Zehn kleine Teenager
Alles, was sie nie über die »Scream«-Serie wissen wollten
Durch die "
Scream"-Trilogie wurde ein Genre wieder zum Leben
erweckt, das man schon als sanft entschlummert dünkte. Aber genau wie
Jason, Michael und Freddy nicht totzukriegen sind, ist auch das Sub-Genre
des Horror-Films, das sich um Serienmörder und ihre zumeist jungen Opfer
dreht, "unkaputtbar".
Das Autorenpaar Sascha Westphal und Christian Lukas ist bisher nur
durch einige Veröffentlichung zu "Mystery"-Fernsehserien wie "
Buffy",
"
Akte X" oder "
Millenium" hervorgetreten. Mit "
Die Scream-Trilogie …und
die Geschichte des Teen-Horrorfilms" trauen sie sich an einen sehr viel größeren
Fachbereich.
Die Scream-Trilogie ist natürlich der Aufhänger des Buches,
hartgesottene Fans der Serie werden sich darum ebenso reißen wie um
Merchandise-Artikel wie die an Edvard Munch erinnernde Maske nebst Umhang,
aber der weitaus lesenswertere Teil ist "Die Geschichte des
Teen-Horrorfilms", die zusammen mit einer umfangreichen Filmographie und
einem Kapitel über den "Stalker-Film und seine Regeln" gut die Hälfte des
Bandes ausmacht.
Hier erfahren wir von den Anfängen des Genres, von
Horror-Klassikern von Jacques Tourneur, jugendlichem Kino-Rebellentum mit
James Dean, kassenträchtiger Exploitation wie "
I was a Teenage
Werewolf" und natürlich von "
Psycho", "
The Texas Chainsaw Massacre",
"
Halloween" und allem, was danach Anfang der 80er Jahre auch die
bundesdeutschen Videotheken überschwemmte. Die Hintergründe sind gut
recherchiert, einige Zusammenhänge werden überzeugend herausgestellt,
unterschwellige Themen wie Rebellion, Initiationsriten und der Ausbruch
der jugendlichen Sexualität werden ebenso abgehandelt wie die
gesellschaftsspezifischen Veränderungen etwa innerhalb des
Kino-Zielpublikums.
Das Hauptproblem des Buches ist die wenig überzeugende
Themenvorgabe, die Kreation und Definition des Genres
"Teen-Horrorfilm". Reichen wirklich schon die jugendlichen Zuschauer und
die auf der Leinwand verfolgten Altersgenossen, um eine eigenständige
Filmgattung ins Leben zu rufen, die so unterschiedliche Filme wie "
How to
make a Monster", "
Carrie", "
Lost Boys" oder "
American Werewolf in Paris"
ebenso wie die "
Friday the 13th"-Serie umfasst?
Wobei gar nicht die unterschiedliche und manchmal sehr fragwürdige
Qualität dieser Filme der Angriffspunkt ist, filmwissenschaftliche
Untersuchungen etwa über Bergfilme und Pornos haben ja auch ihre
Berechtigung. Aber die Autoren sind sich in ihrer wenig kaschierten
Begeisterung wahrscheinlich nicht einmal der unfreiwilligen Komik bewußt,
wenn sie dem kritischen Leser ein "verschmähtes" Genre nahebringen wollen,
indem sie so seltsame Sub-Genres wie "rape revenge movies", "home
invasion-Thriller", "Teenager-Monster-Film" und "Puppen-Horror" dazu
benutzen, nahezu jedes vermeintlich unterschätzte Werk in eine wenig
schmeichelhafte Schublade zu stopfen.
Doch nun zum Teil des Buches, der sich an die Fans der
"Scream"-Reihe wendet (und das dürfte bei weitem die Mehrheit der
Leserschaft sein). Den wichtigsten Mitwirkenden an der Serie werden
ausführliche Biographien gewidmet. Vor allem natürlich
Wes Craven, dem
Regisseur aller drei Filme, der zuvor bereits als Erfinder der Figur
Freddy Krüger aus "
A Nightmare on Elm Street" Kultstatus erreichte.
Kevin
Williamson, der als Autor von "Scream" von den Medien vielfach zum neuen
Wunderkind erklärt wurde, konnte neben einigen weiteren Drehbüchern ("
I
know what you did last summer", "
Scream 2", "
Faculty") nicht nur mit
"
Teaching Mrs. Tingle" einen Regieauftrag an Land ziehen, auch seine
Fernsehserie "
Dawson´s Creek" wurde ein großer Erfolg.
Unverständlicherweise ist der Teil über
Neve Campbell, die
Hauptdarstellerin, noch größer als der über den Autoren. Hier und in den
Kurzporträts der anderen Darsteller kann man sich des Eindruckes nicht
erwehren, daß der in den Autoren Westphal und Lukas innewohnende Fan wütet
wie ein Serienmörder. Wie "Leatherface" keine moralischen Bedenken beim
Zusammenstellen seines Ernährungsplans zu haben scheint, vermisst man hier
die wissenschaftliche Objektivität schmerzhaft, wenn wie in der "Bravo"
die Karriere der Jungstars nebst Affären und Anekdoten geschildert wird,
und die Autoren durchaus ihre Probleme dabei haben, Fragen darüber, ob
Katie Holmes besser als
Sarah Michelle Gellar aussieht, unbeantwortet zu
lassen.
Auch die detaillierte Inhaltsangabe mit paralleler Analyse der
"Scream"-Reihe kann nicht völlig überzeugen. Zwar geben sich die Autoren
Mühe, jede Feinheit, jeden Insider-Joke, jeden Querverweis zu erklären,
aber manche Kleinigkeiten sind einfach ärgerlich, und lassen den
aufmerksamen Leser daran zweifeln, wie gut die Autoren sich in ihrem
Metier auskennen. Das Studium von einschlägigen Zeitschriften wie
"
Fangoria" oder "
Femme Fatales" reicht manchmal halt doch nicht, selbst in
einer frühen Kritik zu Scream wird eine "Hommage" an einen zumindest im
deutschsprachigen Raum zeitweise berüchtigten Horrorfilm erwähnt, die den
Autoren entgangen scheint. Und wenn sogar der "evangelische Pressedienst"
sich besser im Metier auskennt, wage ich nicht daran zu denken, was
ausgesuchte Experten noch alles wissen, was den Autoren hier entging.
Aber am seltsamsten ist es, daß Cotton Weary, eine der
Hauptfiguren der Serie, in der Filmanalyse hartnäckig "Cotton
Leary" genannt wird, was mitunter dazu führt, daß man über mehrere Seiten
abwechselnd den richtigen und falschen Namen des Protagonisten liest, und
sich dann fragt, ob dies wohl eine versteckte Signatur der beiden Autoren
ist, denn ihre Nachnamen beginnen ja mit den selben Buchstaben. Wenn mal
von "Nero Wulf" gesprochen wird, verzeiht man das Unwissen der jungen
Autoren, aber es erfüllt den Leser sicher nicht mit Ehrfurcht, daß sie
nicht einmal wissen, wie eine der Hauptfiguren geschrieben wird.
Und wenn man dann noch am Ende des Buches "Die Top Ten des
Teen-Horrorfilms" in zweifacher Ausführung bestaunen kann und die
Filmographie mit (sehr zweifelhaften) Punktewertungen versehen wurde,
kommt man sicher nicht mehr auf die Idee, es hier mit einer
ernstzunehmenden filmwissenschaftlichen Abhandlung zu tun zu haben, auch
wenn durchaus vielversprechende Anfänge gemacht wurden.