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12. November 2018
Thomas Vorwerk
für satt.org


  Back to the Fatherland (Kat Rohrer & Gil Levanon)


Back to the Fatherland
(Kat Rohrer & Gil Levanon)

Österreich / Israel / Deutschland / USA 2017, »Autoren«: Anneliese Rohrer, Susan Korda, Kamera: Tom Marschall, Schnitt: Georg Eggenfellner, mit Yochanan Tenzer, Uri Ben-Rehav, Guy Shahar, Kathi Maschek, Dan Peled, Lea Ron Peled, Gidi Ron Peled, Kat Rohrer, Gil Levanon, 75 Min., Kinostart: 8. November 2018

Die Filmemacherinnen Gil und Kat kennen sich seit College-Zeiten, diesen Film haben sie ganz auf ihre unterschiedlichen Wurzeln zugeschnitten. Die aus Israel stammende Gil ist die Enkelin eines Holocaust-Überlebenden, während der Großvater der Österreicherin Kat ein Nazi-Offizier war. Die Protagonisten dieser Doku, die ähnliche Generationen umspannen, haben ebenfalls diese Zerrissenheit zwischen zwei Heimaten, der deutschsprachigen, vom Weltkrieg und seinen Greueln überschattet, und der religiösen in Israel.

»Oder auch mal umgekehrt«, wie Andreas Stullkowski immer zu sagen pflegte. Die jungen Israelis Dan und Guy, eher nominell als gelebt »jüdisch«, verließen ihre Heimat und wanderten ausgerechnet nach Deutschland bzw. Österreich aus. Und deshalb ein ganz besonderes, eher gespaltenes Verhältnis zu den Großeltern, was ansatzweise auch die Situation der Filmemacherinnen spiegelt.

Back to the Fatherland (Kat Rohrer & Gil Levanon)

Bildmaterial: fugu films

Normalerweise bin ich kein großer Fan von Dokus, die ganz auf dem biographischen oder sonstwie persönlichem Background der Filmemacher aufbauen, also von den David Sievekings und Michael Moores, die sich vor allem auch selbst vor der Kamera produzieren. Davon könnten Gil und Kat aber kaum weiter entfernt sein. Sie agieren zwar als Protagonisten auch auf der Leinwand, machen gemeinsame Gespräche zum Teil ihres Films, bleiben dabei aber immer zurückhaltend, fast schüchtern und zeigen sich viel deutlicher über ihre Tätigkeit hinter der Kamera als über die eigenen Auftritte, die vor allem das Gezeigte, aus disperaten Facetten bestehende Material miteinander zu verankern, das Thema des Films deutlicher auszuarbeiten.

Ich kenne (über ihre Werke) viele Dokumentarfilmer, die den Zündfunken dieses Films mit einer Ich-Erzählung als Voice-Over inszeniert hätten. Gil selbst will nach Berlin ziehen und fürchtet sich vor der Reaktion ihres Großvaters Yochanan, der aus nachvollziehbaren Gründen nicht besonders gut auf die Deutschen zu sprechen ist. Diese »Urzelle« des Films wird zwar an den Anfang gestellt, aber dennoch bekommen die einzelnen Geschichten Raum, sich allein zu entwickeln. Und Kat und Gil suchten für ihren Film andere Auswanderer. Was man aber erst im Verlauf des Films langsam zusammensetzt (zumindest war es bei mir so), hier wird nicht die chronologische »Suche« an den Anfang gestellt, sondern die einzelnen, lose miteinander verbundenen Einzelschicksale prägen die Form des Films. Ist vielleicht blöd, wenn ich das so formuliere, aber für mich hat das etwas von Respekt vor der dokumentarischen Form. Der Film als Ganzes überzeugt mich, die beiden Filmemacherinnen drängen sich nicht in den Vordergrund. Auch, wenn sie bereits in der allerersten Einstellung alles ganz gezielt formen.

Back to the Fatherland (Kat Rohrer & Gil Levanon)

Bildmaterial: fugu films

Was den Film auch trägt, sind die Protagonisten. Wenn der in Berlin lebende Künstler Dan seine 91jährige Großmutter skizziert - und diese ihn -, sieht man eine deutliche familiäre Linie (habe ich persönlich fast nie so in meiner Familie wahrgenommen), und wenn Dan und das Filmprojekt Lea zurück in ihre alte Heimatstadt Wien bringen, öffnet dies natürlich alte Sehnsüchte und Wunden. Ähnlich ist es beim glücklich liierten Guy, den die Liebe nach Salzburg führte. Dessen Großvater Uri, mit 15 aus Theresienstadt befreit, verbindet eine seltsame Hassliebe mit Österreich, wie man vor allem im Zusammenhang mit Eisenbahnen sieht. Seine Modelleisenbahn in Israel findet seine Entsprechung beim bevorzugten Zeitvertreib in Österreich. Die Verbindung zwischen Guy und Uri ist nicht so deutlich und sinnfällig wie zwischen Dan und Lea - aber dennoch sehr interessant.

Nebenbei setzt der Film auch noch seine jüngeren Protagonisten in einen Zusammenhang zu den aktuellen politischen Entwicklungen in Europa, dem grassierenden Nationalismus und mühsam kaschierten Fremdenhass bestimmter Bevölkerungsschichten (nicht, dass die Lage in Israel irgendwie erfreulicher wäre...), der eifrig diskutiert wird (»the Holocaust keeps Israel from looking into the future!«). Dadurch verkommen aber die Erzählungen der Zeitzeugen nicht einfach zu historischen Elementen des »Opfer-Narrativs«, sondern gewinnen an Aktualität, die Erfahrungen von Enkelkindern und Großeltern ergänzen sich auf eine schwer fassbare, fragile Weise.

Back to the Fatherland (Kat Rohrer & Gil Levanon)

Bildmaterial: fugu films

Back to the Fatherland hat einen etwas reißerischen Filmtitel (natürlich durch die für das Wort »Fatherland« gewählte Schriftart noch verschärft) und der nur 75 Minuten lange Film behält auch eine gewisse Skizzenhaftigkeit, doch diese passt erstaunlich gut zum Thema. Hier werden mehr Fragen gestellt als Antworten geliefert, aber man kann auch kaum endgültige Antworten erwarten und freut sich über die Denkansätze.

Ein kleiner leiser Film, dem man aber die Liebe anmerkt. Zur Familie, zur Heimat und nicht zuletzt auch zum Medium.