An den Anfang seiner Ausstellung stellt Hatakeyama Aufnahmen von Industrieanlagen der in Japan offenbar häufig anzutreffenden Kalksteinbrüche. Durch die große Distanz und durch leichte Schneebedeckung, die 'unberührte' und 'berührte' Natur verbindet, erscheinen die Wunden, die in die Erde gerissen wurden, in einem milden Licht. Obwohl solche bergbaulichen Anlagen ziemlich trostlos wirken können, betont Hatakeyama ihre Ästhetik, die mit ihren Förderbändern und Rohrschlangen nur als evolutive Fortsetzung der Natur erscheinen, nicht als ein Fremdkörper in ihr. Auffällig, daß oftmals Objekte gewählt werden, die gemeinhin nicht als besonders schön gelten, hier aber großen Reiz gewinnen.
Hatakeyama verläßt den Überblick und schaut aufs Detail, was zum (ersten) Höhepunkt der Ausstellung führt: in der 'Blast'-Serie werden die Momente der Sprengungen im Tagebau gezeigt, mit denen der Kalkstein gewonnen wird, aus dem einmal eine Stadt werden soll. Es ist beeindruckend, wie tonnenschwere Gesteinsquader scheinbar schwerelos schweben, als wäre man in einen Meteoritenschwarm geraten. Hatakeyamas Bilder wirken meist nicht gewalttätig, da Millisekunden eingefroren werden, dem Geschehen durch Bewegungslosigkeit Erhabenheit verleihend. Einige Bilder hingegen besitzen Dynamik und strömen mit ihren umherspritzenden Gesteinstrümmern betont Gewalt aus. Wie/ob man das versteht bleibt jedem selbst überlassen, vielleicht ist es einfach so. Sehr schön, daß allein die Aufnahmetechnik den Sinn ins Gegenteil verkehren kann.
Wir gelangen in die Stadt. Hatakeyama findet, daß man diese am besten von unten zeigen kann. Dafür wählt er die ungewohnte Perspektive von Abwasserkanälen aus, die Tokio durchziehen. In seiner an Farben frohen 'River'-Serie greift er wiederholt dasselbe hochformatige Motiv auf, indem er an unterschiedlichen Plätzen die Häuserschluchten festhält, die einen 'Fluß' einrahmen, oft in Dämmerungs- oder Nachtszenen. Streng, aber nicht langweilig komponiert Hatakeyama mit klaren, meist rechtwinkligen Linien. Der Horizont ist zweigeteilt durch die Oberkante der Ufer, über denen sofort die Häuser aufsteigen, ebenso wie die Vertikale durch den sich in die Ferne hinwindenden Kanal. Das Individuelle tritt völlig zurück: in keinem Foto sind Menschen zu sehen, was aber weniger ein Gefühl der Leere erzeugt, weil die Erbauer der Stadt nur in ihrer Bedeutung zurücktreten. Erreicht wird dieser Effekt in einer vor Leben bebenden Gegend durch diesmal extrem lange Belichtung, die den vorübergehenden Menschen keinen Raum einräumt, sie verblassen läßt. Das Produkt verselbständigt sich.
Noch seltener als die offenen Abwasserkanäle Tokios wird wohl auch deren unterirdisches Netz betreten. Unter dem gemeinhin Wahrgenommenen existiert eine weitere Stadt, die ohne Licht auskommt. Hatakeyama erhellt sie in der 'Underground'-Serie mit einer offensiv in die Mitte gesetzten künstlichen Lichtquelle auf einem Stativ und gesteht ein, daß dieser Teil der Welt ohne Licht auskommt und dennoch da ist. Gleichfalls menschenleer ist die Stadt aus großer Entfernung. In 48 kleinen Fotografien, aufgenommen aus der Vogelperspektive, zeigt Hatakeyama den auswuchernden Organismus Stadt ('Untitled'), der so etwas lebendiges bekommt.
Hatakeyama hätte auf die Darstellung einer englischen Musterhaussiedlung ('Still Life') m.E. auch verzichten können, aber eine Werkschau bezieht eben auch Momente der Schwäche ein (zumal der Künstler ein Stipendium bekommen konnte). Erst die letzte Serie ('Show Glass') kann wieder begeistern, in der Hatakeyama sich freizumachen scheint. Dieselbe Siedlung wird hier bei Regenwetter durch die Distanz schaffende Windschutzscheibe betrachtet, was die Szenerie verschwommen und albtraumhaft macht und ihr so vielleicht am ehesten gerecht wird.