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04-1997
Marc Degens
für satt.org

Lost Highway
USA 1997

Lost Highway von David Lynch

Regie:
David Lynch

Buch:
David Lynch, Barry Gifford Kamera:
Peter Deming

Musik:
Angelo Badalamenti, Rammstein, Nine Inch Nails u.a.

Darsteller:
Bill Pullman, Patricia Arquette, Balthazar Getty, Robert Blake, Robert Loggia, Gary Busey, Lucy Butler, Natasha Gregson Wagner, Jack Nance



satt.org-Partner:
www.jump-cut.de

Lost Highway



Gestern war ich nach langer Zeit [zum ersten Mal in diesem Jahr] wieder im Kino, wenngleich sich dabei nicht die für mich ansonsten typische Aufbruchsstimmung [ich bin geistig und körperlich mobil, beinahe sportlich, und mache jetzt was völlig Verrücktes: Kinogehen] einstellen wollte. Dies lag selbstredend am Aufführungsort: einem überfüllten Essener Multiplexkino. 1,5 Liter fassende Coca Cola-Eimer [Jumbo-Size], Rolltreppen und Warteschlangen selbst vor den Toilettenhallen vermögen es auch nur schwerlich, einen für die Zuschauer einigermaßen erträglichen Rahmen zu schaffen - jedenfalls fühle ich mich sogar in meiner angestammten Videothek wohler!

Doch ich will gar nicht jammern, denn meine Wunschvorstellung eines Kinobesuchs - kleiner Saal, kein weiterer Zuschauer, der Filmvorführer bedient den Projektor ausschließlich für mich, natürlich darf ich kettenrauchen! - ist eigentlich nichts anderes als fernsehen und läßt sich somit nur in meinem Wohnzimmer realisieren.

Also kommen wir nun endlich zum Film:
Lost Highway von David Lynch.

Die Story vordergründig: Ein eifersüchtiger Ehemann steigert sich in einen Wahn. Er selbst empfindet sich als jungen Naivling, der von einer femme fatale (Patricia Arquette: blond) Stück für Stück ins Verderben gestürzt wird; anstatt aber am Ende die eingebildeten Nebenbuhler umgebracht zu haben, killte er tatsächlich allein seine Ehefrau (Patricia Arquette: brünett). Auf der Flucht vor der Polizei läßt er seinen erlebten schizophrenen Film noch einmal Revue passieren.

--- Soviel zur Handlung, die wie in allen wirklich guten Filmen von Lynch [also nicht unbedingt in Der Wüstenplanet und Wild at Heart] allein eine untergeordnete Rolle spielt. Denn viel wichtiger ist das Erzähltempo und die daraus jeweils resultierende Atmosphäre - und gerade der klaustrophobische, ruhige Anfang von Lost Highway fängt die Innen- und Außenwelten der Protagonisten wunderbar ein und erinnert dabei ein wenig an Lynchs Debütfilm Eraserhead (obwohl mir dieser stellenweise zu langatmig ist). Auch der dort zum ersten Mal aufgetauchte, bedeutungsvolle rote Vorhang (der auch in meiner absoluten Lieblingsfernsehserie Twin Peaks häufiger Verwendung fand - und der überdies in meinem Schlafzimmer hängt) findet sich in Lost Highway wieder. Also: wunderbar!

Die verwandte Musik ist modisch und sehr nett (kein The Prodigy, dafür aber David Bowie und Lou Reed), und Lynch ist es tatsächlich sogar gelungen, zwei Rammstein-Lieder so zu schneiden, daß der beigelieferte Text nicht peinlich wirkt. Schlußendlich kann ich also jedem Leser dieser Zeilen nur empfehlen, sich diesen Film einfach anzuschauen.

Noch eins: Mehrfach habe ich bereits gelesen, daß Lynch als Wegbereiter für Regisseure wie Quentin Tarantino gilt - zumindest was die Darstellung von Gewaltszenen anbelangt. Dies glaube ich nicht, denn während letztere bewundernswert gekonnt die makabaren Seiten der Gewalt zeigen (Pulp Fiction: Mann fliegt aus Versehen Kopf weg, hähähä) oder sie sogar ins Absurde steigern (From Dusk Till Dawn: Vampiren fliegt reihenweise der Kopf weg, höhöhö), zeigt Lynch eine Gewalt, die zwar durchaus fasziniert, aber eigentlich nie lustig ist (eine kleine Ausnahme gibt es in Lost Highway aber doch, - ein schlechter guter Böser bringt einen Autofahrer wegen seines ungebührlichen Fahrverhaltens beinah um - gleichwohl ist diese eine Szene wohl nicht mehr als ein Zugeständnis an den zur Zeit vorherrschenden Zuschauergeschmack).