Léon -
Der Profi
[Director's Cut]
(Luc Besson)
Frankreich / USA 1994, Originaltitel: Léon, Intern. Titel: The Professional, Buch: Luc Besson, Kamera: Thierry Arbogast, Schnitt: Sylvie Landro, Musik: Eric Serra, mit Jean Reno (Léon), Natalie Portman (Mathilda), Gary Oldman (Norman Stansfield), Danny Aiello (Tony), Peter Appel (Malky), Ellen Greene (Mathildas Mutter), Michael Badalucco (Mathildas Vater), Elizabeth Regen (Mathildas Schwester), Carl J. Matasovich (Mathildas Bruder), Lucius Wyatt »Cherokee« (Tonto), 136 Min., Kinostart: 30. September 2019
Seit 1994 führe ich Buch darüber, was jeweils meine (mindestens) liebsten 20 Filme des Jahres waren. 1995 landete Léon auf dem 16. Platz, immerhin knapp vor David Finchers Seven, der mir eine Spur zu sehr in seinem Production Design schwelgt. Die version integrale aka der Director's Cut lief hierzulande im Folgejahr an, ob ich den damals schon gesehen habe, mag ich nicht beschwören (ich arbeitete damals noch handschriftlich bzw. mit einer elektrischen Schreibmaschine, wenn es um Texte ging), so oder so möchte ich auch definitiv nicht beschreien, was die Unterschiede zwischen den beiden Versionen ausmacht, es sind halt gut zwei Jahrzehnte zwischendurch verstrichen.
Auf jeden Fall sollen 26 Minuten wiedereingefügt worden sein, was den Actiongehalt zu Gunsten der Charakterisierung und der ungewöhnlichen Paar-Konstellation zwischen dem Berufskiller Léon (Jean Reno) und der zunächst 12jährigen Mathilda (Natalie Portman) entzerrte.
© 2019 Studiocanal GmbH.
Damals wurden selbst blutrünstige Actionspektakel mitunter noch anders inszeniert, Luc Besson war noch ein talentierter junger Wilder, der leichte Größenwahn hat sich allenfalls abgezeichnet... dass sich in seiner späteren Karriere als Action-Produzent (Taxi-Serie) und Spektakel-Regisseur (The Fifth Element, Arthur & die Minimoys) abgesehen von seinen manchmal seltsamen Vorstellungen, was Liebe ist, vor allem die oberflächlicheren Merkmale durchsetzten, war nicht unbedingt schon festzumachen. Immerhin drehte Besson mit Le Grand Bleu noch kurz zuvor einen fast philosophischen, sehr europäischen Film, der aber bereits den Trend zum Crowdpleaser im Inszenierungsstil hoch ansetzte.
© 2019 Studiocanal GmbH.
Wenn man Léon 25 Jahre nach der Erstellung wiedersieht im Kino, fällt vor allem auf, wie die Gewalt gezielt dosiert eingesetzt wird. Mathildas Familie (laut Fischer Film Almanach eine »italienische Großfamilie«) wird von Gary Oldman und seinen Schergen gewissenlos exekutiert, aber einzig bei der Mutter (Ellen Greene, die Audrey aus Little Shop of Horrors, in einer viel zu kleinen Rolle) arbeitet Besson mit dem Filmblut wie Jackson Pollack, der Rest verläuft eher zurückhaltend (was auch als Kontrapunkt zum späteren überzogenen Showdown zu sehen ist).
Hauptfigur Léon ist zwar bei der Ausführung seines Jobs als »Cleaner« auch nicht gerade zimperlich, hat aber einen Grundsatz, der ihn von Oldmans Stansfield, einer Karikatur eines Psychopathen, unterscheidet: »Keine Frauen, keine Kinder«. Als Mathilda von einem Einkauf zurückkommt, an der Wohnungstür ihrer dahingemetzelten Familie vorbeigeht und die Klingel des ihr nur aus zwei, drei Treppenhausgesprächen bekannten Nachbarn drückt, kann sie mit ihrer Todesangst erstmals ihre Schauspielkunst präsentieren. Kollege Andreas Platthaus formulierte es einige Jahre später so: »So gut wie in Léon wird Natalie Portman nie wieder spielen. Nie wieder.« Ihr jüngster Film Vox Lux scheint dies mit Vehemenz zu bestätigen.
© 2019 Studiocanal GmbH.
Nicht alles an Léon ist großartig, gerade die »Liebe« zwischen dem bedingt gesellschaftsfähigen Léon und seiner frühreifen Schülerin im Killergewerbe führte schon damals zu Kontroversen und wirkt aus heutiger Sicht noch abgedrehter.
Auch die Materialschlacht am Ende des Films ist nicht jedermanns Ding, aber dafür gibt es auch einige tolle Momente, die man so heutzutage nur noch sehr selten im Kino sieht.
© 2019 Studiocanal GmbH.
Der Slapstick-Humor bei einem Ratespiel wird etwa auf sehr eindringliche Art unterstützt von der Musik von Eric Serra, der vor allem, wenn er sich auf ein Instrument beschränkt und scheinbar improvisiert, seine Kunst äußerst wirkungsvoll einsetzt.
Was mich aber am stärksten ergriff und an vergangene Zeiten zurückdenken ließ, war der Filmabspann, zwar als crawl, aber mit Buchstaben aus einer Zeit, als Fernseher noch klein und analog waren, man aber sicherstellen wollte, dass man die Filmcrew auch auf der dritten Video-Kopie noch lesen konnte. Ein Hinweis an die Spätgeborenen: Damals liefen Filmabspänne noch ganz normal im Fernsehen, nicht nur auf Spartensendern wie Arte. Und da gab es auch noch mehr Leute, die einem Film die Ehrerbietung gönnten, ihn bis zum Schluss zu sehen. Auch, wenn man nicht eine Fitzelszene am Ende eines Marvel-Blockbusters erwartete.