Eternals
(Chloé Zhao)
Originaltitel: Eternals, USA / UK 2021, Buch: Chloé Zhao, Patrick Burleigh, Ryan Firpo, Kaz Firpo, Comic-Vorlage: Jack Kirby, Kamera: Ben Davis, Schnitt: Craig Wood, Dylan Tichenor, Musik: Ramin Djawadi, Kostüme: Sammy Sheldon Differ, Production Design: Eve Stewart, Supervising Art Director: Matthew Gray, mit Gemma Chan (Sersi), Richard Madden (Ikaris), Angelina Jolie (Thena), Salma Hayek (Ajak), Kit Harington (Dane Whitman), Kumail Nanjiani (Kingo), Lia McHugh (Sprite), Brian Tyree Henry (Phastos), Lauren Ridloff (Makkari), Barry Keoghan (Druig), Don Lee (Gilgamesh), Harish Patel (Karun), Haz Sleinman (Ben), Esai Daniel Cross (Jack), Patton Oswald (Pip), Harry Styles (Eros), 157 Min., Kinostart: 3. November 2021
Damals, in den 1970ern, als Jack Kirby es leid war, immer nur Auftragsarbeiten abzuliefern, erschuf er für DC die New Gods und für Marvel die Eternals, jeweils einen Schritt weg von herkömmlichen Superhelden, und stattdessen eher klassischen Mythologien entsprechend. Teile des Publikums waren damals durchaus experimentierfreudig, aber die Zeit der Comic-Superstars, deren Namen auf dem Cover fast größer abgedruckt werden als die der Figuren, waren einfach noch nicht erreicht.
Nach einem ganzen Haufen Marvel-Filme probiert man auch im MCU mal was neues aus, nicht nur, weil die frisch mit dem Oscar dekorierte Chloé Zhao (The Rider, Nomadland) als Indieregisseurin solch ein Projekt betreut, dem aber allein, was die Besetzung angeht, ein längst nicht so exorbitantes Budget zugestanden wird. Salma Hayek und Angelina Jolie sind hier mit Abstand die größten Stars, und das Spannendste für ein Publikum, das nicht schon seit Jahrzehnten zu viel Marvel Comics liest, ist es, hier ein komplett neues Ensemble von zehn Quasi-Halbgöttern mit Superkräften kennenzulernen, die wie die Avengers 2.0 »from Zero to Hero« in einem einzigen Film eingeführt werden.
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Ein gewisses Problem hatte ich mit der Journalisten-Pflicht, sich Notizen zu machen, was nicht einfacher wird, wenn man die Darsteller nicht namentlich kennt und die Rollennamen nicht immer eine naheliegende Schreibweise hatten. Bei einer Hauptfigur bastelte ich mir den eingedeutschten »Akritz«, weil ich seinen Namen zunächst als »Icorice« verstand, also wie das englische Wort für Lakritze ohne das L zu Beginn. Später kapierte ich dann, dass der einzig flugfähige Held irgendwas mit dem griechischen Ikarus zu tun hat, aber letztlich schreibt man ihn Ikaris, worauf ich in tausend Jahren nicht gekommen wäre. Und ich glaube nicht, dass mir das bei der Synchronfassung leichter gefallen wäre, denn die Dame, die ich als Circe in meinen Notizen stehen habe, wird Sirse geschrieben... einzig mit Sprite, Gilgamesh und Kingo hatte ich weniger Probleme.
Die Filmhandlung beginnt im Jahr 5000 v.Chr. in Mesopotamien, wobei niemals erklärt wird, wieso man sich ausgerechnet dieses rückwärtsgerichtete Jubiläum des ursprünglichen Weihnachtsfestes ausgesucht hat. Eine Zeitmaschine oder prophetische Begabungen (oder auch nur ein besonderes Faible für die christliche Religion) sind nie Teil der Handlung.
Damals tauchen irgendwelche Monster aus der See auf, und man kann erstmals die Superkräfte der Eternals beobachten. Und sich mit viel Glück Namen oder Gesichter dazu merken. Der Typ, der fliegen kann, hat auch eine Art Hitzeblick, ein Mädel ist superschnell, kann aber wohl nicht sprechen, der boy called Christmas (falscher Film) ist schließlich gar kein Junge und kann seine Gestalt wandeln und andere Illusionen erschaffen, Angelina kann güldene Waffen erscheinen lassen und damit auch umgehen, Gilgamesh hat eine Art goldenen Boxhandschuh, mit dem er einen auf clobbering time macht ... undsoweiter undsofort.
