Der Leuchtturm
(Robert Eggers)
USA 2019, Originaltitel: The Lighthouse, Buch: Robert Eggers, Max Eggers, Kamera: Jarin Blaschke, Schnitt: Louise Ford, Musik: Mark Korven, Kostüme: Linda Muir, Szenenbild: Craig Lathrop, mit Robert Pattinson (Efraim Winslow), Willem Dafoe (Thomas Wake), Valeriia Karaman (Mermaid), 99 Min., Kinostart: 27. November 2019
The Witch, den Debütfilm des Regisseurs Robert Eggers, habe ich noch nicht nachgeholt, aber zumindest viel Gutes drüber gehört. Sein zweites Werk geht als schwarzweißes Kammerspiel zumindest oberflächlich / marketingtechnisch in eine andere Richtung, versammelt aber das selbe Team hinter den Kulissen.
Ich habe nicht damit gerechnet, aber wenn man zu lange zu viele Filme schaut, stumpft man gegen vieles ab. Sogar gegen Filmkunst. Noch vor zehn Jahren hätte ich einen Schwarzweiß-Film irgendwie viel spannender gefunden, hätte mich womöglich über das schmale Bildformat als etwas Ungewöhnliches gefreut. Doch irgendwie ist ein fast quadratisches Bildformat als Ausdrucksform einer gewissen Klaustrophobie eine schon konventionelle Herangehensweise geworden - vorausgesetzt, man bewegt sich im Bannkreis von Filmemachern, die auf das Mainstreampublikum pfeifen und sich anderswo situieren wollen.
© Universal Pictures International
The Lighthouse ist mir eine gewaltige Spur zu prätentiös, der Film gibt zu sehr an mit seinen oft guten Entscheidungen, wirkt auf mich aber wie eine seltsame Mixtur aus frühen Werken von Lars von Trier (vor allem Europa, wenn auch ohne die Farbeinblendungen, die man inzwischen selbst Spielberg nicht mehr durchgehen lassen würde), durchmischt mit fernen Echos von Bela Tarr, Darren Aronofski und Guy Maddin.
Und so ist auch alles überfrachtet bis zum Gehtnichtmehr, insbesondere die Tonspur, in der die Wellen klatschen, der Kiel durchs Wasser prescht, die Möwen kreischen, der Wind durch alle Ritzen pfeift, der Soundtrack mitunter klingt, als gebe ein Schifferklavier seinen letzten Atem von sich. Und wenn da irgendwo noch ein Fitzelchen akustischer Raum bleibt, vertraut man auf ein Nebelhorn, das wie ein Löffel Schokoladenpudding ganz sicher noch dazwischen passt.
© Universal Pictures International
Ein seltsam verschiedenes Pärchen von Matrosen (Robert Pattinson und Willem Dafoe), das auch schon mal an Laurel und Hardy aus der Hölle erinnert, piesackt und quält sich wie einst Edward Norton und Brad Pitt. Wobei insbesondere der Ältere den Jungen triezt wie einen niederen Handlanger, der immer die unangenehmen Jobs erledigen muss, während der Gevatter sich vor allem um das Licht des Leuchtturm kümmert, sich bei diesem vermeintlich schwierigeren Job aber bevorzugt von besagtem Licht bescheinen lässt, sich einsamen Ausgleichspraktiken hingibt und sich vielleicht sogar in irgendein anderes Wesen verwandelt.
Denn im Alphabet der literarischen Vergleiche / Vorlagen findet man den Leuchtturm zwischen K wie Kafka und M wie Melville, also mit dem selben Anfangsbuchstaben wie Lovecraft. Somit vertreiben sich die beiden Verdammten die wenige Freizeit neben Furzen, Wichsen und Saufen auch gern mit Grundsatzdiskussionen über Unglücksboten. So bringt es zum Bleistift unglaublich viel Pech, einen Seevogel zu töten (»Weh mir Zweifler, dass ich schoss / den Schicksalsvogel Albatross«), selbst wenn einen diese einäugige Möwe bis zur Weißglut ärgert.
© Universal Pictures International
Irgendwann verdichten sich alle Halluzinationen wie von der zwar barbusigen, aber irgendwie gruseligen Meerjungfrau zu einem Inferno à la Overlook (nur echt mit der Axt), das man nur noch mit Humor ertragen kann. Tief in mein Hirn hineingekratzt hat sich etwa die lange Einstellung, in der im Brackwasser des überschwemmten Leuchtturms in Großaufnahme ein Eimer schwimmt, in den einer der Matrosen mehr schlecht als recht reinzupinkeln versucht, ehe er auf die Knie fällt und die nächste Körperflüssigkeit dann noch ungezielter von sich gibt.
Irgendwo dazwischen werden dann auch die beiden Schicksale und Lebenslügen der beiden unglücklichen Leuchtturmwärter von einem Schlaglicht beleuchtet. Ein scheinbar nie endendes Elend, das der geneigte Kinogänger als große Kunst verordnen mag - oder irgendwie anders durchlebt und sich an den sparsamen Humor klammert wie einst Ishmael an Queequegs Sarg. Die beiden großartigsten Beispiele für diesen Galgenhumor, der verzweifelt versucht, noch etwas zu retten:
© Universal Pictures International
Matrose 1: »If I had a steak, a raw, bloody steak ... I would fuck it!«
Matrose 2: »You don't like my cooking...?«
Oder noch pointierter: der eine hebt an zu einer mehrere Sätze anhaltenden Schimpfkanonade mit allen blumigen four-letter words, die er je gehört hat - und der andere attestiert lakonisch »You have a way with words.«
Ob Robert Eggers auch einen vergleichbaren Zugang zur Filmkunst hat, möchte ich nach diesem einen Film noch nicht entscheiden. Für meinen Geschmack wäre weniger (Brimborium aka Filmkunst) auf jeden Fall mehr gewesen.