Endzeit
(Carolina Hellsgård)
Deutschland 2018, Drehbuch, Comic-Vorlage: Olivia Vieweg, Kamera: Leah Striker, Schnitt: Ruth Schönegge, Julia Oehring, Musik: Franziska Henke, mit Gro Swantje Kohlhof (Vivi), Maja Lehrer (Eva), Trine Dyrholm (Gärtnerin), Barbara Philipp (Heimleitung), Axel Werner (alter Mann), Amy Schuk (Renata), Muriel Wimmer (Isabelle), Yuho Yomashita (Brautzombie), 90 Min., Kinostart: 22. August 2019
»Ein maximalistisches Buddy-Movie« nennt die Regisseurin ihr Werk, und nach dem Prinzip »Thou dost protest too much« legt sie damit schon deutlich offen, dass man den Begriff »minimalistisch« unbedingt umgehen will.
Ein Zombie-Film im Low-Budget-Bereich kann funktionieren, dafür gab es auch nach dem Genre-Begründer Night of the Living Dead diverse Beispiele. Auch gegen einen ökologischen oder parabelhaften Zombie-Film spricht nichts, oder gegen eine Comic-Adaption. Und ein Film, der fast ausschließlich von einem weiblichen Cast und Team getragen wird - das ist sogar ein hehres, unterstützungswürdiges Ziel.
Leider ist man trotz früher Auszeichnung des Drehbuchs der Comic-Autorin Olivia Vieweg weit entfernt davon, diesen Film auf irgendeiner Ebene als Erfolg zu umschreiben. Die ökologische Parabel funktioniert noch am ehesten. Ich habe vom Comic nur den Ausschnitt zum Gratis-Comic-Tag in diesem Jahr gelesen, und ich kann mir daraufhin durchaus vorstellen, wie die Freundschaft zwischen Vivi und Eva funktioniert, wie das »vegetative« Element der Zombie-Seuche funktionieren kann. Das Medium Comic hat hier auch den deutlichen Vorteil, dass man über gelungene graphische Elemente als Comicleser dankbar ist und skizzenhafte Ellipsen in der Handlung viel eher schlucken mag, während etwa die Grundprämisse, dass einzig Weimar (Wohnort der Comiczeichnerin) und Jena von der Zombiekalypse verschont blieben auf der großen Leinwand schon etwas absurd anmutet.
© Anke Neugebauer / Grown Up Films / ZDF
Der Comic hat als Medium den riesigen Vorteil, ein komplett uneingeschränktes Budget zu haben. Alles was man ersinnen und zeichnen kann, kann hier die Handlung bestimmen. Riesige Drachen, Raumschiffe, Massenszenen, Spezialeffekte, auf den Hinterbeinen gehende Ziegen, alles kein Problem. Und wenn in einem Zombie-Comic wenige Zombies auftauchen, ist das die Entscheidung der Künstlerin und wird keineswegs als Makel ausgelegt, sondern als selbstgewähltes Freistellungsmerkmal.
Mein über das Gratisheft entstandener Eindruck vom Comic Endzeit ist, dass man auch in der Langversion in medias res beginnt, die Freundschaft zwischen Vivi und Eva sich bereits entfaltet während die beiden alleine durch die Thüringer Provinz staken und alle Nase mit Zombieattacken rechnen müssen. Für Comics ist es auch fast typisch (gerade etwa bei den Marvelklassikern), mittendrin zu beginnen, den Leser früh hineinzuziehen und dann später das Grundgerüst der Handlung nachzuliefern. Für den Film hat man sich leider anders entschieden und liefert zunächst den Background der beiden Protagonistinnen sowie der postapokalyptischen Welt, in der sie Leben.
© Anke Neugebauer / Grown Up Films / ZDF
Das erschwert sehr die Identifikation mit den Hauptfiguren, aber auch das Einsteigen in diese Fantasiewelt. Drei, vier Einstellungen von deutschlandweit bekannten Standbildern in Weimar (so literarisch kommt kein Zombiefilm daher) können nicht mithalten mit beispielsweise Danny Boyles frühmorgens geschossenen Impressionen der Londoner Innenstadt in 28 Days Later. An jeder Ecke wird einem das begrenzte Budget vor Augen geführt. Und mittendrin lernt man die eher begrenzt lebensfähige Vivi kennen, gestützt von suboptimalen Schauspielleistungen (die Chefin der Geschlossenen) und hölzernen Dialogen. Dann früh ein Einblick in Vivis zentrales Trauma, Ähnliches wird auch bei Eva später mitgeliefert.