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Wären nicht die Monstren, die sogenannten deviants (in den 1970ern scherte man sich noch nicht um poltical correctness) designtechnisch bloße CGI-Varianten der Monstren aus Hellboy, würde man vielleicht sogar sagen können, dass dieser Film anders sei als andere Marvelstreifen, aber der größte Unterscheidungspunkt ist, dass Menschen hier so gut wie keine Rolle spielen, und man sich nicht auch noch die Tarnnamen der Superhelden im Zivilleben merken muss (obwohl es auch davon Fälle gibt).
Die typischen Frotzeleien wie bei den Avengers funktionieren hier nur eingeschränkt, weil man ja erstmal die Charakteristika und Beziehungsdynamiken zwischen den Figuren erzählt bekommen muss. Die kennen sich alle seit 'ner guten Handvoll von Millennien, wir sind schon überfragt, wie man ihre Namen schreibt. Und dann springt die Geschichte zwischen den Jahrtausenden, immer wieder müssen Monster bekämpft werden, die in der Gegenwart mächtiger werden, schließlich kriegen wir gesteckt, dass die Erde geopfert werden soll, und dann wird alles emotionsgeladen.
Der eine Eternal (Druig) findet's ungerecht, dass man in die Konflikte der Menschheit nicht eingreifen soll, solange es nicht ums Ausmerzen der Monstren geht, ein anderer (Phastos) hat sich eine menschliche Familie zusammengebastelt (übrigens in schwul, was mal wieder als heißeste Neuigkeit gehandelt wird ... obwohl ich zugeben muss, dass es hier nicht so mickrig ausfällt wie bei Beauty and the Beast oder Star Trek Beyond). Dann gibt es noch die Petra Pan (Sprite), die nach ein paar tausend Jahren auch gern mal altern würde, hier und da gibt es auch Liebesgeschichten in unterschiedlicher Intensität. Und ein Eternal (Kingo) ist Filmfan geworden und suhlt sich in einer Jahrzehnte haltenden Bollywood-Karriere, in der er so alle zwanzig Jahre vorgibt, sein eigener Sohn zu sein (keinen Schimmer, warum das niemand gecheckt haben soll).
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Die Geschichte entwickelt sich weiter, es wird ein bisschen geheult, manche der Eternals umarmen sich gern, andere sind keine »hugger« - aber nur wenige der Figuren berühren einen. Oder unterhalten zumindest. Vieles ist einfach zu fett aufgetragen, die ganze Monsterklopperei ödet einen irgendwann an. Deviants wie auch Eternals können übrigens auch ins Gras beißen, aber letztendlich ist die ganze Mischpoke halt wie ein zu 80% konsequenzloses Familienimperium: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.
Eine der größten Veränderungen des status quo einer der neuen Figuren fällt dadurch auf, dass dadurch vor allem der Schauspielerin ermöglicht wird, im Sequel wieder mitzuspielen. Wird dem unaufmerksamen Teil des Publikums aber so verkauft, als würde sozusagen Eternals-Geschichte neugeschrieben.
Für Regisseurin Chloé Zhao kann man nur hoffen, dass sie diesen Job vor allem deshalb angenommen hat, um mit ihrer Gage ihre fünf bis sechs nächsten Indie-Filmprojekte umsetzen kann, die deutlich interessanter werden dürften. Für mich als Kinofan mit gewisser Marvel-Affinität waren sogar die Post-Credit-Sequenzen erstaunlich langweilig, weil mich a) das konkrete Sequel zu den Eternals so gar nicht interessiert und b) das involvement einer lange etablierten Marvelfigur (die ich ohne Wikipedia auch nicht hätte zuordnen können) ausgerechnet so ziemlich die IMHO uninteressanteste Marvelfigur von allen betrifft. Also noch uninteressanter als Punisher, Marvel-Sandman oder Mysterio.
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Noch zwei eher enttäuschende Superlative:
Zu den spannendsten Offenbarungen dieses Films gehört es, dass man im MCU offenbar Superman, Batman und Butler Alfred kennt, wenn sie auch fiktive Personen aus irgendwelchen Unterhaltungsmedien scheinen.
Die beste Idee des Films war vermutlich, dass eine (die spannendste) der wenigen menschlichen Figuren mal nicht jung, weiß und hübsch ist, sondern tatsächlich in ihrer Individualität repräsentativ für die Menschheit.