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7. August 2019
Thomas Vorwerk
für satt.org


  So wie du mich willst (Safy Nebbou)


So wie du mich willst
(Safy Nebbou)

Frankreich 2019, Originaltitel: Celle que vous croyez, Buch: Safy Nebbou, Julie Peyr, Lit. Vorlage: Camille Laurens, Kamera: Gilles Porte, Schnitt: Stèphane Pereira, Musik: Ibrahim Maalouf, mit Juliette Binoche (Claire Millaud), Nicole Garcia (Dr. Catherine Bormans), François Civil (Alex Chilly), Marie-Ange Casta (Katia), Guillaume Gouix (Ludovic Dalaux), Jules Houplain (Max), Jules Gauzelin (Tristan), Charles Berling (Gilles), Claude Perron (Solange), 101 Min., Kinostart: 8. August 2019

Claire (Juliette Binoche) hat zwei Kinder und ist geschieden, hat aber eine Affäre mit einem jüngeren Man, Ludo (Guillaume Gouix). Als der sie meidet, nimmt sie unter falscher Identität virtuellen Kontakt mit dessen Mitbewohner Alex (François Civil) auf. Sie nennt sich jetzt Clara und gibt vor, halb so alt zu sein.

Der Film schildert dies einerseits als die Fantasie / das Trauma einer alternden Frau, erzählt bei Besuchen bei einer Psychiaterin (Nicole Garcia), wobei trotz der quasi unüberbrückbaren Lügengeschichte in langen Telefonaten echte Gefühle entstehen, gleichzeitig sind die interessantesten Momente der etwas hanebüchenen Geschichte, die ein paar Volten zu viel schlägt, jene, die sehr humorvoll mit der Situation umgehen. Wenn etwa Alex Clara im Chat fragt, ob sie kein Instagram habe, muss Claire, kurz in Panik, erst mal googlen, was das ist. Und als sie ihre Kinder wo abholen soll, die Autofahrt aber für ein Telefonat mit ihrem Schwarm nutzt, verleugnet sie quasi ihre Kinder und fährt auf einem Parkplatz immer wieder an ihnen vorbei, weil sie weiß, dass sie diese Gesprächssituation nicht in Anwesenheit der Söhne fortführen kann, ohne sich für beide Seiten auf eine Art zu entblößen, für die sie noch nicht bereit ist.

Juliette Binoche als 50jährige Geschiedene Claire mit zwei Kindern gibt sich im Netz als 24jährige Clara aus und erlebt eine große Liebe mit dem Problem, dass sie ihren Alex nicht treffen kann ohne dass ihre Lüge auffliegt. Frauendrama, Komödie oder Thriller mit Realitätsebenen - das ist hier die Frage.

So wie du mich willst (Safy Nebbou)

© Alamode Film

Wenn man die gesamte Geschichte ernst nimmt (was mir nicht leicht fiel), besteht das zentrale Dilemma von Claire darin, dass sie eine Figur erschafft, die sie selbst mit Leben ausfüllt, die aber gleichzeitig ihre größte Rivalin ist, ihr »Feind Nr. 1«. Es gibt aber keine größere Rivalin als eine, die nicht existiert. Clara repräsentiert Jugend und Makellosigkeit (sie schickt Alex sogar ein Foto, auf dem Claires »body double« lasziv tanzt) - und dadurch ist eine reale Beziehung zum Scheitern verurteilt.

Das »Nichtentstehen« dieser Beziehung bestimmt den Großteil der Erzählung. Alex will sie überraschen und ortet sie über ihr Handy, sie schlägt ein Treffen vor und beobachtet ihn unerkannt - wobei die prägende Erkenntnis dieser Nicht-Treffen für sie ist, dass sie für Alex zur Gruppe jener Frauen gehört, die jüngere Männer quasi gar nicht mehr wahrnehmen - was durch die Darstellung durch Juliette Binoche noch an Tragik für Zuschauerinnen gewinnt.

So wie du mich willst (Safy Nebbou)

© Alamode Film

Es geht im Film auch viel darum, wie die aufkeimende Beziehung Claire neuen Lebensmut gibt, wie sie aber am Nicht-Zusammen-Kommen (abgesehen von Telefonsex) zu zerbrechen droht.

Und dann kommen Aspekte der Geschichte hinzu, die quasi einen Thriller entstehen lassen sollen, den Regisseur Safy Nebbou irgendwo zwischen Rashomon und Vertigo ansiedeln würde. Und wenn der Film sich dann entwickelt, als sei das Drehbuch eine Zusammenarbeit von M. Night Shyamalan und François Ozon (ein Buch, das Claire schreibt, eröffnet noch eine zusätzliche Realitäts- bzw. Fantasie-Ebene), dann wird das Ganze für mich noch stärker zu einer Art absurden Komödie, wobei nichts weniger funktioniert als die vermeintlich authentischen Gefühle, die immer wieder durch einen narrativen Fleischwolf gedreht werden.

So wie du mich willst (Safy Nebbou)

© Alamode Film

Wobei meine Sicht auf den Film trotz der nur sehr eingeschränkt eingenommenen »intendierten Perspektive« dennoch durchaus auf dem Unterhaltungs-Level funktioniert, nur eben mit einer deutlichen Distanz zur gesamten Situation und den mitunter sehr seltsam agierenden Figuren (besonders Claire im Zentrum, die zunächst noch die Fäden in Händen hält, dann aber immer stärker die Kontrolle verliert).

Manche Teilaspekte wie Claires Auftreten als Literaturdozentin (Choderlos de Laclos darf natürlich nicht fehlen!) oder die Rahmenhandlung mit der Therapiesitzung wirkten für mich besonders prätentiös oder irregeleitet, selbst wenn sie aus einem bestimmten Blickwinkel durchaus eine Funktion erfüllen.

So wie du mich willst (Safy Nebbou)

© Alamode Film

Das größte Problem war für mich glaube ich, dass die Twists und Überraschungen der Geschichte keinen wirklichen Mehrwert verliehen, während sie jenen Aspekt des Psychogramms einer Frau fernab ihrer Jugend, wie er in den Händen eines anderen Regisseurs (oder besser, einer Regisseurin) hochinteressant hätte werden können, quasi des durchaus möglichen impacts beraubten. Ich bin mir zwar gar nicht mal sicher, ob mir ein solcher, komplett unterschiedlicher Film automatisch besser gefallen hätte, aber da wäre zumindest das Potential eines als Ganzen funktionierenden Werkes gegeben.

Wobei die (für mich) »reine Unterhaltungsfassung« mit deutlichen Problemen trotz allem noch den durchaus sehenswerten Bereich streifte.