Originaltitel: The Rewrite, USA 2014, Buch: Marc Lawrence, Kamera: Jonathan Brown, Schnitt: Ken Eluto, Musik: Clyde Lawrence, mit Hugh Grant (Keith Michaels), Marisa Tomei (Holly Carpenter), Bella Heathcote (Karen Gabney), J.K. Simmons (Dr. Harold Lerner), Chris Elliott (Professor Jim Harper), Allison Janney (Professor Mary Weldon), Steven Kaplan (Clem Ronson), Emily Morden (Andrea Stein-Rosen), Annie Q. [Qian] (Sara Liu), Andrew Keenan-Bolger (Billy Frazier), Maggie Geha (Flo Bai), Damaris Lewis (Maya Banks), Aja Naomi King (Rosa), Lauren Macklin (Rachel Anslow), Nicole Patrick (Jessica), 106 Min., Kinostart: 13. November 2014
»Wie schreibt man Liebe?«, mit Hugh Grant und Marisa Tomei – alle Zeichen der deutschen Vermarktungsstrategie deuten auf Romantic Comedy, doch The Rewrite dreht sich allenfalls um Rande um eine Paarzusammenführung mit ulkigen Hindernissen, weshalb ich mir in diesem Text auch Mühe gebe, das Augenmerk auf andere Dinge zu richten (dieser Text ist übrigens sehr auf eine Nacherzählung fokussiert – einfach, weil mir diese Aspekte so gut gefielen).
Drehbuchautor Keith Michaels (Hugh Grant) hatte 1999 mal seinen großen Karrierehöhepunkt: einen Oscar für das beste Originaldrehbuch, den vielgeliebten Klassiker »Paradise Misplaced« (der wirkliche Gewinner in dieser Kategorie war damals Shakespeare in Love). Nicht so toll: seine Frau trennte sich danach von ihm und heiratete den Regisseur des Film, dem im Gegensatz zu Keith eine längere Karriere beschert war, während Keith nun Pitch auf Pitch durch die Büro von Studios und Verleihern pilgert und meistens zu hören bekommt, man suche nach einer »edgy comedy with a kick-ass female character« sowie einer »fresh voice«. Seine leidgeprüfte Agentin vermittelt ihm dann einen Drehbuchkurs an der ziemlich weg vom Schuss liegenden Uni von Binghamton (Staat New York), den er nur annimmt, weil die finanziellen Probleme mittlerweile zum Stromabschalten führen. Er legt aber Wert auf die Feststellung, dass man das Drehbuchschreiben nicht lehren kann und somit seine Tätigkeit komplett nutzlos ausfällt.
Angekommen in Binghamton, trifft er in einem Fast-Food-Restaurant auf eine seiner potentiellen Studentinnen, die ihm versichert »I really wanna take your course«, ihm dabei tief in die Augen schaut und sich einen Pommes von seinem Teller stibitzt, von dem sie dann in sehr suggestiver Manier abbeißt – Schnittkante, und Keith wacht neben der jungen Frau auf, im Bett seines neuen Hauses (gestellt für Fakultätsmitglieder), und ein Nachbar (Chris Elliott, bekannt aus Groundhog Day oder There's Something about Mary), der sich bald als Dozentenkollege herausstellt, schaut beim Gassigehen mit Hund Henry IV direkt ins Fenster. Dass romantische oder sexuelle Beziehungen mit seinen Studentinnen ein Tabu darstellen, das schnell zur Entlassung führen kann, ist Keith übrigens vorerst noch nicht bewusst.
Als nächstes trifft er auf seinen Vorgesetzten Dr. Lerner (J.K. Simmonds, für jede Komödie eine Bereicherung), zu dem seine junge Bettkollegin Karen (Bella Heathcote) nur vieldeutig meint »I had him for Chaucer ...«. Dieser lädt ihm zum Fakultätsumtrunk am Abend ein, drückt ihm aber gleichzeitig einen schweren Karton in die Arme: 70 Drehbuchtreatments zu je 30 Seiten, aus den er bis zum nächsten Morgen zehn vielversprechende Bewerber für seinen Kurs aussuchen soll. Der erste Blick auf eines der Drehbücher zeugt nicht davon, dass ihm die leicht fallen wird.
