Performance Art in NRW
Enno Stahl über eine internationale Festival-Reihe in verschiedenen nordrhein-westfälischen Städten
Bereits zum vierten Mal finden momentan die "Performance Tage NRW" statt, und zwar als eine Art "dezentrisches Festival": an Stelle der Konzentration auf einen Ort nämlich siedelt dieses Meeting sich übers Jahr verteilt in mehreren Städten des Bundeslandes an. Als Organisator fungiert das E.P.I. Zentrum NRW (Europäisches Performance Institut NRW), dahinter verbergen sich der Kölner Performer und Networker Boris Nieslony und der Schriftsteller Peter Farkas, ebenfalls Köln, gemeinsam mit ihren Veranstaltungspartnern, speziell dem Maschinen-haus der Zeche Carl in Essen, cuba cultur in Münster und der Kölner Orangerie.
Der Grundgedanke sowohl der Veranstaltungsorganisation als auch des Festivals liegt in einer dauerhaften Vermittlung von Performance und Live Art, in der Hoffnung, dieser mitunter etwas stiefmütterlich behandelten Disziplin ein besseres Forum und mehr Auftrittsmöglichkeiten zu verschaffen. So erhofft sich Initiator Nieslony, dass noch weitere Co-Veranstalter zum E.P.I. Zentrum hinzu kommen. Zielperspektive auf längere Sicht wäre dabei die Entstehung eines unabhängigen Netzwerkes von Veranstaltern in NRW, die Performance auch ohne Einbindung in die jetzige Struktur zu einer dauerhaften Einrichtung in dem Land werden lassen.
Arbeit von Sakiko Yamaoka
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Kölner Station des diesjährigen Festivals, das unter dem Zeichen der Nachwuchssichtung und -förderung steht, war die Orangerie im Volksgarten. Hier wurden schwerpunktmäßig Künstler vorgestellt, die ganz am Anfang ihrer Performance-Laufbahn stehen und ihre ersten öffentlichen Auftritte absolvieren. Sie sahen sich mit erfahrenen Performern konfrontiert, an deren Auftritten sie sich in ihrer Arbeit messen lassen mussten, ein Vergleich, der nicht immer positiv ausfiel. So zeigten einige der jungen Aktionskünstler wenig Gefühl für ein ausgeglichenes Verhältnis von Zeit und Dramaturgie (Stephan Reim, Melati Suryodarmo), auch scheint das Wissen um die inzwischen fast fünfzig-jährige Tradition der Performance-Kunst lückenhaft. Man konnte sich bisweilen des lähmenden Eindrucks nicht erwehren, das alles schon sehr oft und sehr viel pointierter gesehen zu haben. Wie anders nahm sich dagegen die kräftige und souveräne Bildsprache Chumpon Apisuks aus, einer zentralen Künstlerpersönlichkeit Thailands, der im Rahmen seiner Performance eine metaphernschwere Installation aus weißen Handschuhen, weißen Nelken und darüber gestreutem Salz produzierte. Mit den Blumen veranstaltete er sodann rasende Drum-Solos auf einer Metallröhre, Klang und Zerstörung gleicherhand. Eine überzeugende Arbeit lieferte auch Sakiko Yamaoka, die eine Reihe von Zuschauern sich gegenseitig den Herzschlag abhören ließ, den jeweiligen Takt auf einem Metronom einstellte, daraufhin ihre auserwählten Kollaboranten zu einer Menschentraube formte unter dem lauten Ticken des Metronom-Chors. Einen sehr starken Auftritt bot zudem der Indonesier Boedi S. Otong, der quasi ohne Material den gesamten Raum bespielte: in minimalistischer Manier stützte er sich allein auf archaisch anmutende Bewegungen und Laute. Er zeigte zugleich auch einen sehr wichtigen Aspekt dieser Kunst-Disziplin auf: Performance ist das Überraschende, nicht (oder nur selten) das Vorhersehbare. Während bei jüngeren Kollegen (Reim, auch der Serbin Tatjana Ilic) im Grunde schon immer, bevor sie etwas taten, erwartbar war, was sie tun würden, lebte Otongs Arbeit von der Improvisation (etwa im Eingehen auf einen bellenden Hund im Publikum) und dem Offenlassen bestimmter Informationen. Gleich am Anfang etwa hatte er ein weißes Taschentuch auf den Boden gelegt, ohne es in Folge weiter zu beachten, man fragte sich die ganze Zeit, welche Bedeutung es haben würde. Das löste sich erst am Ende auf, als Otong es den Zuschauern zum Kauf anbot.
Ein gewisser Lichtblick unter den Nachwuchs-Akteuren war Mimi Fadmi, ebenfalls aus Indonesien, sie brachte schon dadurch einen eigenen Akzent ins Spiel, als dass sie popkulturelle Aspekte miteinbezog, was in der Performance-Kunst bis heute erstaunlich selten geschieht. Unter laut dröhnenden Techno-Beats stieg sie in eine überdimensionale Einkaufstasche mit Logos bekannter Mode-Designer und bürstete sich exzessiv mit Seifenlauge ab, stellte, wie sie später sagte, einfach nur ihr alltägliches Leben dar. Hier mag sich tatsächlich ein neuer Zugang zur Aktionskunst andeuten.
Ob die Kluft zwischen älteren und jungen Performern dieses Mal eher zufällig oder doch exemplarisch war, diese Frage mögen die nächsten Termine der "Performance Art in NRW" beantworten: am 11. Juli, 5. September und 9. November 2003 werden wiederum internationale Performer im Maschinenhaus Essen gastieren, Beginn jeweils 19.30.