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27. Februar 2009 |
Jörg Auberg
für satt.org |
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Zeichen und NeurosenTerroristen – gleich welcher Couleur – sind in die Kultur des Spektakels integriert. Sie konspirieren mit den Agenturen der Medien, die sie ständig zu beliefern haben, um nicht aus der „öffentlichen“ Zirkulation herauszufallen. „Terroristen müssen stets innovativ sein“, umriss Walter Laqueur das Projekt des Terrorismus, „sie sind die Super-Entertainer unserer Zeit.“ So radikal auch ihre Abkehr von den herrschenden politischen Verhältnissen sein mag, so integriert sind sie mit ihren Kommunikationsstrategien in das System der kulturindustriellen Vermarktungsmechanismen. Offenkundig ist dies beim Unternehmen „Rote Armee Fraktion“, das seit einigen Jahren multimedial „aufbereitet“ wird, um mit dieser „Aufarbeitung“ in Form von Büchern, Filmen, Hörbüchern, Theaterstücken und vielleicht demnächst (wie der Kabarettist Matthias Deutschmann mutmaßt) eines Musicals vom Schrecken der Vergangenheit loszukommen, ohne die Ursachen des Vergangenen beseitigen zu müssen. Das modische „RAFtainment“ führt ein Panoptikum „extremistischer“ Figuren vor, die größtenteils selbst zum Opfer eines medial produzierten Zerrbildes (wie es in der „Kultur der Gewalt“ Ende der 1960er Jahre entstand) wurden. Terror wurde dabei als Medium einer „bewaffneten Gegenöffentlichkeit“ und „Propaganda der Tat“ innerhalb eines autoritären Systems benutzt, wobei Propaganda – nach einem Wort Theodor W. Adornos – die „rationale Manipulation des Irrationalen“ und das „Vorrecht der Totalitären“ ist. Nicht erst der Versuch, „Bomben gegen den Unterdrückungsapparat ... auch ins Bewusstsein der Massen zu werfen“ (wie es in einem programmatischen RAF-Text aus dem Jahre 1971 hieß), lief dem antiautoritären Impetus der frühzeitig gealterten Neuen Linken zuwider, sondern bereits die autoritäre Kommunikation (die sich in der Fixierung auf soldatische, manichäische Kategorien einer effizienten Tötungsmaschine und im militaristischen Logo der Organisation ausdrückte) fügte sich bruchlos ins kulturindustrielle Schema ein. Entgegen den medialen und ideologischen „Vorspiegelungen“, welche die Geschichte auf das Bizarre und Monströse reduzieren, unternimmt der Band „Der ,Deutsche Herbst’ und die RAF in Politik, Medien und Kunst“ den Versuch, dem Phänomen wissenschaftlich auf die Spur zu kommen und den Blick aus der verengten, personalisierten Perspektive nach außen zu richten. Grundprämisse des Buches, das Beiträge von Zeithistorikern, Politologen, Kultur- und Literaturwissenschaftlern versammelt, ist, dass Terrorismus eine soziale Konstruktion ist, die „erst durch einen Kommunikationsprozess zwischen den 'Terroristen' und dem Rest der Gesellschaft entsteht“. Im Zentrum des ersten Teils stehen internationale Aspekte der RAF-Rezeption. In den Niederlanden herrschte zunächst, führt Jacco Pekelder aus, eine Sympathie für die deutsche Stadtguerilla, wobei weniger die RAF-Ideologie eine Rolle spielte als ein geschichtlich begründetes Misstrauen gegenüber dem als autoritär verschrienen deutschen Staat. Dabei spielte der „engagierte Journalismus“ in den niederländischen Medien eine nicht unbeträchtliche Rolle, wie Janneke Martens in ihrem Beitrag unterstreicht: Ohne weitere kritische Recherchen wurden Aussagen der RAF in der niederländischen Öffentlichkeit verbreitet, um der eigenen vorurteilsbeladenen Position Nachdruck zu verleihen. Nachdem aber die RAF ihre Kampfzone auf das niederländische Territorium ausweitete, kühlte