Es ist schon bezeichnend, daß Gerhard Richters Gemäldezyklus zum 18. Oktober 1977 nicht in Deutschland blieb, weil sich für die Bilder kein Käufer gefunden hatte. Nun hängen sie im New Yorker Museum of Modern Art und wurden dort mit einer außergewöhnlichen, umfangreichen Publikation gewürdigt. Die in Schwarzweiß gemalten, verwischten, nach Presse- und Polizeiphotos entstandenen Bilder besitzen eine suggestive Kraft, von der auch hierzulande häufig geschrieben wurde. Richter hatte verstanden, die Ereignisse rund um Mogadischu und den Tod der in Stammheim arrestierten RAF-Terroristen, auf eine Weise ins Gedächtnis zurückzurufen, die ein äußerst unangenehmes, flaues Gefühl vermittelte. Ohne selbst in irgendeiner Form Partei zu ergreifen, vermittelte Richter mit den verwischten, zum Teil kaum mehr identifizierbaren Motiven weniger, daß es sich hier um einen lange vergangenen, fernen Teil der deutschen Geschichte handelt, sondern vielmehr, daß es sich hier um Verdrängtes, noch lange nicht Abgearbeitetes handelt. Die Verdrängung und der mit ihr einher gehende unreflektierte Umgang mit der RAF ist den Bildern eingeschrieben – sie mahnen zur Erinnerungsarbeit im besten Sinne, indem sie die Verdrängungen an sich selber sichtbar machen.
Zu einer solchen Erinnerungsarbeit, die nicht nur am Feindbild von ideologisch vernarrten Gespenstern einer glücklicherweise verbannten Vergangenheit arbeitet, ist in Deutschland noch kaum jemand bereit, wie jüngst erst die Debatte rund um Joschka Fischers »Sponti«-Vergangenheit gezeigt hatte. Umso erstaunlicher, daß dies in den USA gelingt und dort wohl auch nur gelingen kann, weil die USA in dieser Form nie von einem linken Terrorismus getroffen und in ihren Grundwerten erschüttert wurden. Der vorliegende, von einem ausführlichen Text begleitete Bildband ist natürlich auch der Tatsache zu verdanken, daß die Geschichte der deutschen Nachkriegszeit, aus deren Bedingungen die RAF unmittelbar hervorging, dem amerikanischen Publikum erst einmal transparent gemacht werden muß. Dies gelingt Robert Storr auf vorbildliche Weise. Sein Begleittext, der hier auch in einer deutschen Übersetzung vorliegt, bemüht sich vorbildlich, die historischen Ereignisse möglichst ohne Wertung in all ihren Aspekten zu rekonstruieren. Darunter finden sich dann auch Sätze, die zu schreiben hierzulande gerne unterdrückt wird, etwa zur Beerdigung von Hans Martin Schleyer: "Bei seiner Beisetzung, in Anwesenheit führender Vertreter aus Regierung und Wirtschaft, darunter nicht nur des sozialdemokratischen Bundeskanzlers Helmut Schmidt, sondern auch anonymer Militärs mit Schmissen im Gesicht, mögen viele, die Schleyers Tod betrauerten, zu denen gezählt haben, denen Hannah Arendt bereits viele Jahre früher einer »bewusste Weigerung«, über die Katastrophe des Nationalsozialismus zu trauern, oder eine »echte emotionale Unfähigkeit« dazu attestiert hatte."
Den Gemälden von Richter nur angemessen, geht es Storr um nichts anderes als eine Verstehbarmachung der damaligen Motivationen, Ideologien und Handlungen auf beiden Seiten. Das von ihm nachgezeichnete Schlachtfeld ist - beinahe schon im Sinne einer Schullektüre - vorbildliche Aufbereitung und ein hervorragendes Beispiel dafür, wie Kunstgeschichte gesellschaftliche Machtverhältnisse bestensfalls ein wenig transparenter abbilden kann.