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August 2003
Frank Willmann
für satt.org




zum Thema:
Jörn Luther, Frank Willmann:
BFC Dynamo - Der Meisterclub

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WENN OMA KRANK IST MUSS MAN HELFEN!

Der BFC Dynamo tourt durch Berlin
Frank Willmann im Gespräch mit Uschi.
(Fotos von Knut Hildebrandt)



Der DDR-Rekordmeister geht am Stock. Das zweite Jahr spielt der Club nun in der fünften Liga, der Verbandsliga Berlin. Immerhin gibt es ihn noch, wenn auch seit Oktober 2001 ein Insolvenzverfahren läuft. Clubpräsident Peters ist zuversichtlich, die Insolvenz abzuwenden. Alle Unterlagen sind eingereicht, nun wartet man auf ein Signal der Hauptgläubiger. Auf Dauer ist ein Überleben des BFC nur möglich, wenn ihm der Aufstieg in die Oberliga Nordost gelingt. Dort warten attraktive Gegner und es gibt auch etwas Fernsehgeld. Geld hat der Club keines, man lebt gegenwärtig hauptsächlich von den Mitgliedsbeiträgen. Die alten Dynamo-Kader des MDI haben sich längst in die Büsche geschlagen. Viele Fans sind nach der Insolvenz Mitglied geworden, um so ihren Verein zu unterstützen. Ohne die Fans wäre der Club längst tot. Sie suchten sich ihren neuen Präsidenten selbst und besorgten für die letzte Verbandsligasaison eine Mannschaft. Immer wieder sammelten sie Geld, bauten sich ein Vereinsheim und organisierten Solidaritätsveranstaltungen wie etwa "Saufen für den BFC". "Saufen für …" wurde sogleich von diversen anderen Fangruppierungen Deutschlands kopiert. Die neue Saison beginnt am 10. August. Gleich am 1. Spieltag muss der BFC im Sportpark Neukölln gegen Tasmania 73, den vermeintlichen Hauptkonkurrenten um den Aufstieg, antreten. Sicher werden ihn dann um die 500 Fans begleiten, die wiederum von etwa 250 Polizisten umsorgt werden. Für die Berliner Polizei ist ein großer Teil der Fans des BFC Dynamo eine Ansammlung von Schlägern und schlimmen Fingern. Das hat seine Ursache in der Vergangenheit, als BFC-Fans immer wieder in schwere Auseinadersetzungen mit Polizei und den Fans anderer Clubs verwickelt waren. Mitte Juni 2003 wurde ein Freundschaftsspiel des BFC in Worms abgesagt, nachdem die Berliner Polizei ihre Wormser Kollegen vor einfallenden Hooliganhorden warnte. Die Stadtväter des ehrwürdigen Worms wollten ihr Städtchen nicht den modernen Mongolen überlassen und verbaten sich den Auftritt der Hauptstädter. Dynamo-Fan Uschi …

Bei weitem nicht alle Fans gehen zum BFC, um sich aufs Maul zu hauen. Einer von den ihnen ist Uschi (Foto rechts). Uschi ist seit Urzeiten BFC-Fan und hat den Club in allen Zeiten die Treue gehalten. Er versorgt im Bräustübel (in der Brunnenstrasse 178 in Berlin-Mitte) am Mittwoch und Donnerstag von 10 bis 24 den durstigen Mann. Außerdem hat er eine überaus umfängliche Sammlung diverser BFC-Devotionalien in seinem Heim untergebracht.


Seit wann gehst du zum BFC?

Etwa seit 1972.

Wer hat deinen ersten Schal gestrickt?

Ich! Mit einer Strickmaschine, wie sie zu dieser Zeit üblich waren.

Memorablia …

Wie hat man als Fan die Bonzentribüne wahrgenommen?