sich das Wohlwollen der Niederländer – vor allem nach der Erschießung eines Polizisten durch ein RAF-Mitglied – rasch ab. In einer anderen Analyse vergleicht Beatrice de Graaf den Terrorismus in den Niederlanden, den USA und der BRD, wobei der komparatistische Blick zuweilen eine gesellschaftskritische Perspektive vermissen lässt. So schreibt de Graaf über die US-Guerillaorganisation Weather Underground: „Effiziente Sicherheitsmaßnahmen der Weatherman verhinderten eine Unterwanderung ihrer Organisation durch das FBI und es gelang ihnen über lange Zeit unentdeckt in der Illegalität zu leben.“ Dabei unterschlägt de Graaf freilich den Racket-Charakter der Organisation, der von ehemaligen Mitgliedern und Unterstützern als Fortführung des repressiven Systems kritisiert wurde, das die Militanten vorgeblich zu attackieren versuchten. Dagegen gelingt es de Graaf überzeugend, die „Zersetzungsmethoden“ der Staatsapparate aufzuzeigen, deren Ziel es war, „den einzelnen Terrorist aus dem Gruppenprozess zu lösen und in sein zumeist abgeschlossenes Weltbild einzubrechen“. Im Bereich der dramatischen Bearbeitung der RAF-Geschichte zeigt Nicole Colin an Theaterstücken von Elfriede Jelinek („Ulrike Maria Stuart“) und Michel Deutsch („La décennie rouge“), dass die Geschichte nicht allein durch die Neurosen der Täter bestimmt wird. Auch die Interpretation dieser Geschichte wird von den neurotischen Projektionen der Interpreten überlagert, sodass eine „objektive“ Darstellung – selbst wenn dies der wissenschaftliche Anspruch ist – kaum möglich ist. Mit dieser kritischen Selbstreflexion hebt sich dieser Band wohltuend von vielen Veröffentlichungen zum linken Terrorismus ab, die ein statisches Bild zu zeichnen versuchen, ohne dass die Autoren die eigene Verstrickung in die Herrschaftsverhältnisse und die Konstruktion der Geschichte mit auf die Rechnung nehmen. Die Rolle von Medien wie „Der Spiegel“, „BILD“ oder „Süddeutsche Zeitung“ in der Hochzeit der Konfrontation zwischen RAF und institutionalisierter Politik analysiert Hanno Balz in einem „Abstract“ seiner exzellenten Studie „Von Terroristen, Sympathisanten und dem starken Staat“ (Campus 2008) und stellt die Formierung der bundesrepublikanischen Gesellschaft in einem Rechtsstaat heraus, der nach dem Ende der Bedrohung die Einschränkung der Bürgerrechte nicht revidierte. Andere Beiträge wiederum laufen Gefahr, die Geschichte der RAF auf einen bloßen akademischen Forschungsgegenstand zu reduzieren. Klaus Weinhauer beispielsweise betrachtet den Terrorismus nahezu ausschließlich als „Kommunikationsereignis“ und entkleidet ihn in dieser beschränkten, auf isolierte Teilaspekte verengten Perspektiven seiner historischen, politischen und sozialen Zusammenhänge, um ihn als formalen Gegenstand einer scheinbar interesselosen akademischen Forschung in einer referenzlosen Zeichenwelt zu dematerialisieren. Der letzte Teil des Bandes, der disparate Zeitzeugenberichte von Juristen und Betroffenen versammelt, wird schließlich dem wissenschaftlichen Anspruch des Buchprojekts nicht gerecht, das Phänomen des RAF-Terrorismus in neuen, kritischen Perspektiven zu beleuchten, sondern folgt eher halbherzig einer jüngeren Tendenz, die Geschichte des Linksterrorismus aus dem Blickwinkel von Opfern zu betrachten, wobei häufig ein auf das Biografische reduzierter Subjektivismus historische Kotexte verschüttet. Trotz dieser Unzulänglichkeiten bietet der Band eine Reihe von kritischen Ansätzen, die neue Sichtweisen auf das Phänomen „RAF“ eröffnen können |
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