Im Presseheft heißt es, Eva hätte ein »Image als furchtlose Zombie-Killerin«, selbst mit viel Fantasie wird dieser Eindruck im Film nicht erreicht. Ganz im Gegenteil, gleich in der Kennenlern-Szene sticht Eva nur durch ihre Unprofessionalität hervor. Wie sie von der Anführerin heruntergeputzt wird, mag übertrieben wirken, aber sie fällt nur durch ihre Fehler auf, die in solch einer Situation gleich mal die Reste der Menschheit dahinraffen können. Vivi ist im direkten Vergleich zwar noch deutlich ungeschickter, aber leider fällt der gesamte Film immer dadurch auf, wo etwas nicht funktioniert.
© Leah Striker / Grown Up Films / ZDF
An dieser Stelle komme ich mal zu meinem Lieblingsvorwurf. Ein Zombiefilm muss nicht von Splattereffekten durchsetzt sein. Sicher, das sind Grundmerkmale des Genres, aber es spricht ja nichts dagegen, sich von diesen loszulösen. Das kann sogar ein Statement zu geschlechterspezifischen Sehkonventionen sein. In Grenzen wird in Endzeit ja auch versucht, das zivilisatorische Scheitern als Chance zu präsentieren, à la Richard Mathesons I am Legend, wo die Hauptfigur irgendwann realisiert, dass es keinen Sinn macht, gegen die Evolution anzukämpfen (siehe auch die X-Men, auch wenn die »Gegenspieler« der Menschheit sich dort Mühe geben, nicht als Gefahr wahrgenommen zu werden).
Früh in Endzeit merkt man, dass man auf Splattereffekte verzichtet, lieber die »Mauerschau« bevorzugt, die gerade in Horrorfilmen ja eine lange Tradition hat und viele der größten Erfolge des Genres unterstütze (etwa Jacques Tourneurs Cat People, wo ein paar Schatten weitaus wirkungsvoller sind als die gesammelten Schaueffekte in der Schrader-Version mit der oft textilfreien Nastassja Kinski). Nur funktioniert der weitreichende Verzicht auf Stunt-Koordinatoren und Maskenbildner hier nicht, weil Inszenierung und / oder Schnitt hier deutlich überfordert sind, die entsprechenden Szenen schlüssig darzustellen. Das wirkt hier manchmal wie das Filmprojekt aus dem Kunstunterricht einer neunten Klasse (damit kenne ich mich aus).
Aber über die specifics des Genres hinaus funktioniert hier vieles nicht. Es ist ja toll, wenn die schwedische Regisseurin die connections hat, Trine Dyrholm für eine kleine Rolle zu gewinnen... aber auch Trine Dyrholm, die ich seit Jahrzehnten verehre, kann nicht für zwei Drehtage plötzlich lernen, perfekt deutsch zu sprechen. Und wenn sie sich dann durch ihre Dialoge radebricht, geht der Eindruck ihres geschulten intensiven Blickes bei all den pseudophilosophischen Weisheiten, die sie von sich gibt, augenblicklich wieder verloren.
© Anke Neugebauer / Grown Up Films / ZDF
Es ist ja eine tolle Sache, wenn Frauen beweisen, dass sie auch nahezu ohne Männer einen Film drehen können, aber der Effekt wäre deutlich gelungener (und pädagogisch wertvoller), wenn das Resultat dann überdurchschnittlich ausfallen würde (und nicht abschreckend).
Im Kern erkennt man gute Ansätze und viel Ambition, aber zu vieles in diesem Film ist einfach misslungen, insbesondere die Musik und der Schnitt, aber auch viele Dialoge erschweren es einem sehr, sich für diese Geschichte zu interessieren.
Meine Lieblingsszene (mit Abstand!) im Film zeigt den Schatten einer schaukelnden Hängematte auf dem abendlichen Waldboden. Da hatte ich mal kurzzeitig das Gefühl, dass man eine Idee hatte und diese auch zur allgemeinen Zufriedenheit umsetzen konnte. Was hier in 90 Minuten nur äußerst selten geschah.