Roberto Lasagna:
Martin Scorsese
An Büchern über Martin Scorsese besteht eigentlich auch hierzulande kein Mangel, und im Gegensatz zu anderen Regisseuren produziert er auch nicht so rasant, daß ein halbjährlich stattfindendes Update seines Schaffens von nöten wäre. Dennoch ist Scorsese einer jener Regisseure, über die man auch gern verschiedene Meinungen hört, und da dieser Band bereits mit Bildern zu “Gangs of New York aufwartet, stellt sich eine gewisse Neugier ein.
An das Seitenlayout und insbesondere die eigentümliche Einflechtung des Bildmaterials muß man sich erst gewöhnen, doch der Text birgt dafür einige interessante Einsichten. Insbesondere der Vergleich von TV- und Kino-Stilelementen in “The King of Comedy konnte bei mir den Wunsch erwecken, den Film auf diese Gesichtspunkte hin noch mal zu untersuchen. Ansonsten legt der Autor viel Gewicht auf symbolische (natürlich die katholische Kirche …) und inhaltliche (wiederkehrende Scorsese-Themen) Aspekte der Filme Scorseses, was mir als eher die Oberfläche analysierenden Filmwissenschaftler natürlich zu weit entfernt ist von den filmtechnischen Fragen, die in Zusammenhang mit Scorsese sicher von Bedeutung sind. Bei einem so versiert und innovativ mit filmsprachlichen Mitteln arbeitenden Regisseur darf man das einfach nicht außer Acht lassen. Doch abgesehen von Beispielsweise sehr erhellenden Vergleichen der Voice-Over-Techniken in seinen späten Filmen findet man nur wenig zum Einsatz der Kamera (vielleicht sollte ich mir auch lieber ein Buch über Michael Ballhaus kaufen), zur Farbdramaturgie oder zur Schauspielerführung. Lasagna sieht die Filme als Ganzes und verscht lieber, Vergleiche zu ziehen, als daß er Details (abgesehen von einigen Dialogen) unter die Lupe nimmt.
Für meinen Geschmack ist das Buch somit zu theoretisch orientiert, wo ich mir mehr Analyse gewünscht hätte. Doch auch die Übersetzung aus dem Italienischen mag daran Schuld gewesen sein, daß ein wirklicher Lesepaß sich nur selten einstellte. während in langen, unübersichtlichen Schachtelsätzen über “Solipsismus referiert wird, und man sich manchmal wirklich Mühe geben muß, der Argumentation zu folgen, gibt es einfach zu viele Verständnisprobleme, die offensichtlich aus der Übersetzung resultieren. Das aus dem amerikanischen Begriff des “Cross-Cutting (der italienische Fachbegriff ist mir nicht bekannt) ein seltsamer Ausdruck namens “Kreuzschnitt wurde, mag man noch nachvollziehen, aber das insbesondere bei Dingen, die man nachschlagen kann, so eine Unwissenheit vorherrschte, ist tragisch. Durch Gegenlesen eines Experten hätten viele überflüssige Fehler verschwinden können, die für den uneingeweihten Leser einfach den Zugang unnötig erschweren.
Wenn der deutschstämmige Kameramann Eugen Schüfftan sich etwa für die US-Produktion “The Hustler “Eugene Shuftan umbenennt, ist das doch kein Grund, ihn plötzlich als “Enger Schiffton (S.93) auszugeben, was das Wiedererkennen ebenso erschwert wie etwa die Nennung des Films “Daunbailò von Jim Jarmusch (S. 129). Auch habe ich Probleme mit deutschen Verleihtiteln wie “Manhattan-Massaker (Ich glaube, bei der Video-Auswertung hieß Ciminos “Year of the Dragon mal so) oder der Schreibweise “Kasino, die allenfalls im italienischen Sprachraum verbreitet sein mag.
Und auch die Filmographie, die jeweils höchstens sieben Darsteller angibt, geht für ein ernsthaftes Filmbuch, das auch zum Nachschlagen animieren soll, einfach nicht tief genug. Auch, wenn es nicht mehr brandaktuell ist, würde ich deshalb lieber “Scorsese on Scorsese aus dem Londoner Faber-Verlag empfehlen, wenn man sich sein womöglich erstes Buch über Martin Scorsese anschaffen will. Lasagnas Werk kann in dieser Bearbeitung den wenigsten bereits gut informierten Lesern noch Neues bieten.