Politik ist in unserem Verein praktiziert worden wie in keinem anderen. Auf der Tribüne saßen Mielke, Honecker, von Schnitzler u.a. Für uns Fans waren das Idioten, wir hatten wegen ihnen nur Unannehmlichkeiten. Links die Mauer bewacht von scharfen Hunden, rechts der halbe Staatsrat, die Bonzen, bewacht von einer Reihe Bullen. Jetzt wird mir jeder die Frage stellen: Na watt wollste denn da? Ich fand es faszinierend, wie so viele unterschiedliche Gruppen zu einer Fangemeinde zusammengefunden haben. Kommunisten, Lehrer, Schüler, Punks, Kuttenträger, Schläger, aber auch Hausfrauen mit braven Männern. Der BFC war die Plattform.
Aus meiner Sicht war der jugendliche BFC-Fan ein Bullenhasser, ein junger Mensch, der aus dieser eingemauerten Stadt ausbrechen wollte. Der auf eine raue Art seine Pubertät abstreifen wollte. Der Staat hat es versäumt, uns eine Richtung vorzugeben. Keiner von uns glaubte mehr den Blödsinn der Bonzen.
Es wurde versucht uns gegeneinander auszuspitzeln. Man versprach uns Hilfe in eigener Sache, wenn wir die persönlichen Kumpels anscheißen würden. Pfui Teufel. Leider ist der Unmut auf den Staat von den Fußballfans der DDR, auch auf uns BFC-Fans abgewälzt worden. Unser Spruch darauf: Euer Hass macht uns stärker. Was sollten wir auch sonst erwidern?

Wie siehst du die gegenwärtige Lage beim BFC?

Wenn die Insolvenz abgewendet ist, sehe ich in den nächsten fünf Jahren zwei Aufstiege. Bis dahin sollte etwas im deutschen Fußball geschehen. Es kann nicht sein, dass Ost-Clubs in fast jeder Auf- und Abstiegsregel vom DFB benachteiligt werden. Wir legen neue Strukturen in allen Bereichen, wir wollen wieder Vorbild sein im Nachwuchsfußball.

Wo landet der BFC am Saisonende?

Platz 1.

Welche neuen Spieler wurden verpflichtet? Wie schätzt du sie ein?

Jörn Lenz kam zurück vom VFB Leipzig. Jörg Schwanke kam vom Dresder SC. Dann kamen die verlorenen Söhne Falk Jarling und Maximilian Wolchow. Sie verstärken unsere ohnehin starke Mannschaft erheblich.

Wer ist der Hauptgegner um den Staffelsieg?

Wohl Tasmania 73, auch der Köpenicker SC ist nicht zu unterschätzen.

Dein Motto zum BFC?

Schau nicht nach dem Westen, spuck nicht auf den Osten, halt dein Tor sauber, oder es fängt an zu rosten.

Memorablia …

Wie umfangreich ist deine BFC-Sammlung?

Ich bin krank, ich sammele auch die Schnipsel von der Eintrittskartenrolle. Hab keinen Überblick mehr.

Trauerst du manchmal der alten DDR-Oberliga hinterher?

Na, aber zu hundert Prozent, unsere Spieler haben sich damals ohne das große Geld für den Sport zerrissen.

Warum ist es mit dem BFC so weit gekommen?

Der Westen hat mit Bargeld gelockt, wir wurden übers Ohr gehauen, wir haben Fehler gemacht.

Ist der BFC Schuld am Mauerbau?

Wir sind 1966 gegründet worden! Hättest du gefragt: War die Mauer richtig? Antwort: Früher habe ich sie gehasst, heute weiß ich keine Auskunft mehr.

Hat der BFC ein Hooliganproblem?

Nicht mehr als andere Clubs auch. Unser Problem ist, dass wir mit den Staatsapparat der DDR, und allem Schlechten was es von 1949-1989 gab, auf eine Stufe gestellt werden. Wir sind Verurteilte, die nicht die Möglichkeit bekommen, zu zeigen, was in ihnen steckt.

Du hast beim BFC eine Werbebande gemietet? Warum?

Ja, für mich ist der BFC auch Familie. Und wenn Oma krank ist, muss man helfen.

Was macht dir den BFC auch in der fünften Liga liebenswert?

Höchster Zuschauerzuspruch in der Verbandsliga, Freude am Fußballsport. Ich bin aber auch ein Nostalgiker, ich bin der Meinung, die fünfte Liga kann doch nicht alles gewesen sein.

Die Fans haben den BFC nach der Insolvenz am Leben gehalten, wie siehst du diese Angelegenheit?

Ohne das heldenhafte Einmischen der Fans in die Vereinspolitik würde es den BFC nicht mehr geben.

Wann wird die Insolvenz abgeschlossen sein?

Der BFC hat alles mögliche zur Abwendung eingereicht, nun sind wir gezwungen zu warten.

Wer geht heute zum BFC?

Bei Heimspielen ist Familientag, bei Auswärtsspielen Vatertag.

Wie viele Zuschauer hat der Club heute?

Ca. 300-500 Zuschauer, bei Spitzenspielen können es schnell auch mal 2000-3000 werden. Ich schätze das in der Stadt ca. 20.000 BFC-Fans schlummern.