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8. Dezember 2016
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Elvis & Nixon (Liza Johnson)


Elvis & Nixon
(Liza Johnson)

USA 2016, Buch: Joey Sagal, Hanala Sagal, Cary Elwes, Kamera: Terry Stacey, Schnitt: Sabine Hoffman, Michael Taylor, Musik: Edward Shearmur, Title Design Opening Credits: Stefan Nadelman, Kostüme: Peggy Schnitzer, Production Design: Mara LePere-Schloop, Art Direction: Kristin Lekki, mit Michael Shannon (Elvis), Kevin Spacey (Nixon), Alex Pettyfer (Jerry), Johnny Knoxville (Sonny), Colin Hanks (Krogh), Evan Peters (Chapin), Sky Ferreira (Charlotte), Tracy Letts (John Finlator), Tate Donovan (Haldeman), Ashley Benson (Margaret), Ahna O'Reilly (Mary Anne Peterson), Ian Hoch (Donald), Joey Sagal (Elvis Impersonator), Hanala Sagan (Judy, Chapin's Secretary), 86 Min., Kinostart: 8. Dezember 2016

Die Inspiration dieses Films ist ein vielverlangtes Foto, dass US-Präsident Richard Nixon und den »King of Rock'n'Roll« Elvis Presley bei einem Handschlag für die Öffentlichkeit zeigt - der Rest des Films ist extrapoliert bis frei erfunden.

Man kann sich vorstellen, ähnliche »Duo-Filme« mit seltsamen Paarungen zu generieren, die sicherlich Interesse beim Publikum hervorrufen könnten: Angela Merkel und Dieter Bohlen, Helmut Kohl und David Hasselhoff oder vielleicht Margaret Thatcher und Boy George. Ich muss dabei aber auch an bereits existierende Filme denken, etwa an den Handshake zwischen John F. Kennedy und Forrest Gump oder - filmisch gelungener - Nicolas Roegs Insignificance, wo er Albert Einstein in einem Hotelzimmer Marilyn Monroe die Relativitätstheorie erklären lässt. Und nebenbei noch Joe DiMaggio und Senator McCarthy (gespielt von Tony Curtis!) auftauchen lässt.

Aber die Paarung Elvis / Nixon hat schon einiges, was für sie spricht, nicht zuletzt den Umstand, dass gefühlt alle fünf Jahre ein »major motion picture« über Richard Nixon gedreht wird, in dem sich dann prominente Darsteller wie Anthony Hopkins, Dan Hedaya oder Frank Langella an der markanten Diktion und Körperhaltung von »Tricky Dick« versuchen können.

Elvis & Nixon (Liza Johnson)

Bildmaterial: © Universum Film GmbH - Alle Rechte vorbehalten.

Um es vorwegzunehmen: Kevin Spacey, der in der Fernsehserie House of Cards langfristig einen US-Präsidenten mimt, spielt trotz geringer physiognomischer Ähnlichkeit seinen Nixon, als hätte er sich monatelang auf diesen eher überschaubaren Auftritt (fünf Drehtage) vorbereitet. Während Michael Shannon als Elvis eigentlich bis auf sein Sprachtraining kaum etwas mit dem »King« gemeinsam hat. Shannon sieht das vermutlich komplett anders, aber für mich war sein Elvis fast so durchgedreht wie Michael Jackson und sorgte vor allem für viele Pointen.

Mit solch bekannten Protagonisten schreibt sich ein unterhaltsames Drehbuch (einer der drei Autoren ist übrigens Cary Elwes, als Schauspieler aus The Princess Bride und Mel Brooks' Robin Hood: Men in Tights bekannt) vermutlich wie auf Autopilot. Das Hauptproblem schien aber die Lauflänge des Films und so hat man sich entschieden, lange Zeit die Vorgeschichte des Treffens zu erzählen, wobei Elvis' früherer Assistent Jerry Schilling und ein Untergebener Nixons im Weißen Haus, Egil »Buddy« Krogh, als Figuren ausgebaut wurden. Nicht zuletzt auch, weil die beiden realen Vorbilder jeweils ihre Erfahrungen schriftstellerisch verarbeitet haben - von den beiden gegensätzlichen Perspektiven aus. Bud Krogh fungierte beim Film als technischer Berater, Jerry Schilling stand als executive producer während der Dreharbeiten in ähnlicher Funktion zur Verfügung.

Aber die Frage, wie nah der Film an der Realität ist, scheint müßig, solange sichergestellt ist, dass die historischen Persönlichkeiten nicht zu Witzfiguren verkommen. Das entscheidende beim Film ist, dass die albernen Elemente der Filmhandlung durch die trockene und ernste Darstellung nur noch komischer werden, wie Evan Peters, der Darsteller des Krogh-Kollegen Chapin es auf den Punkt bringt.

Elvis & Nixon (Liza Johnson)

Bildmaterial: © Universum Film GmbH - Alle Rechte vorbehalten.

