an dem organischen Jesus-Pizza-Lieferdienst liegt, der mit einem Hasen auf einem Motorrad wirbt, oder an den von Master Chang verfassten Ratgeber-Sachbüchern über telepathische Verbindungen zu deinem Haustier, auch an Donnie Darko erinnerte mich dieser seltsame Film etwas. Zu diesen Referenzpunkten passt auch der Soundtrack (der ohne weiteres aus Twin Peaks hätte stammen können) oder die auffällig traumhafte Kinematographie, bei der Teile durch die Fokusverschiebung hyperrealistisch erscheinen, während oft ein Großteil des Bildes unscharf bleibt und dadurch unwirklich erscheint.

Eine gewisse Traumlogik findet sich auch in der Handlung, wenn beispielsweise der Gärtner zu bedenken gibt »The palmtree is no longer a palmtree«, und man diesen unerklärlichen Problemen beizukommen versucht. Hierbei hat der Film auch ein großes Humorpotential, wenn etwa »Detective Ronnie« (der unvergleichliche Steve Little aus Eastbound & Down) sich auf die Suche nach dem verschwundenen Hund macht und dazu ein Gerät benutzt, das aufgeklaubten »Hinterlassenschaften« des Hundes »Erinnerungen« abringt. »Anything is possible with technology today [...] the turd is nearing the exit.« Auf so eine kranke Scheiße muss man erst mal kommen. Alle Nase lang bekommt Dolph von vermeintlichen Experten die Versicherung, wie ungewöhnlich die Ereignisse sind. Dem Gärtner ist es in zwanzig Jahren nicht passiert, dass ein Baum sich einfach in eine andere Baumsorte verwandelt, bei Master Chang sind es immerhin sieben Jahre »Abuse prevention for pets«, in denen ihm nichts vergleichbares untergekommen ist. Doch alles, was hier seltsam ist, wird schnell noch seltsamer. Ein eilig herbeigesuchter »Ersatzhund« sieht etwa aus wie ein kleiner bebrillter Junge (die Beziehungsmetapher nie aus den Augen verlieren).

Und um dem Ganzen noch einen draufzusetzen, gibt es dann innerhalb dieser irrealen Situation auch noch eine echte Traumsequenz, die – wie kontrovers das auch klingen mag – im Endeffekt fast sinnvoller erscheint als alles drumherum. Wrong ist sicher kein Film für Jedermann, aber der Unterhaltungswert ist schon immens und auf den nächsten Film von Quentin Dupieux, der ebenfalls das Wort »wrong« im Titel hat und ein Wiedersehen mit einigen Darstellern (in anderen Rollen, offenbar kein direktes Sequel) verspricht, bin ich bereits gespannt. Gerade, wenn man zu viele Filme schaut, freut man sich, mal »etwas anderes« zu entdecken.