Anzeige: |
Das großartige Bühnenbild von Thimo Plath vermittelt sehr genau die Atmosphäre, die diesem Text zugrundeliegt: Die Ausweglosigkeit, das Eingesperrtsein, die Einsamkeit, die Depressivität. Im engen Studio sitzen die Zuschauer dicht an dicht in wenigen Reihen einander gegenüber. In der Mitte steht erhöht ein verwinkelter, schmuckloser Glaskasten: das abgedunkelte Bungalow-Wintergarten-Wohnzimmer der Frau (Veronika Nickl), die an der rätselhaften "Lichtallergie" erkrankt ist. In der klaustrophoben Enge dreht die Kranke ihre Runden, kreist immer um sich selbst und ihre selbstzerstörerischen Grübeleien. Bei ihr sind drei Schatten (Regine Gebhardt, Kathrin Unger, Cornelia Wosnitza), die unaufhörlich auf sie einreden und sowohl ihre eigenen Gedanken als auch die Stimmen der Außenwelt repräsentieren. Dea Lohers Text nähert sich dem Schicksal der Kanzlergattin von vielen Seiten und auf die unterschiedlichsten Weisen. Die Autorin entwirft das Bild eines sich aufopfernden Menschen, der als Frau in einer konservativ-gutbürgerlichen Welt schon immer lernen musste die eigenen Wünsche hintanzustellen, sich selbst zurückzunehmen. Eine Frau, die ihrem Mann, dem Politiker, ganz selbstverständlich den Rücken freihält. Und die nun allein im Bungalow sitzt. Eine Frau, die ihre Wünsche nach Selbstverwirklichung auf die Tochter, die sie nicht hatte, projeziert, und die schließlich im caritativen Engagement eine eigene Aufgabe findet. Auch den körperlichen Schmerz der Krankheit beschreibt Loher eindrucksvoll, und versucht trotz des ernsten Sujets auch scherzhafte Zugänge mittels metaphorischer Passagen, die allerdings sehr weit getrieben und so schließlich unsensibel-albern werden, dem Thema nicht angemessen. "Licht" ist keine Oper im traditionellen Sinne. Der dichte, poetische Text Lohers steht klar im Vordergrund und ist durch die transparente Komposition bis auf wenige Worte durchgängig verständlich. Musikalisch verarbeitet wird die Vorlage hauptsächlich im Gesang der vier Darstellerinnen, der oft nur acapella erklingt. Wolfgang Böhmer spielt mit Harmonien, mit Konsonanzen und Dissonanzen, und mit dem Wechselspiel zwischen Solo (Frau) und Chor (Schatten), die immer wieder aufeinander reagieren: Hier klingt die antike Tragödie an. Dagegen bleiben die wenigen verwendeten Instrumente, Vibraphon und Schlagwerk (Franz Bauer), im Hintergrund und haben hauptsächlich die Aufgabe, die durch den Text bereits sehr eindrucksvoll geschaffene Atmosphäre zu verstärken. Durch den intimen Rahmen und die sparsame Instrumentierung werden Ungenauigkeiten in der musikalischen Ausführung besonders deutlich. Gelegentliche minimale Intonationsmängel beim Gesang fallen so zwar auf, wirken aber nicht weiter störend. Boris von Poser gelingen in seiner Inszenierung immer wieder sehr bewegende Momente, etwa wenn alle drei Schatten sich auf die Frau stürzen, um ihr den Mund zu einem kamera-tauglichen Lächeln zurecht zu ziehen. An anderer Stelle jedoch versteht der junge Regisseur es nicht, die erwähnten wenigen verunglückten Passagen des Textes etwa durch Ironisierung zu retten, sondern lässt sie ungebrochen voll auspielen. Da fehlt noch die letzte Sensibilität für die Vorlage. Insgesamt ist die Regie leider oft zu unentschieden, zu zaghaft und manchmal gestelzt in der Personenführung. Auch die Choreografie von Annett Reckendorf hilft da wenig weiter. Der richtige Rhythmus ist (noch) nicht gefunden für den engen Raum, ständiges Hin- und Herlaufen wirkt schnell ermüdend für das Publikum, die Bewegung auf der Bühne ist häufig entweder zu statisch und zu hektisch. Überhaupt ist das Zusammenspiel der unterschiedlichen Elemente bei dieser Premierenvorstellung noch nicht ganz ausgereift, stehen Musik, Text, Spiel, Bewegung zu oft nur nebeneinander, anstatt sich zu einem Ganzen zu verbinden, was sich allerdings im Laufe des Abends merklich verbessert. Bei aller Kritik ist dieses Requiem für Hannelore Kohl in der Neuköllner Oper jedoch ein spannender Versuch, ein ungewöhnliches, auch brisantes Thema aus dem täglichen Leben in experimenteller Form auf die Bühne zu bringen. Dea Lohers Text war zunächst für das Sprechtheater gedacht, wo solcherlei Thematiken häufig behandelt werden, für eine Oper jedoch ist diese zeitgenössische, konkrete Geschichte, die gleichzeitig eine über das Einzelschicksal hinausgehende Bedeutung hat, eine Seltenheit und deshalb wichtig. |
|
|