Jurassic World -
Ein neues Zeitalter
(Colin Trevorrow)
Originaltitel: Jurassic World Dominion, USA 2022, Buch: Emily Carmichael, Colin Trevorrow, basierend auf Figuren von Michael Crichton, Kamera: John Schwartzman, Schnitt: Mark Sanger, Musik: Michael Giacchino, Jurassic Park-Thema: John Williams, Kostüme: Joanna Johnston, Production Design: Kevin Jenkins, Supervising Art Director: Ben Collins, Visual Effects Supervisor: David Vickery, Live Action Dinosaurs: John Nolan, mit Isabella Sermon (Maisie Lockwood / Young Charlotte Lockwood), Bryce Dallas Howard (Claire Dearing), Chris Pratt (Owen Grady), Laura Dern (Dr. Ellie Sattler), Sam Neill (Dr. Alan Grant), Jeff Goldblum (Dr. Ian Malcolm), DeWanda Wise (Kayla Watts), Mamoudou Athie (Ramsay Cole), Campbell Scott (Lewis Dodgson), BD Wong (Dr. Henry Wu), Dichen Lachman (Soyona Santos), Omar Sy (Barry Sembène), Daniella Pineda (Dr. Zia Rodriguez), Justice Smith (Franklin Webb), Scott Haze (Rainn Delacourt), Freya Parker (Denise Roberts), Elva Trill (Adult Charlotte Lockwood), Teresa Cendon-Garcia (Farmer Peréz), Jasmine Chiu (Gemma Zhao), 147 Min., Kinostart: 8. Juni 2022
Im Presseheft (bzw. der amerikanischen »Production Information« zum Film) wird erklärt: »[T]he union of the two generations of cast was both thrilling and moving for almost everyone on the production.« Ich bin als Zuschauer offensichtlich so »unberührbar« wie ein paar wenige Crewmitglieder, die den lang vorbereiteten Höhepunkt des Endes der zweiten Trilogie von Jurassic-Filmen nicht als »poetic and poignant full-circle moment in their lives and careers« erlebten.
© 2022 Universal Studios and Amblin Entertainment. All Rights Reserved.
Nicht nur Sam Neill, Laura Dern und Jeff Goldblum aus dem Original-Spielberg-Film Jurassic Park (nebst einigen Rückkehrmomenten im Franchise) treffen jetzt auf das Team rund um Chris Pratt und Bryce Dalls Howard, auch die Figuren mit eher kurzen Auftritten, die in Jurassic Park von BD Wong und Campbell Scott gespielt wurden, haben nun zentrale Rollen inne in der evolutionären Entwicklung der Erde. Wobei es nicht nur um das Zusammenspiel der Menschheit mit den sich wieder auf dem Planeten verbreitenden Dinosauriern geht, ein besonders prekäres Problem stellen auch die etwa dackelgroßen Heuschrecken dar, die über Getreidefelder herfallen, die nicht aus der teuren Saat des betriebsamen Bio-Pharma-Konzerns BioSyn wuchsen. Dieser erschreckend realistische Handlungsstrang könnte ohne Probleme einen dystopischen Öko-Thriller tragen, hat aber im Kern eines Films mit dem Titel Jurassic World Dominion den Nachteil, dass zu wenige Saurier diesen bevorstehenden Weltuntergang mitprägen.
Und so trägt die Heuschrecken-Katastrophe vor allem zum großen Problem des Films bei: zu viel überall verteilte Handlung, die zweieinhalb Stunden Film zu einer andauernden Nummernrevue mit sehr vielen Dinosaurier-Gattungen aufplustert.
Der Film beginnt mit den Ensembles zweier Trilogien, die größtenteils unabhängig voneinander große Abenteuer durchleben. Pratt und Howard als Owen Grady und Claire Dearing wollen ihre Ziehtochter Maisie und den Nachwuchs der Raptorin Blue retten, die gemeinsam von rücksichtslosen Unterweltgangstern entführt wurden. Neill und Dern als Paläontologe Dr. Alan Grant und Paläobotanikerin Dr. Ellie Sattler wollen indes beweisen, dass der von Lewis Dodgson (Campbell Scott) geführte Konzern BioSyn an der Heuschrecken-Katastrophe zumindest mitschuldig ist. Da trifft es sich gut, dass Dr. Ian Malcolm (Jeff Goldblum in seinem mittlerweile vierten Jurassic-Film) den Job als »in-house philosopher« bei BioSyn ergattert hat und seine alten Weggenossen einschleusen kann in eine BioSyn-Zentrale, die versteckt in den italienischen Dolomiten nebenbei auch als »sanctuary« für diverse Dinosaurier fungiert.
