- Die Übertragung der Form
- Es gibt nur eine zarte Andeutung von Analogie. Es gibt energetische Transformationen
- Also das Zeigen von Affekten, das Erfinden von Affekten, die Schöpfung von Affekten - in Verbindung mit den Wahrnehmungen und Visionen, die nach außen treten
"Wir befinden uns im Zeitalter der Partialobjekte, der Bausteine und Reste. Dahin der Glaube an jene falschen Fragmente, die, wie Stücke antiker Statuen, darauf harren, zusammengefügt und geleimt zu werden, um neuerlich eine Einheit, die gleichermaßen Einheit des Ursprungs ist, zu bilden."
Deleuze/Guattari: Antiödipus, Kapitalismus und Schizophrenie
Die Nähe und der Abstand zwischen den Operationen Bildverfertigung, Klangverfertigung und Stills bleibt offen.
Im Bereich des Sehens:
Das Auge muß in gewisser Weise das Sehen verlernen, um das Nicht-Visuelle sehen zu können. Es wird auch der Hand ein neuer Gebrauch zugeführt, für ein diskordantes Ereignis auf den Weisen stimmig-unstimmig Veränderung der energetischen Transformation. Also der Weg von verschiedenen körperlichen Befindlichkeiten (Körper in Bezug zum Raum) auf die Bildfläche (Körper in Bezug zur Fläche).
Die allmähliche Verfertigung des Bildes beim Malen.
I. Der theoretische Block. Das Sujet.
Das erste Empfinden. Zwischen Neugier und Skepsis. Etwas liegt zwischen dem Verbotenen - was jedoch in der Wunschkategorie vorhanden ist - und dem Erlaubten. Scheint so. Es kann auch sein, daß letzteres langweilig geworden ist. Wie nach einer fünfzehnjährigen Ehe. Nichts läuft mehr. Alles hat seinen Platz und seine Ordnung. Und das außergewöhnliche Ereignis verdichtet sich in der Planung für den nächsten Urlaub. Wie langweilig. Das erste Empfinden: es muß anders werden!
Also sich zeigen. Den eigenen Körper zeigen. Sich auch noch in der verhaltenen Geste des Schamlosen und Verruchten zeigen. Das bedarf der Überwindung. Denn der eigene Körper mit seinen Fehlern und Mängeln sucht nach einer Projektion. Das Idealbild mutiert zu einer meist unerfüllbaren Sehnsucht - und diese Sehnsucht kumuliert zu einer fixen Idee. Auch deshalb bedarf das Sich-Zeigen der Überwindung eigener Ängste: Wirke ich lächerlich? Wie wird über mich geredet? Welche Vorurteile entstehen bei der Beurteilung?
Das Sich-Zeigen ist somit in einer Kriegsmaschinerie gegen die zynische Beurteilung. Es fordert geradezu eine Anhäufung von Bildern. Immer mehr. Akkumulation. Immer mehr von sich zeigen. Immer mehr sich im Spiegel betrachten. Immer mehr von der eigenen Seele der Öffentlichkeit geben, schenken, verkaufen. Daß letzten Endes alle Kritik im Keim erstickt. Denn das eigene Empfinden ist immer anders, als die anderen denken und meinen.
Sich zeigen bedeutet: sich öffnen. Der Schutz, den die Kleidung der Nacktheit gegenüber gewährt, wird aufgegeben. Und dann geschieht etwas eigenartiges. Es vollzieht sich eine Umkehrung der Neugierde, was ja das Feld des Voyeurismus umwebt, hin zu einem Andeuten, und einem Kokettieren mit den Grenzen und deren Überschreitung.
Die Überschreitung beginnt schon mit der Verhüllung des Körpers. Ein anderes Aussehen annehmen. Eine andere Person darstellen. In eine fremde Rolle schlüpfen. Anders sein. Ein Tier sein. Ein Sklave sein. Ein Meister sein. Eine Maitresse sein. Eine Kaiserin sein. Im Idealfall fällt die Rolle mit den Sehnsüchten ineins. Um diesen Idealfall auf die Sprünge zu helfen, bedarf es sekundärer Dinge. Des Kaisers neue Kleider. Erklärung zum Freibeuter der Anschauung. Das eigene Ich möchte durch die Körperlichkeit bewundert werden. Es beginnt mit der Wahl des Stoffes. Nicht zu jedem Körper paßt ein transparentes Material. Das wiederum ist abhängig von der Situation, auch von dem eigenen Befinden und den Begehrlichkeiten, welche geweckt werden sollen.