Im Film ist die Figur des Jerry (Alex Pettyfer) so etwas wie die »geheime« Hauptrolle, denn wenn Jerry von Elvis in seine frühere Assistenten-Rolle zurück gedrängt wird, während die Zeit bis zu einem geplanten Essen mit den Eltern seiner Freundin unerbittlich verstreicht, gibt das der Story einen human angle und eine »normale« Identifikationsfigur. Und auch so etwas wie eine Spannungskurve (denn dass es irgendwann zum Treffen kommen muss und der Film nicht eine »Warten auf Godot«-Variante durchspielt, scheint ja relativ sicher) über die Entscheidung innerhalb der Filmstory, bei der man als Zuschauer ein wenig mitfiebern kann.

Man könnte es also bösartig formulieren und sagen, der Film sei eine Art »gespielter Witz« mit Superpromis und einem langen Prolog. Und ich bin mir sicher, mehrere meiner Kritikerkollegen werden auch in diesen Tenor einfallen. Ich muss aber sagen, mir hat der Film verteufelt viel Spaß gemacht.

Das beginnt schon mit dem ziemlich überzogenen und knallbunten 70er-Jahre-Vorspann mit passender Musik (wer auf einen Presley-Soundtrack lauert, wird bitter enttäuscht, womöglich war den Rechteinhabern das Projekt eher suspekt). Um Elvis vorzustellen, sieht man ihn vorm Fernseher, den er - der King war Schusswaffenenthusiast - quasi exekutiert. Das hat schon gleich was von Travis Bickle ...

Elvis & Nixon (Liza Johnson)

Bildmaterial: © Universum Film GmbH - Alle Rechte vorbehalten.

Das Phänomen Elvis wird eigentlich weniger über das Schauspiel von Michael Shannon übertragen, sondern über die Reaktion der Umwelt auf diesen bis auf ein paar stilistische Macken doch ganz normal wirkenden Herren. Eine Rezeptionistin am Flughafen kommentiert »ihr« Treffen mit dem King beispielsweise mit den Worten »I'd prayed this day would come eventually«. Gegen ähnliche Schwächen sind selbst die Bediensteten im Weißen Haus später nicht gefeit.

Es wirkt zwar so, als würde man keinen obligatorischen Gag auslassen, aber oft ist dahinter noch etwas mehr versteckt. Der Elvis-Impersonator, der Michael Shannon für einen Kollegen hält, wird beispielsweise vom Drehbuchautoren Joey Sagan gespielt, der mehr oder weniger dazu kam, das Buch zu schreiben, weil er tatsächlich Elvis-Impersonator ist - und sich entsprechend etwas auskennt. Solche Details aus der Produktionsgeschichte erklären teilweise auch den ganz eigentümlichen Tonfall des Films.

Die Eigenarten der beiden Titelfiguren sorgen gerade im Kontrast zu den erheiterndsten Momenten. Wenn der King federal agent werden will, um »under cover« (!) dem Staat behilflich zu sein und er zum Besuch im Weißen Haus ganz selbstverständlich mehrere Schusswaffen mitführt (eine ist ein Geschenk), ist das genau so abgedreht wie der Präsident, den seine Untergebenen während seiner nap time unter keinen Umständen stören wollen. Der eine ist vermeintlich zu cool für die Welt, der andere eher zu piefig (Nixon hat kein Interesse am King, nur weil seine Tochter gern ein Autogramm hätte, lässt er sich überhaupt auf die für ihn unsinnig erscheinende Angelegenheit an).

Elvis & Nixon (Liza Johnson)

Bildmaterial: © Universum Film GmbH - Alle Rechte vorbehalten.

Zum Höhepunkt wird das eigentliche Treffen auch durch die lange Vorbereitung. Krogh und Chapin erklären den Elvis-Begleitern ganz genau wichtige Punkte des Protokolls, was Softdrinks, Snacks und Nixons Einstellungen zu Umarmungen angeht - und Elvis durchbricht quasi sämtliche Regeln im intimen Umgang mit dem Präsidenten. Aber dadurch entsteht tatsächlich so etwas wie ein gegenseitiger Respekt, der die an sich simpel gestrickte Dramaturgie des Films zum konsequenten Ende bringt.

Colin Hanks als Krogh wurde hier für mich zu einem kleinen scene stealer. Allein schon für seine Reaktionen auf immer neue Komplikationen würde ich auf die letzten fünf Filme seines alten Herren (Tom Hanks) liebend gern verzichten. Wenn man dann im Abspann erfährt, dass Kroghs spätere Vergehen rund um den Watergate-Skandals (Elvis & Nixon spielt 1970) empfindliche Strafen nach sich zogen, hat man fast ein bisschen Mitleid mit ihm. Aber immerhin (Spoiler-Alert!) hat er auch ein Autogramm vom King bekommen.