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20. September 2017
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Amelie rennt (Tobias Wiemann)


Amelie rennt
(Tobias Wiemann)

Deutschland / Italien 2017, Buch: Natja Brunckhorst, Mitarbeit: Jytte-Merle Böhrnsen, Kamera: Martin Schlecht, Schnitt: Andreas Radtke, Musik: Tobias Kuhn, Markus Perner, Produktionsfahrer: Björn Borg und drei weitere, mit Mia Kasalo (Amelie), Samuel Girardi (Bart), Susanne Bormann (Sarah), Denis Moschitto (Lukas), Jasmin Tabatabai (Dr. Murtsakis), Shenia Pitschmann (Steffi), Jerry Hoffmann (Matthias), David Bredin (Pit Reuer), Christian Lerch (Dr. Keller), 97 Min., Kinostart: 21. September 2017

Amelie (Mia Kasalo) ist ein 13jähriges, rebellisches Berliner Mädchen mit Asthma. Sie versucht, die Krankheit vor ihrer Umwelt zu verbergen und kommt dadurch gleich zu Beginn des Films (beim »Gläserrücken für Dummies«) in die Bredouille. Ihre fürsorgliche Mutter (Susanne Bormann) fährt kurzerhand mit Amelie und ihrem Ex-Mann / Amelies Vater nach Denis Moschitto) nach Südtirol, in die italienischen Alpen, um bei einer Asthma-Schulung mitzumachen. Amelie hat aber einen ziemlichen Hass auf diese blöde Krankheit und nicht die geringste Lust, wie ein Patient behandelt zu werden oder aus Heilungsgründen zu Bergwanderungen »verknackt« zu werden.

Es wirkt ein wenig widersinnig, wenn die Asthmakranke in einer Tour wie ein Rohrspatz flucht (»Berge sind scheiße!«), aber Amelies Begründung dafür (»Ich fluche, damit ich überhaupt noch merke, dass ich atme!«) wirkt einleuchtend. Beim geplanten dreimonatigen Urlaub in der Lungenklinik lässt Amelie (Standard-Kinderfilm-Dramaturgie) natürlich Freunde in Berlin zurück (»Neele und Viola haben nach dir gefragt.« --- »Die mögen mich nicht, die haben nur Mitleid.«), aber ihrer neuen Mitbewohnerin (»Nicht erschrecken, ich bin's nur, die Steffi! Wir sind jetzt die nächsten Wochen Freundinnen...«) kommt sie auch nicht unbedingt mit offenen Armen entgegen.

Amelie rennt (Tobias Wiemann)

© Lieblingsfilm Martin Schlecht

Das Einzige, was sie in den Bergen überhaupt anspricht, sind die süßen Kälber, und darüber lernt sie den 15jährigen »Herdenmanager« Bart (Samuel Girardi) kennen, mit dem sie schließlich wie einer Screwball Comedy (es fehlen fast nur noch die Handschellen) auf dem Berg landet, wo ungeahnte Gefahren lauern wie ein Bach (»Wieso? Gibt es hier Haie?«), ein Elektrozaun oder ein Gewitter.

Amelie rennt (Tobias Wiemann)

© Lieblingsfilm Martin Schlecht

Der Berliner Anfang des Films ist ein wenig überinszeniert, was einerseits der Hektik der Großstadt geschuldet ist, aber auch davon zeugt, dass die eigentliche Story möglichst schnell beginnen soll. Mit der Lungenärztin Dr. Murtsakis (Jasmin Tabatabai) und der unnachahmlichen Steffi (Shenia Pitschmann) geht es dann in Richtung Humor und »auf Krawall gebürstet«, mit dem Betreuer Matthias (Jerry Hoffmann) ist eine erste Vertrauensperson gefunden, und dann beginnt das Bergabenteuer - der Kern des Films - was auch über Parallelmontagen zu den Eltern und Rettungsbemühungen bestens funktioniert.

Amelie rennt (Tobias Wiemann)

© Lieblingsfilm Martin Schlecht

Das Drehbuch zum Film stammt von Natja Brunckhorst (die einst die Christiane F. im Film spielte), die wie schon in Wie Feuer und Flamme wieder ein autobiographisches Thema verarbeitet, denn ihre inzwischen 25jährige Tochter litt im selben Alter auch an Asthma. Fast noch besser als das bis auf die üblichen Konventionen (das erstaunlich zahme Eichhörnchen!) komplett überzeugende Drehbuch ist aber das Casting. Trotz Ecken und Kanten sind eigentlich alle Figuren sehr sympathisch. Ohne dabei »niedlich« oder typisch kinderfilmkonform zu sein.

Amelie rennt (Tobias Wiemann)

© Lieblingsfilm Martin Schlecht

Der Erbsenzähler in mir (das ist auch so etwas wie eine Krankheit) wunderte sich zwar, wie der Helikopter-Transport einer Kuh so schnell zustande kam (und warum Matthias plötzlich wieder am Fuß des Berges ist), aber abgesehen von der Szene, wo der Inhalator verloren geht, habe ich nicht wirklich was zu meckern.

Manche Filme machen einfach Spaß, da stimmt die Chemie, und wenn man nebenbei noch was über nicht ganz unwichtige Themen und Schicksale erfährt, ist das ja auch ein Pluspunkt.