Ich will es hier nicht ausplaudern, aber wie die beiden Handlungsstränge und Schauspielteams hier schließlich aufeinander treffen, ist das Kernstück des nicht besonders überzeugenden Drehbuchs. Einerseits schaffen Regisseur Colin Trevorrow und seine Co-Autorin Emily Carmichael es, eine Menge komplizierte Randfiguren aus dem Jurassic-Franchise (hier geht es nicht nur um das halbe Dutzend Filme, sondern um Crichton-Romane, Computerspiele und eine Fernsehserie) in eine Handlung zu stecken, die fast so wirkt, als hätte sie sich ganz dynamisch entwickelt in den letzten drei Jahrzehnten, aber eines der großen Probleme des Films ist, dass man den Figuren (und zwar mit höchstens anderthalb Ausnahmen allen Figuren) ungefähr so schnell wie in einem Herbie-Film aus den 1970ern ansehen kann, wer hier »gut« und wer »böse« ist. Zwar sind die Figuren (bis auf die bereits etablierten Hauptfiguren) inzwischen bessere Beispiele für die heutzutage obligatorische Diversität, aber mitzuerleben, wie DeWanda Wise als etwas an Harrison-Ford-Rollen erinnernde Pilotin Kayla Watts ihren »moralischen Kompass« entwickelt, ist ungefähr so spannend, wie bei einer Cousine von Bibi Blocksberg herauszuknobeln, ob die Pferdenärrin eine Tierfreundin ist.
Und so besteht der unglaublich träge Showdown des Films zu größeren Teilen daraus, dass die acht bis neun Hauptfiguren, die nicht wegen moralischen Charakterfehlern zum Dinosaurierfutter taugen, sich wie die Avengers oder vergleichbare Heldengruppen vor einer heroisch-pathetisch kreiselnden Kamera aufbauen, während die Saurier-Stars, die heutzutage in einem Quartett sogar den T-Rex ausstechen würden (z.B. der Giganotosaurus, der größte Fleischfresser), sie eigentlich vernaschen wollen, aber im ungünstigen Moment andere auftauchende Riesenechsen abwehren müssen. Also genauso wie in den anderen Jurassic-Filmen, nur dass man mittlerweile als Zuschauer halt exakt weiß, dass keinem aus dieser großen Gruppe irgendeine echte Gefahr droht. Insbesondere in diesen hübsch choreographierten Heldenmomenten.
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Zuvor im Film gibt es Action- und Spannungsmomente, die funktionieren, etwa wenn Dichen Lachman als perfide Schurkin Soyona Santos vier »Atrociraptoren« (diese Namen kann man sich nicht ausdenken) mehr oder weniger mit einem Laserpointer zu »unentkommbaren« Auftragskillern umschalten kann.
Bei der Revue der unzähligen Saurier hat man aber, wenn man so ignorant den wissenschaftlichen Entdeckungen gegenüber steht, wie ich es gerne zugebe, auch ein bisschen das Gefühl, dass die neuen Saurier einfach mit wenig Einfallsreichtum erfunden wurden. Der Therizinosaurus wirkt auf mich wie die Riesenechsenversion von Edward Scissorhands, der Lystrosaurus macht den Anschein, als wenn die Filmemacher unbedingt noch einen old-school Animatronic wie aus einem alten Peter-Jackson-Film einbringen wollten. Und beim Pyroraptor, der ein so farbenfrohes Federkleid hat wie der Phoenix bei Harry Potter, mag man das Design noch gutheißen, aber spätestens, wenn er in noch schlimmerem Maße als andere auftauchende Saurier vor allem demonstriert, dass ich im Biounterricht irgendwas missverstanden haben muss, wenn Reptilien hier offenbar keinerlei Probleme mit Klimazonen unter dem Gefrierpunkt haben.
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Irgendwie störend fand ich auch, dass der Film nach bestehenden Blockbuster-Regeln und einer zu erreichenden »Durchmischung« der beiden Schauspiel-Teams zusammengebastelt wurde, und nicht etwa nach einer Handlung, die man erzählen will. Neben den »Heldenmomenten« und einigen »Emotionsmomenten«, die etwas ideenlos abgespult werden (»Ich kannte deine Mutter...«), scheint für den Film zum Beispiel besonders wichtig, dass man nicht durch zu viel Blut eine möglichst lukrative Altersfreigabe riskiert. Mit Ausnahme von zwei winzigen Verletzungen ganz am Schluss sieht man hier nahezu gar kein Blut (da war Spielberg im zweiten Film komplett anders drauf), und wenn trotzdem ein Gangster von mehreren Dinos gleichzeitig aufgefressen wird (seine Hände / Arme stecken in zwei Echsenschlunden, Blut braucht man dafür nicht zu zeigen), dann ist das schon etwas peinlich.
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Es gibt eine Szene, wo Chris Pratt den nun schon seit drei Filmen prominenten Raptor Blue davon abhalten will, seine Ziehtochter zu verletzen, und wie schon in den beiden Filmen davor »hypnotisiert« er ihn quasi mit seiner ausgestreckten Hand. Klappt nur nicht so gut. Mann kann sehen (bzw. »erhaschen« - man erkannt, dass die Montage eine Bewegung verbirgt), dass Blue Pratt offenbar an der Hand verletzt, der wechselt dann die Hand und ich saß im Kinosessel und fragte mich, ob man denn jetzt mal zeigt, wie groß oder klein die Verletzung an der Hand ist. Aber wie in einem für die »frei ab 12«-Version geschnittenen Horrorfilm sieht man die Hand nicht, erst etwa eine dreiviertel Stunde später kann man sehen, dass Pratt wohl für einen längeren Zeitraum mit einem um die Hand gebundenen Stofftaschentuch oder ähnlichem unterwegs ist. Mich hat diese »uiuiui, das dürfen wir nicht zeigen«-Einstellung irgendwie genervt, nicht zuletzt auch, weil sie das etwas zusammengefledderte Drehbuch (ganz schlimm: die letzten paar Minuten) noch unfokussierter erscheinen ließen.