, stellt sich den Herausforderungen des textilen Gestaltens – mit zunehmenden Erfolg und wachsender Anerkennung. Im Mittelpunkt steht der dreidimensionale bewegte Körper, seine (Bewegungs-)Freiheit und Spielfreude. Seit September 2003 betreibt Heike Ebner den Schnitzel-Shop in Kreuzberg.
Svenja Moor:
Nach deiner Ausbildung zur Damenschneiderin und dem Studium Bühnenbild am Staatstheater Stuttgart und an der Akademie der Bildenden Künste Stuttgart hast du vor gut zehn Jahren dein erstes Modelabel gegründet. Warum machst du Mode und welche Ziele verfolgst du damit an?
Heike Ebner:
Ja, manchmal stelle ich mir genau dieselbe Frage. Ich habe auch schon oft versucht aufzuhören, aber es hat mich immer wieder zurückgezogen. Mode steht immer in Verbindung mit dem lebenden Körper, der das dann tragen wird …
Svenja Moor:
Der bewegte Körper?
Heike Ebner:
Der bewegte Körper, genau! Und das hat natürlich damit zu tun, dass man sich darin wohlfühlen sollte, damit lebt und damit rumläuft. Mich reizt die Umsetzung ins Dreidimensionale, der Prozess, wenn man ein Bild in etwas Haptisches umsetzt.
Svenja Moor:
Die Idee, die man im Kopf hat, muss sich letztendlich auch am Körper bewähren und als tragfähig, als haltbar, als belastbar herausstellen.
Heike Ebner:
Ja, das ist das eine Ding. Aber bei Mode spielt auch die Gegenwart eine wichtige Rolle. Mode hat viel mit einem Lebensgefühl zu tun.
Svenja Moor:
Was ist das für ein Lebensgefühl?
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Heike Ebner:
Mir geht es darum, neue Formen zu finden. Anzufangen, etwas aus einem Textil zu modellieren und nicht zu wissen, was hinten raus kommt. Das heißt jetzt nicht, dass ich plötzlich einen Geistesblitz habe und dann ist das Ding da. Vielmehr basiert mein Arbeiten auf diesen ganzen Erfahrungswerten, und die erleichtern dann den Prozess. Viele Fehler passieren mir dann gar nicht mehr. Man kann sich zum Beispiel im Stoff vergreifen, im Nähgarn oder im Schnitt, da gibt es viele Sackgassen. Es ist ganz toll, dass man nach so einer langen Zeit viel intuitiver arbeiten kann aufgrund dieser Basis.
Ich komme ja vom klassischen Schneidern her. Also in Europa gibt es Schnittkonstruktionen, und die Schnitte werden aus dem Stoff rausgeschnitten. Der Stoff wird sozusagen verhackstückelt. Und in Asien oder in arabischen Ländern ist es so, dass man das ganze Material ausnutzt. Es gibt kaum Abfallstücke. Die europäische Schnittkunde gibt eine Körperhaltung vor. In einem Anzug zum Beispiel ist Rosshaar drin.
Svenja Moor:
Rosshaar zum Verstärken?
Heike Ebner:
Rosshaar zur Verstärkung, das innen zwischen Futter und Anzugstoff genäht wird. Wenn du in eine gute Anzugsjacke reinsteigst, die für dich gemacht ist, das ist schon: (zieht die Schultern ruckartig zurück und stößt einen kurzen Pfiff aus). Dann stehst du schon da. Bei diesen arabisch-asiatischen Schnittformen dagegen kommt es auf eine innere Haltung an. Der Stoff wird erst durch den Träger zu einem Kleidungsstück. Deshalb versuche ich, diese asiatischen, arabischen und europäische Elemente zu vermischen. Erstens wegen der Recycling-Idee – so wenig Abfälle wie möglich. Zweitens möchte ich dem Träger keine vorgegebene Form Haltung unterjubeln. Mein Traum ist, das jeder seine Haltung findet und damit spielt.
Svenja Moor:
Dieser Aspekt, dass eine Kultur bestimmte Verhaltensweisen hervorbringt, ist mir auf einer abstrakten Ebene immer klar gewesen. Aber das Beispiel mit dem Anzug bringt ziemlich genau auf den Punkt, wie Kleidung Bewegungsabläufe bestimmt. Von Dir stammt das Stichwort entspannte Hosen“. Gehört das auch in diesen Kontext?
