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Bildmaterial © Concorde Filmverleih GmbH / Joe Alblas
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The Salvation
(Kristian Levring)
Dänemark / UK / Südafrika 2014, Buch: Anders Thomas Jensen, Kristian Levring, Kamera: Jens Schlosser, Schnitt: Pernille Bech Christensen, Musik: Kasper Winding, Kostüme: Diana Cilliers, Production Design: Jørgen Munk, Art Direction: Chantal Carter, Set Decoration: Anneke Botha, mit Mads Mikkelsen (Jon), Mikael Persbrandt (Peter), Eva Green (Madelaine), Jeffrey Dean Morgan (Delarue), Eric Cantona (Corsican), Jonathan Pryce (Bürgermeister Keane), Nanna Øland Fabricius (Marie), Toke Lars Bjarke (Kresten), Douglas Henshall (Mallick), 89 Min., Kinostart: 9. Oktober 2014
Mausklick mir das Lied vom Tod
Die Tonebene gibt Wind und Wetter wieder, die Intro klingt bereits wie eine Kriegserklärung: »The year is 1871. The country, America.«
Jon (Mads Mikkelsen), Soldat aus dem deutsch-dänischen Krieg, der nun auf dem immer noch »neuen« Kontinent sein Glück machen will, sieht bereits wie ein Amerikaner aus und spricht auch so. Er wartet auf seine Frau (Nanna Øland Fabricius ) und den gemeinsamen Sohn, und sie betreten eine Postkutsche, in der bereits ein anderes Paar mit Migrationshintergrund sitzt. »My wife doesn't speak the language. She will learn.« Selbst in solch einem Statement klingt eine gewisse Zärtlichkeit durch, man merkt, dass der Soldat und der Familienvater zwei Seiten einer Medaille sind. Als ungehobelte Zusteiger (ohne Reservierung) das andere Paar (man geht Ärger aus dem Weg) vergraulen, spürt man eine dräuende Atmosphäre, man will Jon zurufen, er solle doch auch lieber die nächste Kutsche nehmen. Doch er ist stolz, er weiß um seine Fähigkeiten und er ist nicht in die Staaten gereist, um zu kuschen.
Die weitere Kutschfahrt ist ein Paradebeispiel für unterschwellige Bedrohung, Jon versucht immer wieder, das Richtige zu tun, doch mit Frau und Kind an seiner Seite gibt es einfach zu viele Unbekannte und – anders als im Krieg – Schützenwertes, was seine Entscheidungen beeinflusst. Mit solch einem tragischen Verhängnis beginnen viele Rachefilme, wie Clint Eastwood oder Mel Gibson muss Mikkelsen erst Verluste erdulden, um danach umso unbarmherziger und kompromissloser zu werden. Eigentlich ist das ein erschreckend konventioneller Versuchsaufbau, doch in der zunächst fast unmerklich drehenden Abwärtsspirale ist man auch als Zuschauer gefangen wie in Insekt in einer Venus-Fliegenfalle. Man glaubt bis zuletzt, dass man noch einen letzten Fluchtpunkt abpassen kann.
No such luck. »What are you gonna do about it?«
Die eigentliche Rache folgt in diesem rasant erzählten Film überraschend früh, und wer bisher daran zweifelte, wie hart die Gangart sein wird, dem bietet eines der Opfer des nun »angeschalteten« Rächers mit seinen »berühmten letzten Worten« den zynisch-ironischen Tonfall des Drehbuchs, an dem mal wieder einer meiner zwei Lieblingsautoren aus Dänemark, Anders Thomas Jensen, mitgewirkt hat: »I haven't touched the boy!« Man weiß bereits, dass es um geringfügige Nuancen der Schuldigkeit in diesem Film nicht gehen wird, der Titel »The Salvation« sagt über die alttestamentarische Herkunft des Wortes mehr aus als über die eigentliche Bedeutung.
Doch Rache bringt oft nur weitere Rache mit sich, und einer der Mörder und Vergewaltiger ist der Bruder eines Gangsterchefs, der das von ihm beherrschte Dörfchen einfach vor die Wahl stellt, Zivilisten zu töten, bis die Gesetzeshüter (die auch nur kuschen) den unbekannten »Killer« dingfest gemacht haben.
Und weiter geht es in der tragischen Abwärtsbewegung, das Machtspielchen erinnert an Sophie's Choice, der Bürgermeister soll zwei Opfer auswählen – ansonsten wird es vier geben. Und man hat wieder dasselbe Gefühl der Machtlosigkeit, denn solange die Stärkeren nicht nach ihren selbst aufgestellten Regeln spielen, gibt es eigentlich keine »richtige« Wahl.
Diese existentielle Mischung aus Unforgiven und High Noon kriegt zum Schluss sogar noch eine richtig zeitpolitische Komponente, Eva Green spielt die vielleicht beste Rolle ihrer Karriere (übrigens stumm), und The Salvation hat an jeder Straßenbiegung eine (zumeist unerfreuliche) Überraschung für den Zuschauer. Dann noch Jeffrey Dean Morgan, Mikael Persbrandt und Jonathan Pryce, mehrere narrative Fettnäpfchen, die man galant umschifft – es könnte ein Meisterwerk sein.
Doch leider ist der Look des Films ein so eklatantes Ärgernis, dass es vieles zunichte macht. Dass man nicht im Monument Valley von John Ford, sondern in Südafrika gedreht hat, ist noch das kleinste Makel, aber die schrecklich artifiziell wirkenden Nachtaufnahmen (manchmal ganz erbärmliches »Day for Night«) und der mehrfache Rückgriff auf billige (und schlechte) CGI-Effekte machen aus einem Epos ein Direct-to-DVD-Wrack. All jene Stellen, wo man sich auf clever eingesetzte Bauten (die Kutschstation zu Beginn, die verbrannten Ruinen) und Filmemachen wie zur Hohezeit des Westerns stützt, führen im direkten Vergleich schmerzhaft vor Augen, dass ein Kino, in dem durch ein paar Maus-Klicks alles möglich wird, sich gerade dadurch auch viel an Möglichkeiten verbaut. Gerade in Dänemark, der Heimat der Dogma-Bewegung, sollte man das wissen. Sicher, im Endeffekt ist das natürlich auch immer eine Budgetfrage, aber wenn man hier so eine CGI-Fliege auf dem Gesicht einer Filmleiche sieht, muss man augenblicklich an eine echte Fliege in einem echten Western denken.