Im Verlauf des Tages lernt er noch die etwa gleichaltrige Möchtegern-Drehbuchstudentin Holly (Marisa Tomei) kennen und verscherzt es sich bei Prof. Weldon (Allison »Mom« Janney), dem »head of the ethics department«, mit einigen leicht als frauenfeindlich zu interpretierenden Äußerungen, ehe er des Nachts allein mit seinem Koffer voller Treatment zuhause sitzt, einen weiteren Blick in eines der Skripte wirft und dann auf die glorreiche Idee kommt, die ihm seinen neuen Beruf fast angenehm gestalten könnte:
Anhand der Namen der Treatment-AutorInnen und eines vermutlich uni-internen sozialen Netzwerkes wirft er einen Blick auf die Antlitze seiner KandidatInnen, und sucht sich (mit erstaunlich breitgefächertem Beuteschema, was die Ethnien angeht) neben Karen sieben gutaussehende junge Frauen und zwei männliche Alibi-Nerds aus. Evtl. habe ich einen Teil dieser Szene miss- oder überinterpretiert, aber bei der Filmsichtung hatte ich den Eindruck, als wenn der eine Umschlag, zu dem er nicht einmal eine Netzrecherche unternimmt, sondern nur »not even close« meint und ihn aussortiert, zu der im Rom-Com-Schema des Films als potentiellen »love interest« gehörenden Marisa Tomei gehört. Und Folgendes ist dann das Ergebnis dieser politisch unkorrekten Auswahl:
Bis auf Tomei, Grant und Bella Heathcote (Dark Shadows, Not fade away) allesamt unbekannte junge Darsteller, die sich aber mit teilweise nur wenigen Sätzen als heimliches Rückgrat des Films erweisen. Die Alibijungs sind der talentierte, aber sehr schüchterne Clem, der sich hinter seiner Brille versteckt, als hätte er Laura Mulvey missverstanden (wenn er sie später erstmals abnimmt, wirkt es so, als nehme seine Sitznachbarin Rosa, in die er heimlich verschossen ist, ihn erstmals wahr), und der jeweils in Star-Wars-Shirts zum Unterricht erscheinende Billy, dessen Leben komplett um seine tägliche Sichtung von A New Hope drapiert ist, was man leider auch seinen Drehbuchideen anmerkt.
Zunächst am deutlichsten am Lehrkörper interessiert ist Flo Bai, die auf Anfrage Keiths, wie man ihren Nachnamen ausspricht, vieldeutig »I could go either way« meint. Vorne rechts sitzt das seltsame Paar Andrea und Sara. Andrea interessiert sich sehr für männliche Hollywoodstars (nicht Hugh Grant, sondern eher Ryan Gosling), erklärt zu ihrem Lieblingsfilm Dirty Dancing und hat eine starke Affinität für Disney-Filme, während Sara mit solchem weichgespülten Kram wenig anfangen kann, sondern auf hartes Independent-Kino à la Tarantino steht. die beiden Damen in der zweiten Reihe links zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass Rachel immer so leise spricht, dass sie kaum einer (zumindest nicht der Dozent) versteht, was Maya dann jeweils wiederholt. Was ich aber nicht tiefergehend deuten würde. Und mein besonderer Liebling ist die Blonde hinten links, deren Namen ich nur aufgrund der Ähnlichkeit zu einer Darstellerin auf imdb herausbekam. Jessica wird im ganzen Film nie beim Namen genannt, hat keinen einzigen Dialogsatz, und bei einer emotionalen Szene, in der sich alle Schüler persönlich beim Lehrer verabschieden und/oder bedanken, ist sie die einzige, die offenbar darauf keinen Wert legt. Reines Eye Candy, aber den Job macht sie jedenfalls gut.
Basierend auf dieser Prämisse erfährt Keith, dass er seinen Studenten doch etwas beibringen kann, wobei die Drehbuchentwürfe größtenteils erstaunlich autobiographisch ausfallen und wie in einer Therapiesitzung besprochen werden (»the girl should be more libidinous and manipulative«), und letztendlich geht es um das »Rewrite« seines eigenen Lebens, wobei Marisa Tomei aber nicht unbedingt eine größere Rolle spielt als sein Sohn, mit dem er ein Jahr nicht sprach (in einer Telefonszene arbeitet der Film ziemlich großartig mit Stille – man hört noch das leiseste Stuhlknarzen).
Zwar ist das ganze Drehbuch sehr um die eine Hauptfigur herumdrapiert, und es gibt auch einige seltsame Patzer (eine Jane-Austen-Expertin, die nie von Clueless gehört hat; Alan Rickman war zu Beginn seiner Karriere definitiv noch nicht 48 (erste TV-Arbeiten mit 32, Die Hard mit 42; ein Gespräch über Walt Disney, der zum Genie erklärt wird – und zwar aufgrund von The Little Mermaid, der zwei Jahrzehnte nach Disneys Tod in die Kinos kam; Marisa Tomei ist die alleinerziehende Mutter zweier Pre-Teen-Töchter, die als Buchverkäuferin und Kellnerin arbeitet – und dann noch nebenbei studiert ...), aber selbst noch diese Unzulänglichkeiten haben mir bei dem Film Freude bereitet. Ein Hugh Grant, der in seinem Lehrerjob zwei Minuten damit beschäftigt ist, die Anwesenheit zu überprüfen (man werfe einen Blick auf den Sitzplan oben, um die Absurdität dieses Unterfangens zu umreißen), und dann ausgiebig auf seine Armbanduhr schaut, ob er dem Ende der Stunde nähergekommen ist – das ist einfach die Art von Humor, die ich mag (es ist immerhin auch schon die vierte Zusammenarbeit des Regisseurs mit Grant), und so wie Mr. Michaels durch seine unkonventionelle Herangehensweise Gefallen an dem Lehrerjob entwickelt, so überträgt sich dies auch auf den Betrachter.
Kein Tarantino, aber emotional mitreißend wie Dirty Dancing.