Heike Ebner:
Ja, als ich in Asien unterwegs war, habe ich eine Hose entdeckt, eine einfache Thai-Hose, so geschnitten wie thailändische Arbeiter- oder Fischerhosen geschnitten sind. Meine Thai-Hose für Europäer ist halt etwas länger und auch aus anderen Materialien. Sie ist so gearbeitet, dass jeder sie auf seine Weise um den Körper wickeln kann. Durch die lange unterteilte Gürtelschlaufe gibt es vier verschiedene Möglichkeiten, den Gürtel so einzuziehen, wie man es braucht und wie man gerade Lust hat.
Svenja Moor:
Es gibt ja nicht nur die Möglichkeit, die Kleidungsstücke in der Größe zu verstellen, sondern du hast auch multifunktionale Kleidungsstücke entwickelt.
Heike Ebner:
Ja, zum Beispiel den Kombikaftan. Das ist eine Schürze, an deren Schulter man ein Rückenteil befestigen kann, und dann wird aus der Schürze ein Kleid, das man dann wieder eher europäisch oder mehr asiatisch wickeln kann. Und das Rückenteil kann man auch als Wickelrock wieder verwenden. Vorstufe zu dem Prinzip des Wickelns und des Kombinierens war die Idee, das Innere nach außen zu wenden, so dass die Konstruktion ganz offensichtlich wird. Die Abnäher habe ich alle nach außen gelegt und richtig schön mit Fadenenden hängen lassen.
Svenja Moor:
Als gestalterisches Mittel?
Heike Ebner:
Genau. Ich setze zum Beispiel auch diesen großen Zick-Zack-Stich ein, den man eigentlich zum Randrieren verwendet, also um diese Rosshaareinlage zusammenzufügen. Der ist superschön und den sieht sonst kein Mensch.
Svenja Moor:
Neben diesen Stilmitteln, die sich direkt aus der Nähtechnik ergeben, verwendest du ja auch noch weitere Dekorelemente. In deiner aktuellen Kollektion Modern Moyenne Age“ taucht so eine Art Applikation auf, die an Schweißflecken erinnert. Dazu fand ich die Hinweise Kaugummi und Silikon?
Heike Ebner:
Ja, Silikon ist das Material. Das sind einmal diese abstrakten Armschweißflecken. Die Chewingum-Spots sind noch mal was anderes. Das sind so kleine Kaugummifleckchen, ebenfalls aus Silikon. Die imitieren dieses Ding, was entsteht, wenn man sich in einen Kaugummi setzt. Dabei entsteht dann meistens eine Falte, weil der Kaugummi den Stoff zusammenklebt. Und dann gibt es noch diese Kaffeetassenränder, die auch aus Silikon sind.
Svenja Moor:
Modern Moyenne Age, das ist von der Gegenwart aus interpretiertes Mittelalter. Steckt hinter der Wahl des Titels mehr als eine nur lockere Assoziation?
Heike Ebner:
Modernes Mittelalter, weil wir heute, sozial betrachtet, wieder im Mittelalter angelangt sind, wenn auch mit modernen Technologien. Wo jedes Mittel recht ist, um irgendwie ans Ziel zu kommen. Es handelt sich ja um ein Wortspiel, auch wenn das kaum einer versteht: Ich schreibe ja Moyenne“ und nicht Moyen“ und deute damit dieses Mittel zum Zweck an. Diese Doppeldeutigkeit findet sich auch konkret in den Textilien wieder: Einmal das rein Weiße, eine Anspielung auf die weiße Weste und das Sich-Eine-Scheinwelt-Aufbauen und darauf eben diese Flecken. Das ist aber gar nicht pädagogisch, moralisch oder politisch gemeint, sondern so auf meine Art ausgedrückt.
Svenja Moor:
Was interessiert Dich an der Zusammenarbeit mit Bildenden Künstlern, Literaten und Musikern? Du hast zweimal für Seeed Kostüme entworfen, für Thomas D …
Heike Ebner:
Für Thomas D. habe ich eine Wohnlandschaft entworfen, zusammen mit phil farmer. Ich habe eine Zeit lang öfter Innenräume gestaltet: Clubs, Kneipen und Privaträume. Musik und Mode finde ich sehr wichtig zusammen.
Svenja Moor:
Dein neuer Laden bietet ja auch explizit die Möglichkeit für Kooperationen mit anderen Künstlern. Es gibt einen Showroom, den du an andere Künstler untervermietest.
Heike Ebner:
Es ist total langweilig, wenn man immer nur im eigenen Quark rührt. Ich möchte die Zusammenarbeit mit Leuten aus anderen Bereichen nicht missen, denn da passieren so viele Dinge. Man entwickelt sich gemeinsam weiter und auf kommt auf ganz neue Ideen, erlebt ganz andere Denkstrukturen und Herangehensweisen.
Svenja Moor:
Dir weiterhin viel Spaß, viel Erfolg und herzlichen Dank für das Gespräch!