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Dezember 2005
Nora Mansmann
für satt.org




Così fan tutte
von Wolfgang Amadeus Mozart

Komische Oper

Premiere:
20.11.2005

Regie:
Peter Konwitschny

Musikalische Leitung:
Kirill Petrenko

Bühne:
Jörg Koßdorff

Kostüme:
Michaela Mayer-Michnay

Mit:
Maria Bengtsson, Anne Bolstad, Johannes Chum, Stella Doufexis, Dietrch Henschel und Michael Nagy

Così fan tutte
Komische Oper


Masken

Endlich wieder ein Konwitschny in Berlin! Nach seiner klugen „Don Giovanni"-Inszenierung von 2003 hat der Regisseur sich mit „Così fan tutte“ wieder einen Mozart vorgenommen, wiederum an der Komischen Oper. Doch diesmal hält der Meister nur zum Teil, was der Ruf verspricht.

Nachdem die Ouvertüre mit Alberei über den oft diskutierten deutschen Titel „So machen’s alle (Frauen)“ verbracht wurde, öffnet sich der Vorhang, und gibt den Blick frei auf das mittels Fototapete angedeutete Kaffeehaus. Hier trifft Don Alfonso, ganz in schwarz, auf die in pastellfarbenfrohe Uniformen gekleideten jungen Männer Guglielmo und Ferrando und wettet mit ihnen um die Treue ihrer Verlobten Dorabella und Fiordiligi, die farblich analog zur Kleidung ihrer Liebsten Tüllkleidchen in rosa und himmelblau tragen und auf den Köpfen hohe, weiße Perücken, als seien sie aus einer Operette entflohen. Umso erstaunlicher, dass keine Distanz zwischen Figur und Kostüm hergestellt wird, abgesehen davon, dass Fiordiligi später ihre Perücke abnimmt - was aber durch die Soldaten-Verkleidung motiviert ist, und somit kaum als Ausbruchsversuch verstanden werden kann.

Die Opulenz der Kostüme (Michaela Mayer-Michnay) korrespondiert mit der Buntheit des Bühnenbildes (Jörg Koßdorff) und der Requisiten, die zusätzliche visuelle Motive zu Fortgang der Handlung liefern: Die vier jungen Menschen werden durch Puppen gedoppelt, die sich jeweils im Besitz des Liebespartners befinden, im zweiten Akt tauchen Vulkane auf, aus denen Bühnennebel aufsteigt und die drohende Überwältigung durch Liebe und Leidenschaft anzeigt. Dabei wirkt die Bühne in ihrer Buntheit oft überfrachtet, so in den letzten Minuten des ersten Aktes, als auch die Regie noch ihr Möglichstes dazu tut und unvermittelt mit wild herumfahrenden Kulissen, wehenden, wallenden Tüchern und Stroboskop-Blitzen schleudert, als müsse vor der Pause noch einmal die gesamte Theatermaschinerie aufgeboten werden. Vieles, was so mit vollen Händen durcheinander geworfen wird, verliert sich auf halber Strecke, wirkt beliebig, bemüht oder - im Wust der vielen unterschiedlichen Formen, Farben, Ästhetiken - unpassend und zusammengestückelt.

Die Bewegungsregie macht dabei keine Ausnahme. Zwar ist zunächst positiv anzumerken, dass Konwitschny das pure Handwerk (Motivation von Gängen usw.) natürlich glänzend versteht, und dass er zudem auch Wert darauf legt und seine Darsteller nicht, wie so viele Opernregisseure, hilflos an der Rampe herumlaufen bzw. -stehen lässt, ohne ihnen zu sagen, was sie da eigentlich neben dem Singen tun oder nicht tun sollen. Auch auf das Kleinteilige, die Mimik und Gestik der Darsteller, hat Konwitschny genau geachtet. Er hat viele einfache, aber schöne Vorgänge gefunden, die Text und Musik visuell unterstützen ohne nur zu illustrieren, wie wenn Dorabella und Fiordiligi ihre Miniatur-Verlobten zurück in deren Puppenschachteln packen, bevor sie sich endgültig mit den vermeintlich Fremden einlassen. Darüber hinaus passiert jedoch oft einfach zu viel auf der Bühne, und auch insofern leidet der Abend immer wieder an Überfrachtung, die in beliebiges Gehampel und Gerangel ausartet.

Hat ein Konwitschny so etwas nötig? Die Effekthascherei? Die zuweilen wirklich billigen Regie-Gags und Plattheiten, auch im Text? Wie schon bei „Don Giovanni“ wurde das Libretto von Bettina Bartz und Werner Hintze aus dem Italienischen in zeitgenössisches Deutsch übersetzt. Die neue Fassung ist einerseits amüsant und erfrischend, zumal durch das sonst auch in deutschsprachigen Opern selten gehörte Vokabular, andererseits ist die Wortwahl gewöhnungsbedürftig und oft bemüht lustig.

Entschädigung für derlei Ärgernisse bietet die Musik (Musikalische Leitung: Kirill Petrenko). Nach einem etwas verholperten Beginn steigern sich Orchester und Ensemble zusehends, und schon im ersten Duett der beiden Damen ist eine qualitative Höhe erreicht, die über den Rest des Abends gehalten wird. Maria Bengtsson als gradlinig-tugendhafte Fiordiligi und Stella Doufexis als freche Dorabella bilden die Spitze des allerdings insgesamt sehr homogenen Solistenensembles, welches in den diversen gesanglichen Paarungen immer wieder wunderbar harmoniert. Johannes Chum als Ferrando überzeugt mit voller Stimme in der oft problematischen Tenorpartie, und Michael Nagys Guglielmo hält problemlos mit. Dietrich Henschel führt uns souverän und selbstbewusst den sarkastischen Don Alfonso vor, während Anne Bolstads bauernschlaue Despina ganz ihrer Rolle als Dienstbotin entsprechend vor allem in den Rezitativen gelegentlich etwas gröber daherkommt und sich in einer Mischung aus Sprechen und Singen versucht. Alle Darsteller agieren facettenreich und mit großer Spielfreude, und auch die Textverständlichkeit ist sehr gut.

Schade, dass bei dieser guten musikalischen und darstellerischen Leistung die Inszenierung sich immer wieder im bloßen Spektakel verliert und dabei zudem noch so brav bleibt. Wo ist die subtile Gesellschaftskritik, die Konwitschny sonst so meisterhaft beherrscht, die er nie in den Vordergrund stellt, die aber unabweisbar in Andeutungen ausgesprochen wird, wie etwa im Schlussbild seiner Don Giovanni-Inszenierung am selben Haus? Das Abbrechen der Musik mitten im Stück mag - die Opernseligkeit von Premierenabonnenten durchbrechend - einst provokant gewesen sein, hier verkommt es jedoch zur Spielerei und zum Selbstzitat. Hier tut nichts weh. Dementsprechend begeistert ist das Publikum. Diese „Così“ ist zwar weitgehend unterhaltsam, das Zuschauen und vor allem das Zuhören macht Spaß - doch von Konwitschny darf man eigentlich mehr erwarten.