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21. September 2009
Johannes Zechner
für satt.org
  Volker von Wegen: Eichendorffs politischer Wald. Ein Beitrag zur grünen Geschichte der deutschen Lande
Volker von Wegen:
Eichendorffs politischer Wald.
Ein Beitrag zur grünen
Geschichte der deutschen Lande

Wagner Verlag Gelnhausen 2009
112 Seiten, € 8,80
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1 Vgl. Albrecht Lehmann: Wald. Die Volksliteratur und deren Weiterwirken im heutigen Bewusstsein, in: Ute Jung-Kaiser (Hrsg.): Der Wald als romantischer Topos, Bern u.a. 2008, S. 37-52; Elmar Budde: Der Wald in der Musik des 19. Jahrhunderts. Eine historische Skizze, in: Bernd Weyergraf (Hrsg.): Waldungen. Die Deutschen und ihr Wald, Berlin 1987 (= Akademie-Katalog, Bd. 149), S. 47-61; sowie Eva Maringer: Natur als Spiegelbild der Seele. Der Wald in der deutschen Malerei der Romantik (1790-1840), in: Landschaftsverband Westfalen-Lippe (Hrsg.): Mythos Wald, Münster 2009, S. 26-33.

2 Vgl. zum Wald Ulrich Linse: Der deutsche Wald als Kampfplatz politischer Ideen, in: Revue d'Allemagne et des Pays de langue allemande, Jg. 22 (1990), H. 3, S. 339-350; sowie Johannes Zechner: ‚Ewiger Wald und ewiges Volk’. Die Ideologisierung des deutschen Waldes im Nationalsozialismus, Freising 2006 (= Beiträge zur Kulturgeschichte der Natur, Bd. 15); vgl. zur Eiche Annemarie Hürlimann: Die Eiche, heiliger Baum deutscher Nation, in: Bernd Weyergraf (Hrsg.): Waldungen. Die Deutschen und ihr Wald, Berlin 1987 (= Akademie-Katalog, Bd. 149), S. 62-68.

3 Vgl. den Ausstellungskatalog Bernd Weyergraf (Hrsg.): Waldungen. Die Deutschen und ihr Wald, Berlin 1987 (= Akademie-Katalog, Bd. 149).

4 Vgl. den diesbezüglichen Bericht auf SPIEGEL-Online; noch fragwürdiger werden solcherlei Praktiken mangelnder Qualitätskontrolle, wenn anschließend ‚Informationsdienste’ interessierten Autoren Rezensionen der eigenen Werke zum Kauf anbieten.

5 Vgl. dafür die Selbstdarstellung des Wagner Verlages.

6 Vgl. Umberto Eco: Das Foucaultsche Pendel, München / Wien 1989, S. 281-294.




Eichendorffs politischer Wald

Die Sehnsuchtslandschaft ‚deutscher Wald’ war eines der beliebtesten Motive der romantischen Literatur, Malerei und Musik um 1800.1 Dichter wie Ernst Moritz Arndt (1769–1860), Ludwig Tieck (1773–1853) und Joseph von Eichendorff (1788–1857) beschworen gefühlvoll das Idyll der ‚Waldeinsamkeit’, das jedoch bereits damals im Kontrast zur forstlichen Realität eines nutzenorientierten Wirtschaftswaldes stand. Im Pathos der Naturverklärung entstand bald schon die Vorstellung einer spezifisch deutschen Beziehung zwischen Volk und Wald: ‚Deutscher Wald’ und ‚deutsche Eiche’ entwickelten sich zum Kriterium und Symbol nationaler Selbstvergewisserung, vornehmlich in Abgrenzung zu Frankreich als dem Land von Aufklärung und Revolution.2

In diesem thematischen Zusammenhang verspricht der Titel der zu besprechenden Publikation Einblicke in die politischen Implikationen von Eichendorffs Waldpoesie. Dem Autor geht es dabei erklärtermaßen um eine Verteidigung der „arg geschmähte[n] Romantik“ und des Dichters, dem der ‚deutsche Wald’ Symbol für Föderalismus und kulturelle Vielfalt gewesen sei. Vor allem soll der Nachweis erbracht werden, dass – entgegen der 1987 in der West-Berliner Akademie der Künste gezeigten Ausstellung ‚Waldungen. Die Deutschen und ihr Wald’ – „der deutsche Wald der Romantik nichts mit dem der Nazis zu tun hat“.3 Wer nun eine detaillierte inhaltliche Auseinandersetzung mit Eichendorffs Waldbild oder mit möglichen Parallelen zwischen romantischem und nationalsozialistischem Walddenken erwartet, sieht sich leider schnell und gründlich enttäuscht.

Stattdessen folgt auf knapp 110 Seiten eine wirre Mischung aus assoziativen Gedichtinterpretationen sowie Nacherzählungen etwa von Erlebnissen im Getränkemarkt, Jugenderinnerungen und psychotischen Träumen. Ergänzt wird dies um Gedankensprünge zu aktuellen politischen Fragen wie dem Irakkrieg oder der Legehennenverordnung, die allerdings keinerlei Bezug zum Gegenstand des Buches erkennen lassen. Anstelle von Belegen und Fußnoten finden sich meist nur vage Formulierungen wie „meine ich gelesen zu haben“, „soviel ich weiß“ oder „wenn ich mich recht entsinne“, ganze Sätze werden in verschiedenen Kapiteln fast wortgleich doppelt angeführt.

Definitiv deplatziert und zudem irrelevant sind dem Leser beiläufig mitgeteilte Einsichten wie: „Eichendorff nahm an den Freiheitskriegen im Lützow’schen Freikorps teil und könnte dort den Ausdruck ‚in den Arsch gefickt’ aufgenommen haben“. Befremdlich wirken zudem die Verweise des Autors auf seine Krankengeschichte („die Stimmen, die ich hörte“) sowie die Bauanleitung für eine im Wald anzulegende „Erdhucka“ zum Haschischkonsum. Letzten Endes handelt es sich bei der vom Verlag als „Sachbuch“ beworbenen Publikation nicht um einen ernstzunehmenden Beitrag zum Themenfeld Waldromantik, sondern um den Schreibversuch eines Menschen mit selbst eingestandenen psychischen Problemen.

Während der etwaige autotherapeutische Nutzen eines derartigen Projekts überhaupt nicht in Abrede gestellt werden soll, sei abschließend auf das Phänomen der immer zahlreicher werdenden Druckkostenzuschuss-Verlage eingegangen. Diese ermöglichen nicht oder noch nicht etablierten Autoren die Veröffentlichung ihrer Arbeiten, verlangen aber im Gegenzug eine weitgehende oder sogar vollständige Kostenübernahme. Die Qualität solcher Werke ist denn auch bestenfalls durchwachsen, weil ein ernstzunehmendes inhaltliches Lektorat offenbar kaum mehr stattfindet.4 Im vorliegenden Fall muss man sich wirklich fragen, warum „erfahrene, mit Fingerspitzengefühl arbeitende Lektoren“ (Eigenwerbung des Wagner Verlages) ein derartig mangelhaftes Manuskript überhaupt zur Publikation empfehlen konnten.5

Dass die in den USA recht treffend ‚vanity press’ genannten Bezahlverlage keinesfalls eine neue Erscheinung sind, zeigte Umberto Eco bereits vor knapp zwanzig Jahren mit seiner Schilderung des fiktiven Verlages Manuzio im ‚Foucaultschen Pendel’ – und das ganz im Gegensatz zur besprochenen Publikation bleibend lesenwert.6