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Juli 2007
Sigrid Gaisreiter
für satt.org

(K)ein Täuschungsmanöver

Frances Follin, Claus Pias,
Martina Weinhart, Max Hollein:
Op Art

Verlag der Buchhandlung
Walther König 2007

Frances Follin, Claus Pias, Martina Weinhart, Max Hollein: Op Art

Kart., 319 S., 76 farbigen
und 30 s/w Abb. 36,00 €
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Zu Beginn der 1960er Jahre formierte sich mit Op Art, die Abkürzung von Optical Art, eine Kunst mit starkem Interesse am wissenschaftlichen Experiment, der Untersuchung visueller Phänomene und Wahrnehmungsprinzipien. Die Täuschungsmöglichkeiten des Auges auslotend, setzten einige Künstler, fasziniert von den physikalischen Gesetzen des Lichts und der Optik, auf gezielte Irritation von Wahrnehmung. Die Kunsthalle Schirn in Frankfurt/Main präsentiert vom 17.2. bis 20.5.2007 einen Überblick der wichtigsten Positionen dieser Kunstströmung, die, wie wenige Kunstrichtungen, sich global verbreitete. Darin kann man auch einen Reflex auf die Universalität der eingesetzten künstlerischen Mittel sehen.

Die Op Art spielt mit den sensorischen Voraussetzungen des Betrachters, indem sie das Auge absichtlich überlastet. Es entstehen dabei Effekte wie Kontrastwirkung, Überblendungen, Nachbilder, Gefühle räumlicher Bewegung und sie läßt den Betrachter Dinge sehen, die nicht vorhanden sind. Insofern leistet diese Kunst auch Bewusstseinskritik, denn ein "reines" Sehen erscheint illusionär. Kongenial verdeutlicht das Programm der Op-Artisten der Umschlag des Katalogs zur Ausstellung. Auf einem diagonalen schwarz-weißen Streifenfeld werden die Buchstaben des Schriftzugs Op Art durch Richtungsumkehrung schwer lesbar. Leicht und flüssig ist hingegen der Eingangstext von Martina Weinhart, die zusammen mit Max Hollein die Ausstellung einrichtete. Ihre Kurzgeschichte der Op Art führt in die grundlegenden Prinzipien dieser Kunstströmung und deren Vorläufer ein. Aus der Ferne strahlt der Neo-Impressionismus Ende des 19. Jahrhunderts, der sich wissenschaftlich mit Licht beschäftigte, Op Art nahm Anregungen aus der konstrukiven Kunst und vom Bauhaus auf. In den 1940er Jahren entstanden einige Op-Art Arbeiten, ohne dass ein Begriff dafür vorhanden war. Weinhart gesteht der im April 1955 in der Pariser Galerie Denise René veranstalteten Ausstellung "Le Mouvement" einen "besonderen Effekt auf die Entfaltung der Op Art" zu. Ein Element, die Integration von Bewegung ins Kunstwerk, tritt dabei deutlich auf, Kinetik und Op Art werden daher häufig auch zusammengefaßt. Arbeiten von Jean Tinguely oder Alexander Calder stehen dafür. Kumulativ auf das Entstehen der Bewegung wirkte die gleichzeitige Ausstellung von Arbeiten Victor Vasarelys, der sich auch dem Thema Bewegung widmete, "plastischer Kinetismus" genannt. Auch in Deutschland war eine Gegenbewegung zum vorherrschenden Informell, einer expressiv gestischen Malerei, mit der Gruppe "Zero" um Otto Piene, Heinz Mack und Günther Uecker, gewachsen. Deren Konzept und Wirken wurde erst im vergangenen Jahr in einer großen Ausstellung im museum kunst palast in Düsseldorf gezeigt. Diese Gruppe pflegte mit einigen der hier genannten Gruppen wie "Equipo 57" (Spanien), "GRAV" (Frankreich), "Gruppo N" (Padua), "Gruppo T" und "Gruppo MID" (Mailand) und "Dwischenije" (Moskau) engen Kontakt und sie veranstaltete bereits 1958 eine große Ausstellung. Es ergeben sich somit personelle und stilistische Überschneidungen, bei den Zeroisten trat zum Interesse an Lichtstrukturen und dynamischen Raumkonstellationen noch die Beschäftigung mit seriellen Bildordnungen.

Schnell kam für die OpArtisten der Erfolg, das Ende der Bewegung als Gruppenphänomen kam dann in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre. Danach ging es auch noch weiter mit der Op Art, aber nur noch individuell und sie hielt sich dauerhaft auf dem Kunstmarkt, ja, in den 1980er Jahren war ihr ein Revival beschieden. Frances Follin, der sich im nächsten Textbeitrag auch mit der Einbeziehung von Körpern in opartistische Darbietungen befaßt, setzt sich mit den Vorbildern einer neuen Künstlergeneration wie Philip Taaffe (*1955) auseinander. Op Art, das zeigt der Katalog sehr schön, kennt viele unterschiedliche Bildstrategien. So trat Vasarely an, diese Kunst zu popularisieren. Das gelang ihm auch durch drastische Komplexitätsreduktion, er stellte einen Bausatz von Farb- und geometrischen Formkombinationen als Ausgangsprototypen für weitgehende standardisierte Bildkompositionen zusammen, gedacht zum Spiel für alle. Der Bausatz hieß "Schaffen Sie Ihren Vasarely", die optischen Wirkungen wurden durch musterähnliche Wiederholungen und Verschiebungen generiert – wie beim Sudoku, die Kombinationsmöglichkeiten sind immens. Zwar blieb der Kombinierer bei Handarbeit, der Grundstein einer maschinengenerierten Kunst indes war gelegt. Der Weiterentwickler ließ nicht lange auf sich warten, der spanische Künstler Manuel Barbadillo schrieb ein Computerprogramm zur Generierung von Op Art Bildern. Mathematik und Kunst gehen in der Op Art eine produktive Verbindung ein. Das ist kein Täuschungsmanöver, sondern zu besichtigen in einem herrlichen Katalog.