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Sofie Lichtenstein: Bügeln. Protokolle über geschlechtliche Handlungen




9. Januar 2016
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Legend (Brian Helgeland)


Legend
(Brian Helgeland)

UK / Frankreich 2015, Buch: Brian Helgeland, Lit. Vorlage: John Pearson, Kamera: Dick Pope, Schnitt: Peter McNulty, Musik: Carter Burwell, Kostüme: Caroline Harris, Production Design: Tom Conroy, Supervising Art Director: Patrick Rolfe, mit Tom Hardy (Ronald Kray / Reggie Kray), Emily Browning (Frances Shea), Christopher Eccleston (Nipper Read), Joshua Hill (Constable Scott), Taron Egerton (Mad Teddy Smith), Paul Anderson (Albert Donoghue), David Thewlis (Leslie Payne), Chazz Palminteri (Angelo Bruno), Colin Morgan (Frank Shea), Sam Spruell (Jack McVitie), John Sessions (Lord Boothby), Tara Fitzgerald (Mrs. Shea), Samantha Pearl (Shirley Bassey), Millie Brady (Joan Collins), Mark Theodore (Sonny Liston), Lara Cazalet (Mrs. Payne), Nicholas Farrell (Dr. Humphries), Adam Fogerty (Pat Connolly), Mel Raido (Ian Barrie), Chris Mason (Ronnie Hart), Stephen Thompson (Ronnie Bender), Jane Wood (Violet Kray), Jon McKenna (Charles Kray Senior), Bob Cryer (Charles Kray Senior), Paul Bettany (Charlie Richardson), Abigail Halley (Young Violet Kray), 132 Min., Kinostart: 7. Januar 2016

Brian Helgeland, als Drehbuchautor bekannt geworden, mit seiner Karriere als Regisseur nicht alle Vorschusslorbeeren zunichte gemacht, zieht es mit seiner fünften Regiearbeit, zu der er natürlich auch wieder das Buch schrieb, erneut nach England, wo schon A Knight's Tale als Mischmasch aus Sport- und Kostümfilm mit reichlich freier Auslegung eines Chaucer-Biopics spielte (Paul Bettany hat übrigens in Legend auch einen kurzen Gastauftritt). Ob Helgeland die englische Geschichte besonders fasziniert oder er dort seine Filme leichter produziert bekommt, ist mir nicht bekannt.

Die Kray-Brüder, zwei Gangster-Zwillinge aus den 1960ern, sind in England wohlbekannt. Warum man sich für einen nichtssagenden (und durch Ridley Scott und Tom Cruise empfindlich vorbelasteten) Filmtitel wie Legend entschied, ist dennoch nur schwer nachvollziehbar. Vor allem, weil der Film diesem Titel nur schwer gerecht wird, den es geht wirklich nicht um Legendenbildung, sondern eher um eine intime (und abermals freie) Perspektive auf die legendären Gangsterbrüder.

Legend (Brian Helgeland)

Bildmaterial © 2016 STUDIOCANAL

Hierbei lernt man Reggie (Tom Hardy) aus der Sicht der jungen Frances Shea (Emily Browning) kennen, die zunächst fasziniert ist von dem ihr gegenüber sehr positiv auftretenden Herrn und seiner Luxuswelt – aber die Ehe der beiden wird auf spektakuläre Weise scheitern. Der spätere Schwager Ron (abermals Tom Hardy, aber mit seltsamer Zahnprothese mit mehr Zahnfleisch als Kirsten Dunst) taucht zunächst auf wie eine Mr. Hyde-Figur, ist jähzornig, wirkt etwas tumb, ist offen schwul (»I'm a giver, not a receiver«) und macht sich durch diese Kombination von Charaktereigenschaften sicher auch wenige Freunde – kurzum: das Yang zu Reggies Yin.

Legend (Brian Helgeland)

Bildmaterial © 2016 STUDIOCANAL

Die Geschichte beginnt in einem leichtfüßigen Tonfall. Ob es um das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Kriminellen und Polizisten geht, um den Running Gag mit Reggies Lieblingsbonbons, den Lemon Sherbets oder um den generellen Lebensstil (»I'm not a gangster, I'm a club owner!«). Man baut mit verhältnismäßig wenig Aufwand eine London der 1960er auf (selbst die Passagen, in denen die Budget-Probleme offensichtlich werden, haben noch einen gewissen Charme), labt sich an seinem Star in der Doppelrolle und der einigermaßen cleveren Erzählsituation – und dreht langsam am Spannungsrädchen, wenn man die Zuschauer halbwegs am Haken hat (weil man ungeachtet der ungünstigen Zeichen durchaus mit Frances und ihrer Lebensgeschichte mitfiebert).

Legend (Brian Helgeland)

Bildmaterial © 2016 STUDIOCANAL

Doch dann verhageln nicht nur Gefängnisstrafen die allgemeine Stimmung, das Miteinander verschiedener Machtgruppen, die sich das Londoner East End aneignen wollen, führt zu recht brutalen Auseinandersetzungen, die es dann auch zunehmend schwieriger für den Zuschauer (und Frances Shea) machen, Reggie nur noch als sympathischen Tunichtgut zu sehen. Ron bleibt zwar immer noch eine Spur brutaler und schwerer einzuschätzen, aber spätestens, wenn die beiden Brüder aneinander geraten, ist der Abstieg (für die meisten Gangsterfilme ein obligatorisches Storyelement) nur noch eine Frage der Zeit (»Do not fuck around with a foolproof way to make money …«).

Legend (Brian Helgeland)

Bildmaterial © 2016 STUDIOCANAL

Wenn ultrabrutale Szenen mit hübscher Musik untermalt werden und internationale Mitstreiter (Chazz Palminteri als Nonplusultra des Typecasting!) Teil des Machtkampfs werden (»Really, you own a casino? We own Las Vegas!«), wird Legend immer schwerfälliger, teilweise auch etwas zynisch im Tonfall. Man könnte auch kritisieren, wie Homosexualität hier dargestellt wird (Guy Ritchie lässt grüßen!). Aber Helgeland behält das Geschehen dennoch unter Kontrolle und erzählt die eigentliche Liebesgeschichte des Films, bei der Erzählerin Frances eigentlich nur im Weg steht: die der beiden Brüder.

»It took a lot of love to hate you like I do.«