Little Women
(Greta Gerwig)
USA 2019, Buch: Greta Gerwig, Lit. Vorlage: Louisa May Alcott, Kamera: Yorick Le Saux, Schnitt: Nick Houy, Musik: Alexandre Desplat, Kostüme: Jacquline Durran, Production Design: Jess Conchor, mit Saoirse Ronan (Josephine »Jo« March), Emma Watson (Margaret »Meg« March), Florence Pugh (Amy March), Eliza Scanlen (Elizabeth »Beth« March), Timotheé Chalamet (Theodore »Laurie« Laurence), Laura Dern (»Marmie« March), Louis Garrel (Friedrich Bhaer), James Norton (John Brooke), Meryl Streep (Aunt March), Tracy Letts (Mr. Dashwood), Chris Cooper (Mr. Laurence), Bob Odenkirk (Robert March), 134 Min., Kinostart: 30. Januar 2020
Als Greta Gerwig noch einfach nur eine Schauspielerin war, störte mich an ihr etwas, dass sie immer sehr ähnliche Rollen spielte und gleichzeitig dabei von einer gewissen Klientel über Gebühr abgefeiert wurde.
Nun, wo sie sich immer mehr auf ihre Rolle auf Regisseurin (und Autorin) konzentriert, habe ich einen tieferen Respekt für sie entwickelt, weil sie ganz unterschiedlich auf gewisse Sujets eingeht und ganz konkret versucht, daraus eigenständige durchaus persönliche Projekte zu entwickeln.
Der Roman Little Women von Louisa May Alcott ist in den USA ein absoluter Klassiker, insbesondere als »novel for girls«. Entsprechend gibt es auch gefühlt alle 10-15 Jahre eine neue Verfilmung (auch, wenn die Fernsehfassungen in Deutschland nicht unbedingt so bekannt sind wie die Kinofilme). Die letzte Leinwandfassung (1994, hierzulande unter dem Titel Betty und ihre Schwestern) hatte noch Winona Ryder, Kirsten Dunst und Claire Danes in den Rollen einiger der Schwestern - und den jungen Christian Bale als Nachbarjungen Laurie! Hat mich seinerzeit nicht soo weggehauen, muss ich zugeben.
© 2019 Sony Pictures Entertainment
Greta Gerwig hat den Stoff mit sanfter Hand etwas moderner dargestellt, sich aber vor allem zwei interessante Kunstgriffe überlegt. Alcotts Roman erschien einst in zwei Teilen (1868/69), wie es damals weitverbreitet war. Entsprechend bauten die beiden Teile chronologisch aufeinander auf, erst geht es um das Leben der March-Schwestern, als sie so 12 bis 16 waren, im zweiten Teil sind sie dann im Verlauf der Geschichte im heiratsfähigen Alter.
Greta Gerwig bringt schon sehr früh im Film eine Einblendung »seven years later« und nötigt dem Publikum fortan ab, aktiv mitzudenken, was das Ganze irgendwie spannender erscheinen lässt, weil man einfach aufmerksamer sein muss, um die doch etlichen plot lines nicht etwa durcheinanderzubringen.
Zwar muss Gerwig als Autorin hier etwas tricksen, um gewisse Veränderungen (kommt der Vater zurück aus dem Bürgerkrieg?) nicht zu früh auszuposaunen, aber das funktioniert schon ziemlich gut.
© 2019 Sony Pictures Entertainment
Zum zweiten hat Gerwig einen feministisch angehauchten Metatext ergänzt. Hauptfigur Jo (Saoirse Ronan, hier zum vierten Mal oscarnominiert nach Atonement, Brooklyn und Lady Bird) wird schon sehr früh das »Opfer« des Verlegers Dashwood (Tracy Letts, wie immer großartig), der keinen Hehl daraus macht, dass er nichts von gleicher Bezahlung für Frauen hält, und der rigoros in ihren Geschichten herumstreicht und ihr gerne die wichtigsten Regeln der Literatur erklärt. Etwa über weibliche Hauptfiguren: »She's married at the end. Or dead. One of these. Or both.«
Da Little Women im Werk von Louisa May Alcott eine wichtige Rolle spielt, weil sie nach mehreren eher reißerischen Romanen (im Film bei Jo wirken die eher wie Kurzgeschichten) autobiographische Elemente aufnahm und mit ihrer »eigenen Stimme« auch weitaus erfolgreicher wurde, erlaubt sich Gerwig hier einen doppelten Kunstgriff. Zum einen schreibt Jo im Verlauf des Films ein Buch, dass schließlich unter dem Titel Little Women veröffentlicht wird. Und dabei »Louisa May Alcott« auf dem Buchcover verlauten lässt. Was ein wenig die Story »hinter« dem Buch und die nunmehr doppelt bearbeitete Fiktion zusammenschmelzen lässt...
© 2019 Sony Pictures Entertainment
Außerdem unterscheidet Gerwig zwischen der vermeintlichen »Realität« und dem Buchinhalt, indem sie gegen Ende impliziert, dass der Schluss der Geschichte zum Teil eine Konzession der Autorin an die etwas frauenfeindlichen, aber aus ökonomischer Sicht durchaus sinnvollen »Vorschriften« des Verlegers ist. Dass ist eine Version des alten Sprichworts »You can't have you cake and eat it«, denn zum einen kann Gerwig so die etwas, sagen wir mal »rührseligen« Aspekte des bei Millionen Leserinnen liebgewonnenen Buches beibehalten, liefert aber gleichzeitig eine Art kritischen Kommentar, dem man sich anschließen kann, wenn man es lieber etwas moderner mag. Und schon kann man zwei verschiedene Klientel bedienen, die sich nach dem Film bei einer etwaigen Diskussion auch nicht automatisch Spinnefeind sein müssen.
Der Ansatz ist also ziemlich gelungen, die Darstellungen sind durchweg hervorragend (auch, wenn ich es bedenklich finde, dass den besten Eindruck auf mich die alten Kerle Tracy Letts und Chris Cooper machten - aber zumindest Florence Pugh ist als verliebter Backfisch durchaus eines Oscars würdig), als Meckern auf hohem Niveau kann ich nur einbringen, dass einige Momente der dargestellten allgemeinen Freude mich nicht ganz erreicht haben, weil ich sie überzogen fand. Und Gerwig setzt zu Beginn des Film für meinen Geschmack das Stilmittel Zeitlupe etwas zu aufdringlich ein.
© 2019 Sony Pictures Entertainment
Little Women bleibt dabei natürlich ein Stoff, der junge männliche Zuschauer vielleicht nicht so einfach erreicht wie der neue Marvel-Kram oder Jack Reacher. Aber wer je den Mut aufbrachte, sich an einen - im weitesten Sinne - Jane-Austen-Kostümfilm heranzutrauen, wird es nur selten so einfach haben wie hier. Einfach mal über den eigenen Schatten springen, mit Kino, wie ich es verstehe, hat dieser Film weitaus mehr zu tun als die mittlerweile gefühlt alle 14 Tage anlaufenden Comicspektakel, die in meinen Augen längst nicht mehr mit Event-Charakter auftrumpfen dürfen.