La La Land
(Damien Chazelle)
USA 2016, Buch: Damien Chazelle, Kamera: Linus Sandgren, Schnitt: Tom Cross, Musik: Justin Hurwitz, Kostüme: Mary Zophres, Production Design: David Wasco, Art Direction: Austin Gorg, mit Emma Stone (Mia Donal), Ryan Gosling (Sebastian), John Legend (Keith), J.K. Simmons (Bill), Rosemarie DeWitt (Laura), Claudine Claudio (Karen), 128 Min., Kinostart: 12. Januar 2017
»City of Stars, are you shining just for me?« - Momentan sieht es ganz so aus, denn bei der Golden-Globe-Verleihung hat La La Land aus sieben Nominierungen sieben Awards gezaubert, ein »perfect record«, wie er selten vorkommt - und außerdem der veritable Statuetten-Rekord (Midnight Express und One flew over the Cuckoo's Nest hatten nur sechs) sowie zum zweiten Mal in der Globe-Geschichte (nach Forman / Nicholson / Fletcher usw.) das Fünfergespann von Film / Buch / Regie und dem weiblichen wie männlichen Hauptdarsteller (was durch die Aufsplittung in »Drama« und »Comedy / Musical« nicht unbedingt leichter wird).
La La Land hat zwar einen deutlichen Heimvorteil dadurch, dass der Film Los Angeles (aka L.A. wie in La La) und zum für die Voter gut wiedererkennbaren Spielort macht, doch auch, wenn man nie in der Traumfabrik Hollywood gewandelt ist, so kennt man als Kinogänger doch die Topographie ganz gut, nicht nur den Sunset Boulevard und den Mulholland Drive.
© 2017 Studiocanal. All Rights Reserved
Der Film beginnt auf dem L.A. Freeway, mit einer ganz alltäglichen Situation, einem Stau, ehe dann in einer fetten Plansequenz plötzlich die bunt auffallend gewandeten Autofahrer und -Fahrerinnen aussteigen und in Gesang und Tanz ausbrechen. Angeblich soll man dafür tatsächlich den Hauptverkehrsarm kurzfristig abgeriegelt haben, aber man darf nicht vergessen, dass man bei einer »Plansequenz« heutzutage weitaus mehr schummeln kann als zu Zeiten von Hitchcock, Welles oder Altman. Ich bin mir recht sicher, dass die auf ihren Autos synchron springenden Tänzer zumindest in der weiten Ferne digital ergänzt oder verbessert wurden - aber da auf solche Kleinigkeiten kaum jemand achtet und der Effekt trotzdem kolossal ist, ist das ja kein Beinbruch.
Innerhalb dieses Staus lernen sich auch die von Emma Stone und Ryan Gosling gespielten Mia und Sebastian kennen, wenn auch das meet cute eher aggressiv (Hupe vs. Stinkefinger) ausgeht und der Film uns die beiden danach (mit einem narrativen Zeitschlenker) einzeln vorstellt. Mia ist eine erfolglose Schauspielerin, die nebenbei (oder eigentlich hauptberuflich) hinter dem Tresen eines Coffeeshops steht, Sebastian ist ein versierter Jazzmusiker, der dem Niedergang seines musikalischen Genres hinterherweint und sich mit Brotjobs über Wasser hält.
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Die Screwball-mäßige aggressive Energie zwischen den beiden beutet der Film bis zum unvermeidbaren ersten Kuss lange aus. »Was sich neckt, das liebt sich« funktioniert ganz gut, wenn Sebastian bei irgendeiner Hollywood-Party in einer 80er-Coverband mitspielt und Mia (die unter den Gästen auch eher wenig zu tun hat) sich ausgerechnet »I Ran« von A Flock of Seagulls wünscht - ein Affront gegen jeden ernstzunehmenden Musiker. Wenn die beiden nach der Party gemeinsam noch - ein wenig trotzig - durch den Mondschein spazieren und quasi dagegen ankämpfen zu tanzen, ist das eine Szene, die nicht nur durch das eigentümliche Design der Straßenlaternen an Singin' in the Rain, die vermutlich bekannteste Musical-Szene der Filmgeschichte erinnert.
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Die Nostalgie, die beide Figuren auszeichnet (Sebastian hat in seinem Auto noch ein Cassettendeck nebst zahlreichen Cassetten und zählt zu seinen größten Schätzen einen Hocker, auf dem einst Hoagy Carmichael saß, Mia hat ihren Wohnungsteil in der WG mit alten Filmplakaten geschmückt) durchzieht den gesamten Film. Und führt auch zu der Szene, die dazu führte, dass ich mich in La La Land verliebte. Die Studiokulisse (also ein Studio als Kulisse), die Experten sofort als die Warner-Studios erkennen, führt hier zu einem Moment, wo man in Kinoerinnerungen schwelgt (natürlich aus Jahrzehnten, als die Hauptdarsteller noch lange nicht geboren waren). »That's the window Humphrey Bogart and Ingrid Berman looked out in Casablanca...« So weit, so nett. Aber unter diesem Fenster sieht man einen Laden, in dem Regenschirme verkauft werden. Und ganz wie dieser deutliche Hinweis auf Jacques Demys Les parapluies de Cherbourg natürlich nicht mit den Warner Studios zu tun hat, ist das gesamte »La La Land« ein filmisches Wunderland, nur mit ein paar Sprinklern Realität und einem Schuss Melancholie.
Zum Ende des Films fand ich eher zufällig auf youtube eine »Erklärung«, die ich mir deshalb anschaute, weil ich das Ende eigentlich als sonnenklar empfand und nicht wusste, was da zu »erklären« sei. Der Youtube-Blogger erklärte indes die Gründe der Figuren für ihre Entscheidungen und inwiefern dies besonders modern sei. Ich will ja nicht ins Detail gehen, aber mich erinnerte das Ende des Films sehr an die entsprechende Stelle im Demy-Film, nur, dass ich den Verdacht hatte, dass man sich in der Hollywood-Version dem US-amerikanischen Publikum annähern muss, weshalb ich das Ende einen klitzekleinen Tack kitschig empfand. Aber andererseits fliegt man bei Demy auch nicht durch Griffith Observatorium und spielt mit den zeitlichen Regeln des Medium Films. Also passt es auch irgendwie.
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Was mich bei La La Land wirklich interessieren würde, ist, wie ein junges Publikum auf diesen Film reagiert. Leute, die außer Disney-Filmen keine Musicals kennen, die weder Casablanca noch Rebel without a Cause je gesehen haben und die vielleicht sogar weder die MusiCassetten als solche erkennen oder nicht kapieren, was passiert, als im Kino der Film regelrecht »durchbrennt« (vgl. auch Gremlins 2). Mein Verdacht ist, dass der emotionale Inhalt des Films auch so funktioniert, und meine Hoffnung ist, dass man dann vielleicht nach dem Film googelt oder nachfragt, was einem alles entgangen ist, obwohl es auf seltsame Art interessant wirkte. Vermutlich wird es auch recht schnell irgendwo im Netz eine Seite geben, wo alle kleinen Anspielungen erklärt werden, die mich bei diesem Film entzückten (neben der umfassenden Ausnutzung der filmischen Möglichkeiten)
Vermutlich wird es auch recht schnell irgendwo im Netz eine Seite geben, wo alle kleinen Anspielungen erklärt werden, die mich bei diesem Film entzückten (neben der umfassenden Ausnutzung der filmischen Möglichkeiten).