Die zweite Haut wirkt also wieder wie ein Schutz. Sie umschließt die Nacktheit und bildet eine Art Mauer zwischen drinnen und draußen. Die Phantasie gerät dadurch mehrfach in Aufruhr. Einmal das Anschauen. Das Anschauen im Spiegel. Narzißtische Befriedigung. Das Anschauen des anderen. Erregt werden durch die Betrachtung. Und sich wohl fühlen in der zweiten Haut. Gewiß ein taktiles Erlebnis. Berührung. Berührt sein von der Stofflichkeit. Erregt sein durch das Empfinden von Kühle oder Nässe oder Wärme.
Hier beginnen die Geschichten. Geschichten die vor oder neben oder hinter den Bildern der Phantasie stehen. Ein ganzes Arsenal an Geschichten entfacht sich. Die Phantasie ist nicht nur in Aufruhr, sie explodiert geradezu. Wäre die Intention eines Bildes: einfach so für sich zu stehen - könnte man dieses Bild als gelungen erachten. Das Bild wäre dann Inspiration und Quelle für Phantasie. Die Intention wäre also nicht mehr reine Dokumentation, als bewahrender Blick einer vergangenen Geschichte, sondern eben im ganz originären Sinne: Anregung!
Heutzutage ist aufgrund der Bilderflut ja eine Verarmung von Geschichten festzustellen, vor allem Geschichten im Bereich des Begehrens und der Lüste. Oft ist Verführung eine Sisyphosarbeit. Weil das Romantische sich ausblendet zugunsten der Geilheit. Spannung gleich Aufschub gleich Erregung - das alles will unmittelbar erfüllt sein. Sofort! Philosophie jetzt! Und alle Hürden werden zugunsten der Beliebigkeit hinweg geworfen.
Einen Ausweg aus dem Dilemma bietet immer die Vorfreude. Es setzt Zeit und Anstrengung als Gabe für die Eroberung. Wie ein Befinden am Fuß des Berges - der Gipfel, der Klimax noch in weiter Ferne, aber der Weg ist schon ausgemacht und die Anstrengungen zum Erreichen klein. Die Belohnung das Zittern des Körpers, ein Schauer jagt den nächsten. Nun geht es los. Es werden noch vorher die Seile geprüft. Die Ausrüstung. Die Mittel. Die zweite Haut.
II.
a) Der praktisch-theoretische Block. Die Aktion. Grundlegung.
Fotos der Aktion von Horst Werner
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Was ist in Erwartung: eine Verwebung von verschiedenen energetischen Zuständen des Körpers mit der Bildfläche. In diesen Malaktionen - mal heftig, mal ruhig, mal obszön, mal klar … als eine Verbindung mit mehreren Personen - sind natürlich Berührungspunkte mit dem Theater gegeben: in eine Rolle schlüpfen, wie gesagt das Gesicht als Maske, sich als eine andere Person definieren, anders sein, sich fallen lassen können. Stärke zeigen. Hierein fällt auch die Binsenweisheit von Lacan: das Ich ist ein anderer. Originäre theatralische Punkte.
Um was geht es auf dem Papier? Um was geht es also auf der Fläche? Um ein Bild! Schlicht und einfach: um die Verfertigung eines Bildes! Linien, Markierungen, Spuren, Wunden, Male … Orte des Gedächtnisses, also Orte der Erinnerung, aber auch Orte der Projektion und der Wünsche - und dieses Zustandekommen auf dem Blatt Papier. Der Duktus ist eindeutig von der Situation geprägt. Die Stimmung zeichnet die Situation.
Ausgangspunkt ist die Verletzbarkeit des Menschen. Es gibt Verletzungen psychischer Art und es gibt Verletzungen physischer Art. Verletzung meint immer eine andere Person. Verletzung ist eine Übertragungsgeschichte. Eine Geschichte, die sich wieder neu einschreibt. Ich verletze Dich, meint: ich meine nicht Dich, ich meine eine andere Person. Das schwingt immer mit. Das wird oft vergessen.
Die Schutzmauern (Masken, Verhüllungen), was ja zur Minimierung dieser Verletzbarkeit führen soll - und deren aufbrechen, indem dieses thematisch in Szene gesetzt wird - fallen.
Aus diesem Kontinuum ist der Fetisch entstanden. Fetisch bedeutet ja auch Halt. Der Fetisch gibt inneren und äußeren Halt. Und einen Fetisch gibt es nicht ohne Ritual. Zum einen richtet sich der Fetisch gegen die Gewohnheit, jedoch das Ritual holt die Gewohnheit wieder ins Geschehen, nämlich der bestimmte Ablauf, das Ambiente, das stimmen muß, also das bestimmte Drumherum usf.
