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11. April 2018
Thomas Vorwerk
für satt.org


  A Quiet Place (John Krasinski)


A Quiet Place
(John Krasinski)

USA 2018, Buch: Bryan Woods, Scott Beck, John Krasinski, Kamera: Charlotte Bruus Christensen, Schnitt: Christopher Tellefsen, Musik: Marco Beltrami, Production Design: Jeffrey Beecroft, Art Direction: Sebastian Schroder, Set Decoration: Heather Loeffler, mit Emily Blunt (Evelyn Abbott), John Krasinski (Lee Abbott), Millicent Simmonds (Regan Abbott), Noah Jupe (Marcus Abbott), Cade Woodward (Beau Abbott), Leon Russum (Man in the Woods), 90 Min., Kinostart: 12. April 2018

Ich bin für meine Erbsenzählerei bekannt, aber - Wunder über Wunder! - hin und wieder sehe ich auch ein, dass man manches klaffendes Logikloch einfach ignorieren kann, wenn die Anstrengungen der Filmemacher drumherum es rechtfertigen.

In A Quiet Place geht es um das Überleben inmitten übermächtiger seltsamer Wesen, deren Herkunft nicht erklärt wird, man geht als Zuschauer aber davon aus, dass es Aliens sein müssen und sie nicht irgendwann einem Erdloch entstiegen sind.

Der Film beginnt mit der Einblendung »Day 89« und bis auf einige Zeitungsschlagzeilen und auf einer Wandtafel zusammengetragene Erkenntnisse über die hochgefährlichen Gegner, von denen sich wohl drei Exemplare in der Gegend herumtreiben sollen, wird die Vorgeschichte ganz gewollt ausgeblendet. Das wichtigste Detail ist, dass die Killer offenbar blind sind und bei Geräuschen blitzschnell längere Strecken überwinden und die Quelle mit brutaler Macht zum Schweigen bringen. Wie eine blinde Gesellschaft dazu kommt, so etwas wie Raumfahrt zu entwickeln, könnte man sich fragen, wenn sie ja nicht einmal die Sterne am Himmel ihrer Welt wahrnehmen können - doch solche gedanken blendet man in diesem Film schnell aus, weil die Geschichte so spannend erzählt ist, und tatsächlich mal etwas Neues aus dem Medium macht.

A Quiet Place (John Krasinski)

Foto: Jonny Cournoyer © 2018 Paramount Pictures. All rights reserved.

Die Abbotts scheinen eine von nur wenigen Familien, die es in der überschaubaren Gegend überlebt haben (des Nachts sieht man mal von einem Getreidesilo aus hier und da Feuer wie eine dezente Hoffnung und Bestandsaufnahme). Und eine wichtige Hilfe dabei war es wohl, dass sie eine gehörlose Tochter haben (ich werde in dieser Kritik keine Rollennamen benutzen, weil man die allesamt erst im Nachspann erfährt) und dadurch lernten, sich über Gebärdensprache zu verständigen.

Nach ungefähr zwanzig Minuten des Films ging mir auf, dass man A Quiet Place auch mit herunter gedrehter Lautstärke zu vielleicht 95% verstehen würde. Am Anfang hörte man im Kino noch jemanden Nachos schmatzen, doch nach kurzer Zeit hatte der die entweder alle runtergeschlungen oder ihm wurde bewusst, dass er in der Stille, die man sonst nur bei Stummfilmen im Arsenal erlebt, unangenehm auffiel.

A Quiet Place (John Krasinski)

© 2018 Paramount Pictures. All rights reserved.

Später im Film greift man mehrfach auf die gern unheilvoll wummernde Filmmusik von Marco Beltrami zurück (die ein bisschen nervte), und manche der dann doch irgendwann entstehenden Geräusche funktionieren stumm natürlich ein wenig anders, aber das filmische Erzählen über das rein (oder vorwiegend) Visuelle ist heutzutage so ins Hintertreffen gekommen (im Fernsehen rezipiert man ja fast nur bebilderte Hörspiele), dass der Film eine mittelschwere Offenbarung ist.

Außerdem hat das Drehbuch einige göttliche Einfälle. Im Presseheft erklärt Regisseur John Krasinski, der hier erstmals mit seiner Ehefrau Emily Blunt zusammenarbeitet, dass die beiden in der Vorbereitungsphase des Films, gerade mit einer Neugeborenen beschenkt, bewusst mal durchspielten, wie es ist, wenn man versucht, ohne Geräusche zu leben. Und jedes Mal, wenn einer zu laut war, sagte die andere »You're dead«. Beim Überarbeiten des Drehbuchs entschied Krasinski ferner, dass jedes Mal, wenn Emily sagte »Darüber möchte ich lieber gar nicht erst nachdenken«, für ihn klar war, dass die Idee ins Drehbuch musste. Darunter dürfte beispielsweise die Idee gewesen sein, dass Frau Abbott nach einem (elliptisch) überlebten Winter hochschwanger durchs Leben watschelt. Oder durch einen blöden Zufall mitten auf der Kellertreppe ein Nagel aus der Stufe ragt, der so ziemlich das Gemeinste ist, was man sich in so einem Film vorstellen kann (und bösartigerweise scheint den im Trubel nach dem ersten Unfall auch niemand zu entfernen).

A Quiet Place (John Krasinski)

Foto: Jonny Cournoyer © 2018 Paramount Pictures. All rights reserved.

Manches im Film (etwa die Musik oder das vorherrschende Thema Familie) wurde etwas konventionell und für ein Massenpublikum gelöst, aber mit Sicherheit ist dies der beste Film, mit dem jemals Michael Bay (einer der Produzenten) etwas zu tun hatte. Die junge Darstellerin der gehörlosen Tochter (Millicent Simmonds, bekannt aus Todd Haynes' Wonderstruck) hat durch ihre tatsächliche Taubheit offenbar viel zur Ausarbeitung ihrer Figur aber auch des gesamten Films beigetragen, und auch der größere ihrer Brüder, Noah Jupe (Suburbicon, Wonder), trägt größere Handlungsabschnitte mit Bravour ganz allein. Dass Krasinski und Blunt als Eltern eine wie für sie geschriebene Rolle abliefern, hilft natürlich auch.

A Quiet Place (John Krasinski)

© 2018 Paramount Pictures. All rights reserved.

Nur einen Schnittfehler, der für etwa eine Sekunde die bereits zum Bersten aufgeladene Spannung an einer Stelle weiter anzieht, verzeihe ich dem Film nicht - ansonsten kann und sollte man sich dieses Kleinod auf jeden Fall ansehen. Und wenn ich, der mit Vorliebe seitenlang über kleine Details herummäkelt, dies sage, und mich bewusst entscheide, auf eine Bonusseite mit Logiklöchern oder Fragen, die man sich beim Film stellen könnte, zu verzichten, dann heißt das schon etwas.