"Selten gehörte Musik" Am 14. Januar 2002 im Millowitsch-Theater Köln.
Mitwirkende: Adam, Ingrid und Oswald Wiener, Walter Fähndrich,
Marcus Schmickler, Klaus Sander, Nils Röller, Stefan Schmidt, Jan St.
Werner.
Begrüßung: Alfred Biolek
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Wiener family et. al im Millowitsch-Theater
"Selten gehörte Musik" war es tatsächlich, die im ausverkauften Millowitsch-Theaters zu hören war. Dreizehn Ausführende drängten sich in den Kulissen des aktuellen Volksstücks "Klüngel bei Klettenbergs" und brachten allerlei eigentümliche Instrumente und Lärmerzeuger zu Gehör, ein durchaus ungewöhnliches Ereignis für das traditionsreiche Haus. Auch Moderator Alfred Biolek sah sich dem gegenüber mit einer gewissen Ratlosigkeit konfrontiert und er kündigte dem erwartungsfrohen Publikum einen Beitrag zur "Ästhetik des Scheiterns" an, bei dem das "Gelingen bewusst aufs Spiel gesetzt" werde.
Das mutet eigenartig an, ist es aber gar nicht, wenn man bedenkt, dass sich hier Oswald Wiener, Mitglied der Wiener Gruppe, des letzten radikalen Avantgardetrupps in Europa, ein Stelldichein gab. "Selten gehörte Musik", so lautete der Titel einer Veranstaltungsreihe, die Wiener zusammen mit Gerhard Rühm und Diter Roth in den 70er und 80er Jahren realisiert hatte, die er nun wieder aufleben ließ. Unterstützt wurde er von seiner Frau und seinem Sohn sowie einigen führenden Vertretern der Kölner Elektronik-Szene (Jan Werner von "Mouse on Mars", Bernd-Alois-Zimmermann-Stipendiat Marcus Schmickler) und älteren Experimentalmusikern (u.a. Wolfgang Müller, Kopf der "Tödlichen Doris"), einer zusammengewürftelten Musikantenschar also, die insgesamt drei Generationen überspannte.Warum aber ausgerechnet das Millowitsch-Theater?
Es war eine Art Abschiedskonzert. Nach vielen Jahren Lehrtätigkeit an der Düsseldorfer Akademie verlässt Oswald Wiener das Rheinland gen Allgäu, daher lag dieser unbedingt rheinische Ort nahe, um ein letztes Happening zu zelebrieren. Tatsächlich erschien es wie eine Zeitreise in den seligen Epochen der Avantgarde. Ja, unterstrichen durch das Bühnenbild des Millowitsch-Stücks meinte man buchstäblich, der Neuinszenierung eines Fluxus-Stücks aus den 60er Jahren beizuwohnen. Einleitend lieferte sich Wiener mit seinem Freund, dem Bratschisten Walter Fähndrich, einen lautpoetischen Dialog, gestenreich und natürlich ohne erkenntlichen Sinn, worauf ein munteres Improvisieren mit allerlei Musikalien und Handwerkzeugen anhob. Nicht von ungefähr hatte Biolek in seiner Begrüssung Wiener zitiert, das Folgende habe "weniger mit Können, sondern mit Wollen zu tun. Daher handelt es sich nicht um Kunst, sondern um Wunst." Das klangliche Tohubawohu aus Vogelpfeifen, Elektronik, bewusstem Dilettieren auf Vibraphon, Schlagzeug, Gitarren, Akkordion und Saxophon, unterkrächzt von schrägen Chören, die vor allen anderen Ingrid Wiener und die KHM-Professorin Valie Export zum Besten gaben, wurde gerne immer wieder durch Biertrinken oder kleine Absprachen coram publico unterbrochen. Der Eindruck, hier würde ernsthafte Kunst dargebracht, kam also nicht auf, um so mehr vermittelte sich der Spaß, den die Beteiligten bei ihrem kindlichen Tun verspürten. Eingebunden in solch fröhliches Anti-Kunst-Tun, wollte auch das Publikum nicht hintan stehen und revanchierte sich mit Trampeleinheiten sowie einigen Überraschungseiern, die zum Teil verspeist, zum Teil wieder zurück in den Zuschauerraum geworfen wurden. Supposé-Verleger Klaus Sander (auch Organsiator des Abends) blies ins Waldhorn, Wolfgang Müller sang "Blamage, Blamage" bzw. wandelte den letzten Satz aus Wittgensteins "Tractatus" zu einem Refrain, endlich rief Oswald Wiener mit mächtigem Bass "Vorhang! Vorhang!" und die Veranstaltung war vorbei. Großen Applaus, allen hat es Spaß gemacht, auch wenn der Wert eher ein historischer war. Nicht auszudenken, wenn junge, zeitgenössische Musiker an dieser Stelle gesessen hätten, das Publikum hätte sie gesteinigt!
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