Wolfgang Welt: Der Tick. Heyne Verlag, München 2001
188 Seiten, Tb EUR 7,95
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Wolfgangs Welt: "Der Tick" Die 80er gab's wirklich! Mir war das damals gar nicht so bewusst und später wollte ich mich nicht mehr dran erinnern, aber Wolfgang Welt hat da so einige, vor allem musikalische Erinnerungen wachgerufen. Und jetzt weiß ich: Die 80er waren wirklich so, wie ich sie immer verdrängen wollte! Der alptraumhafte Schleier der 80er war Realität.
In Wolfgang Welts "Der Tick" zieht das ganze Horrorkabinett noch einmal an einem vorüber: Als Kuriositätensammlung. Nicht, dass Welt es dazu machen würde. Mit Ironie oder gebrochener Erzählperspektive hat der Autor nicht viel am Hut. Vielmehr setzt "Der Tick" irgendwann im Jahre 1982 ein und für die Dauer etwa eines Jahres wird Ereignis an Ereignis gereiht. Zwar nennt Wolfgang Welt sein neues Buch "Roman", doch wirkt "Der Tick" eher wie ein Tagebuch dem die fortlaufenden Datumsangaben fehlen. Vielleicht hat der Autor tatsächlich seine alten Tagebücher genommen und ihnen den Anstrich einer fortlaufenden Erzählung verpasst. Letztendlich liest sich "Der Tick" aber wie eine Chronologie, in die geradezu akribisch eingetragen wurde, wie viel Geld Welt an einem bestimmten Tag für Zigaretten ausgegeben hat, wie viel Bier er getrunken und über welche Platte er in einem der vielen Musikmagazine jener Zeit eine Rezension geschrieben hat. Die längste Zeit dieses Jahres verbringt der Autor/die Hauptfigur in seiner Heimatstadt Bochum, geht dort in die Kneipe oder versucht irgendwelche Frauen in sein Bett zu locken (für die Zukunft viel Glück, lieber Wolfgang!), ein paar Seiten lang begleitet er eine Motörhead-Tour durch England (man erfährt aber fast nur von den Geldsorgen, die ihn dabei plagen) und dann schaut er auch mal bei Diedrich Diedrichsen in Hamburg beim Musik Express vorbei (gibt's den eigentlich noch? Den Express?). Namen fliegen einem dabei nur so um den Kopf: Namen von Musikern, von Freunden, Feinden und Kollegen. Erklärt wird selten etwas, am Leser rast alles nur so vorbei und er hat kaum eine Chance, sich irgendetwas zu merken. Und um Welts eigenes Gedächtnis ist es auch schlecht bestellt: "wir hatten ja auch damals ein Goethe-Jahr, ich weiß jetzt aber nicht mehr, warum, vielleicht der 250. Geburtstag". Man könnte fast meinen, diese Inventur eines Jahres (die sich in Zukunft zu einer Inventur eines Lebens ausweiten soll, wie versprochen wird) hätte Methode, würde versuchen, den Leser vollzustopfen mit Information, um ihn dadurch reflexionsunfähig zu machen, ihn quasi mental zu lähmen und damit dem Frühaufsteher Welt anzupassen: "Ich brachte keine Energie auf, mich um halb zehn gegen Alkohol zu wehren." Ich muss gestehen, dass Welt beim Rezensenten damit Erfolg gehabt hat, denn nach beendeter Lektüre verspürte er einen leichten Kater und konnte sich nur noch an den folgenden Sätze erinnern: "Jetzt hätte ich mir gern ein Callgirl gerufen, die mir einen blasen sollte. Von diesen Fotzen von der Plattenfirma war ja nichts zu erwarten."
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