Hauke Hückstädt
Enno Stahl im Gespräch mit dem Autor
Die Gedichte in Hauke Hückstädts erster, größerer Einzelveröffentlichung wirken schlicht, unprätentiös. Anders als bei vielen anderen zeitgenössischen Lyrikern wird hier nicht die Sprache gezerrt, zerschlagen, fragmentarisch gebrochen, sondern sie bleibt einer ruhigen, nahezu besinnlichen Einfachheit verpflichtet. Diese scheinbare Alltäglichkeit des Sprechduktus ist geradezu Programm:
Hauke Hückstädt: Ich mag sehr gerne, wenn Gedichte so reden wie wir und dennoch leicht entrückt sind, wenn sie einen Parlando-Ton sprechen und wenn sie auch in den Stoffen, die sie aufgreifen, alltäglich bleiben und dahinter doch eine Wucht erkennen lassen, darin kräftig sind, das heisst, man muss nicht die Welt in den Mund nehmen oder benutzen, um Welt zu erfassen, sondern nach wie vor glaube ich daran, dass man im Kleinen das Große erkennen könnte und das Sicherste, was man dazu hat, sind natürlich Erfahrungen, und diese eben so klar darzustellen, dass mir selbst daran wieder Geheimnisse aufkommen. Und ich glaube, dass Gedichte eben sehr gute und sehr zuverlässige Geheimnisträger sind.
Besonders im ersten der drei Buchteile, “Ostelbische Briefmarke” benannt, sind Kindheit und Pubertät vorherrschende Themen. In aller Unangestrengtheit werden ausschnitthafte Situationen, Erlebnisse und Bilder heraufbeschworen, immer nahe am Alltäglichen. Fast scheinen sie ihren Anlass, den Grund für ihre Existenz als poetischer Text, bewusst verbergen zu wollen, wie etwa in dem Gedicht “Autoskizze, Seelower Höhen”. Eine nicht näher beschriebene Landschaft, ein “dunkles Du”, eine heraufgerufene Erinnerung, die nur den beiden Protagonisten des Gedichtes bekannt ist, dem Leser aber vorbehalten bleibt - sind dies verklausulierende Versuche, eine private Mythologie zu entwerfen?
Hauke Hückstädt: Private Mythologie, würde ich sagen, nein, eher um ein Entmythologisieren würde es mir gehen, eben genau das Gegenteil. Ich bin in so einer Boheme aufgewachsen, in den 70er, 80er Jahren, in der DDR, in Künstlerkreisen, da gibt's auch zahlreiche Gedichte, die das aufgreifen, wo ich versuche, mit ‘nem schärferen Blick, als ich den als Kind hatte, da raufzugucken, mir das noch mal zu vergegenwärtigen.
Nahezu zwangsläufig geraten somit Eltern, Verwandte, Personen des engsten Umkreises in den Perspektivbereich dieser Lyrik, Hückstädt spricht gar vom Genre des “Familien”- bzw. “Vatergedichts”, das im ersten Teil des Buches vorherrscht. Warum treten gerade diese ebenso intimen wie für den Leser abstrakten Beziehungen ins Zentrum seiner Gedichte?
Hauke Hückstädt: Naja, diese Personen haben Eingang in diese Gedichte gefunden, weil ich sie am besten kenne, es sind für mich Objekte auch, die ich verdammt gut kenne und über die ich schreiben kann. Ich habe kein Interesse daran, wenn ich einen gewissen Reichtum an Erfahrungen habe, an Kenntnis, muss ich sie mir nicht heranholen, sondern finde die Stoffe interessanter, die so ohnehin relativ nah dran sind. Natürlich geht das dann darum, sie so darzustellen, dass sie einen Mehrwert abwerfen.
Die beiden anderen Teilen des Bandes, “Hopper in Düsseldorf” und “Ende der Legislaturperiode”, enthalten neuere Texte, die die Bereiche Verwandschaft und Gedächtnisarbeit weitgehend verlassen. Hier werden die unmittelbaren Probleme des zwischenmenschlichen Lebens thematisiert, die Schwierigkeit der Liebe, die allgemeine Vergewisserung darüber, was ist Leben, woraus besteht es, ein lyrischer Existentialismus quasi. Auch Künstler- und Autorenporträts finden Eingang in die Betrachtung dieses Alltags, der eben der Alltag eines Lyrikers ist, der stets mit Kollegen seiner Zunft in Kontakt steht.