Verletzbarkeit wäre so fast synonym mit Schwäche. Nacktheit bedeutet auch: Sich schutzlos zeigen. Kein Verbergen. Der Willkür des Urteils der anderen ausgesetzt. Auch im Sinne von: eine Schwäche für etwas oder jemanden haben. Es geschieht etwas, was außerhalb der Vernunft liegt. Verliebt sein als Moment der Schwäche. Der Gegenbegriff, die Stärke, erwächst aber auch aus der Schwäche, oder vielmehr, durch den bestimmten Umgang mit der Schwäche. Das scheint auch die Tatsache zu belegen, daß gerade im SM-Bereich ja viel von Rollenspielen die Rede ist. Stärke kann also nur gewonnen werden, wenn die Verletzbarkeit unanbreifbar wird.
Insofern ist der Fetisch auch ein Archetyp des Theaters. Die Maske gibt es, seit es Theater gibt. Die Maske ist eine Veränderung der Mimik, ein Verbergen, eine Starre zeigen, sich anders zeigen, vor allem wenn es an die Grenzen geht. Der Fetisch ist auch eine Illusion, und dadurch natürlich ein starkes Motiv für die Anziehungskraft und deren Wirkungen. Fetisch bedeutet Fixierung: lange Beine, die in allen Frauen gesucht werden. Bestimmte Kleider, deren Wichtigkeit im Sexualakt einen höheren Stellenwert einnehmen als der Akt selbst. Oder, bereits sublimiert, eine Stoffpuppe, welcher magische Kräfte zugesprochen werden.
Eine bestimmte Befriedigungsweise ist in den Bann einer Wiederholung geraten. Starkes Motiv für die Transformation von energetischen Befindlichkeiten.
II.
b) Der theoretische- praktische Block. Die Aktion. Transformation.
Die Frage des Bewußtseins ist immer ein besonderes Problem. "Zerstöre nicht meine Illusionen!" Was verbirgt sich nicht alles hinter diesem Ausdruck? Gäbe es nur Bewußtsein, also keine Affekte, keine Triebe, kein Unbewußtes, kein Begehren, keine Illusion - wie arm wäre die Welt! Eine reine aseptische Maschinenwelt. Eine Retrowelt. Rein insofern, weil der organlose Körper dann tatsächlich in aller Konsequenz ein real existierender voller Körper wäre. Keine Oberfläche mehr, keine Wünsche.
Transformation kann also nur geschehen, wenn die Widersprüche sich zeigen und ein Umgang damit möglich ist. Etwa in der uralten Aufteilung von Subjekt und Objekt. Letzteres - als Objekt der Begierde - ist immer mit dem Verdacht der Ausblendung verknüpft. ("Nimm mich so wie ich bin und nicht wie ich sein soll!") Insofern ist die Objektivität tatsächlich ein schwieriges Unterfangen, weil es die konkrete Situation suspendiert. (Konfliktfeld: realer Anderer versus idealer Anderer.)
Das Malen und Zeichen speiste sich lange Zeit aus dem Feld der Einteilung. Wie ein räumliches Gebilde auf der Fläche einteilen? Kartographie des Körpers - Proportionen, Fluchtlinien, also die schematische Einteilung der Perspektive in der Reduzierung des Raums auf die Fläche. Was einen Umriß erzeugt, ist abhängig von der Einteilung zwischen dem Innen des Körpers und dem Außen, wovon alles vom Körper geschieden ist. Reines Außen …
Abstraktion bedingt auch stets eine Depersonalisierung. Abstrakt ist nicht konkret. Einen Leib berühren ist kein abstrakter Vorgang. Ein abstrakter Körper ist also ein depersonalisierter Körper. Ein in ein Bild gepresster Körper. Es geht um die Rückholung des abstrakten Körpers auf die Fläche. Gewiß ein schwieriges Unterfangen! Denn der Körper in der tradionellen Anschauung ist vom Umriß gezeichnet. 'Sich ein Bild machen' bedeutet, den Körper mit einer Schablone versehen, ihn in Umrissen zu zeichnen. Ihn als Objekt darstellen. Dieses Objekt im übertragenen Sinn im Griff haben. Den Körper also in ein Bild pressen. Es kann aber auch anders geschehen … und deshalb die allmähliche Verfertigung …